OGH 14Os8/03

OGH14Os8/0311.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander K***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. August 2002, GZ 40 Hv 5/02x-21, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander Kraus (richtig) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II), nach § 2 Abs 1 lit c PornG (III) und des Betruges nach § 146 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in Vorarlberg

I) im Zeitraum Sommer 2000 bis Mitte Feber 2001 in mehreren

selbständigen Angriffen mit der am 30. März 1987 geborenen, sohin unmündigen Magdalena V***** den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er den Finger in ihre Scheide führte, "seinen Penis in ihren After einzuführen versuchte", mit seinem Penis in ihrem Mund sowie in ihre Scheide eindrang und den Geschlechtsverkehr vollzog;

II) durch die zu Punkt I geschilderten Handlungen die minderjährige Magdalena V*****, die als Tochter seiner Lebensgefährtin seiner Aufsicht unterstand, zur Unzucht missbraucht:

III) im Zeitraum 2000 bis Mitte Feber 2001 wissentlich der unter 16 Jahren alten Magdalena V***** ein solches Laufbild, das geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, nämlich einen Pornofilm, auf welchem sexuelle Handlungen (Oral- und Vaginalverkehr) unter Erwachsenen dargestellt sind, (richtig) vorgeführt;

IV) in der Nacht zum 9. März 2002 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Walter T***** durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Durchführung einer Taxifahrt verleitet, wobei dem Taxiunternehmen "Taxi W*****" durch die Nichtbezahlung der Taxikosten ein Schaden von 50 EUR entstanden ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit b 9 lit c, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert bereits an der gebotenen Konkretisierung von in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen, die angeblich nicht erledigt oder abgewiesen wurden (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Mit der aus der Prozessordnung nicht ableitbaren (vgl etwa §§ 91 Abs 1, 180 Abs 1 erster SatzStPO) Behauptung, "im Schöffenprozess bestehe obligatorische Voruntersuchung", wird weder der angerufene (Z 4) noch ein anderer Nichtigkeitsgrund geltend gemacht. Das weitere Vorbringen (sachlich im Sinn einer Z 5a) zum Schuldspruchfaktum III (Vergehen nach § 2 Abs 1 lit c PronoG), die Zeugin Magdalena V***** hätte von Amts wegen vernommen werden müssen, geht mangels der erforderlichen Darlegung, inwiefern der Angeklagte oder sein Verteidiger an einer diesbezüglichen Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen seien, von vornherein fehl (Ratz WK-StPO § 281 Rz 480 und die dort zitierte Judikatur). Da beide Teile auf die tatsächliche Verlesung von im § 252 Abs 1 bzw Abs 2 StPO bezeichneten Schriftstücken verzichtet haben (S 421), ist die Art ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) einer nachträglichen Kritik aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO entzogen (14 Os 129/98). Dass auf die tatsächliche Verlesung nicht verzichtet wurde, wird nicht behauptet.

Weshalb die verfahrensaktuell zwischen §§ 206 und 212 StGB bestehende Idealkonkurrenz (Leukauf/Steininger Komm3 § 206 Rz 14) einer besonderen Begründung bedurfte, sagt die Mängelrüge (Z 5) nicht (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die nicht entscheidende Annahme einer leichten geistigen Behinderung des Tatopfers (US 7) ist aus der schriftlichen Stellungnahme des Institutes für Sozialdienste vom 15. Juli 2002 (S 259) logisch und empirisch einwandfrei ableitbar.

Mit Plausibilitätserwägungen zur Glaubwürdigkeit der das Schuldspruchfaktum III (Pornofilmvorführung) leugnenden Verantwortung des Angeklagten wird bloß nach Art einer unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft, die auch insoweit mit denkfehlerfreier Argumentation den Angaben der Zeugin Magdalena V***** Glauben schenkten (US 9 iVm S 225).

Der Einwand (nominell Z 9 lit b, sachlich Z 9 lit a), der Angeklagte habe beim Schuldspruchfaktum IV (Vergehen des Betruges nach § 146 StGB) ohne Betrugsvorsatz gehandelt, ignoriert prozessordnungswidrig die gegenteiligen Urteilsfeststellungen zum Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz (US 7, 10).

Die tätige Reue beim Schuldspruchfaktum IV reklamierende Rüge (Z 9 lit b) erklärt nicht, warum Schadenswiedergutmachung erst nach Anzeigeerstattung am 9. März 2002 (S 345) strafbefreiend wirken soll (vgl § 167 Abs 2 StGB).

Dem Vorbringen (Z 9 lit c, inhaltlich Z 8), bezüglich der Schuldspruchfakten III und IV sei die Anklage wegen unterbliebener Voruntersuchung überschritten worden, genügt die Erwiderung, dass die bezeichneten Taten in der Anklageschrift enthalten sind (S 370) und die behauptete Nichtigkeit nicht aus dem Gesetz abgeleitet wird. Die Subsumtionsrüge (Z 10) legt nicht dar, warum im vorliegenden Fall keine Idealkonkurrenz zwischen §§ 206 und 212 StGB (Schuldspruchfakten I und II) bestehen soll.

Das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen wurde der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider rechtsrichtig als erschwerend gewertet. Mit der Pauschalbehauptung, hinsichtlich der Fakten III und IV sei der Beschwerdeführer zu Unrecht verurteilt worden, wird weder ein Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO bewirkender Strafzumessungsfehler noch ein anderer Nichtigkeitsgrund gesetzeskonform geltend gemacht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten (§§ 285i, 498 Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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