OGH 14Os54/02

OGH14Os54/0211.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ing. Norbert S***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 22. November 2001, GZ 60a Vr 202/96-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Umfang des Schuld- und Strafausspruchs aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Freispruch wegen Unzuständigkeit des Gerichts nach § 214 FinStrG enthaltenden Urteil wurde Ing. Norbert S***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (A) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Gänserndorf vorsätzlich

A) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, und zwar

1) an Umsatzsteuer

  1. a) für das Jahr 1991 66.000 S;
  2. b) für das Jahr 1992 83.613 S;
  3. c) für das Jahr 1993 171.237 S;
  4. d) für das Jahr 1994 169.688 S;

2) an Gewerbesteuer

  1. a) für das Jahr 1991 29.353 S;
  2. b) für das Jahr 1992 76.441 S;
  3. c) für das Jahr 1993 152.823 S;

B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

I) für Dezember 1993 301.763 S;

II) für den Zeitraum Jänner bis März 1995 35.073 S.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon zufolge (teils unter Z 9 lit a) geltend gemachter Begründungsmängel zu den Punkten

A) 1) c) und B) I) des Schuldspruchs Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass die Umsatzsteuerverkürzungen zu A) 1) aus der Nichtversteuerung von Einnahmen des Beschwerdeführers als (selbständiger) Bauleiter (US 5 f) und die Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer (B) aus der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen in seiner Funktion als das "Freizeitzentrum H*****" betreibender Einzelunternehmer resultieren, wobei die Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen in den bezüglichen Jahresumsatzsteuerverkürzungsbeträgen nicht enthalten seien (US 6). Eine Erörterung der die Punkte A) 1) c) und B) I) des Schuldspruchs betreffenden Belegstellen des Umsatzsteuerakts des Finanzamts Gänserndorf, Steuernummer 221/1847, hat es aber unterlassen. Aus Letzterem geht jedoch klar hervor, dass sich der Verkürzungsbetrag an Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 1993 im Wesentlichen aus einer Geltendmachung von Vorsteuern (im Betrag von 303.432,25 S) ergibt (S 1/1993 des genannten USt-Aktes). Ferner hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 28. November 1996 - im Gegensatz zum Finanzamt Gänserndorf (vgl Bescheid vom 6. Juni 1994, mit dem die Umsatzsteuervorauszahlungen für 1994 mit Null festgesetzt wurden [S 13b/1993 des USt-Aktes] und der Berufungsvorentscheidung vom 30. Dezember 1994 [S 66/1994 des USt-Aktes]) - die Meinung vertreten, der Angeklagte (nicht aber seine Töchter) sei auch im Zusammenhang mit dem Betrieb des "Freizeitzentrums H*****" als Einzelunternehmer im Sinn des Umsatzsteuergesetzes anzusehen. Daher sei seiner Berufung der Höhe nach (teilweise) stattzugeben, zumal die von ihm seinerzeit vorgelegten (die Bezahlung von Umsatzsteuer ausweisenden) Rechnungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Tennishalle gestanden seien (vgl S 124 f/1994 des USt-Aktes). Letztlich wurde die Berufung des Angeklagten mit Bescheid der genannten Finanzlandesdirektion vom 14. Dezember 1999 deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil zwischenzeitig (am 21. September 1999) - auftragsgemäß (S 123/1994 des USt-Aktes) - der Umsatzsteuerbescheid für 1993 (S 23/1993 des USt-Aktes) ergangen war und demgemäß eine Entscheidung über den Vorauszahlungsbescheid für Dezember 1993 keine Rechtswirkungen mehr entfalten konnte (S 137 f/1994 des USt-Aktes).

Hätte sich das Schöffengericht sowohl damit auseinandergesetzt, welche konkreten Umsatzsteuerverkürzungshandlungen es dem Angeklagten, dem es (im Gegensatz zum Finanzamt Gänserndorf) Unternehmereigenschaft attestierte (US 6), zur Last legt, und die im Finanzakt erliegenden Rechnungen im Zusammenhang mit dem "Freizeitzentrum H*****" in seine Erwägungen einbezogen, als auch mit der Tatsache befasst, dass letztlich über die Berufungseinwendungen des Beschwerdeführers von der Abgabebehörde meritorisch nicht mehr entschieden wurde, weil zwischenzeitig bereits ohnehin der (auf den Verkürzungsbetrag laut Punkt A) 1) c) lautende) Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1993 ergangen war, so ist nicht auszuschließen, dass es keine Feststellung über das Vorliegen realkonkurrierender Tathandlungen in Bezug auf die Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 1993 einerseits und in Bezug auf die Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Dezember 1993 andererseits getroffen hätte. Demzufolge hätte es entweder eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen überhaupt verneint oder Konsumtion des Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG in Bezug auf Dezember 1993 angenommen (14 Os 127/90 = EvBl 1992/26).

Der aufgezeigte Begründungsmangel macht daher die Aufhebung des Schuldspruchs im Punkt B) I) zur Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Da aber der strafbestimmende Wertbetrag aus allen Punkten des Schuldspruchs insgesamt nur 1,085.991 S beträgt und bei erfolgter Teilaufhebung der Verkürzungsbetrag aus den verbleibenden Punkten des Schuldspruchs die für die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung der Finanzvergehen (seinerzeit) geltende Wertgrenze von 1,000.000 S (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG) nicht mehr übersteigt, ist - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits in nichtöffentlicher Sitzung die Aufhebung des gesamten Schuld- und Strafausspruchs erforderlich, sodass eine Erörterung der übrigen Beschwerdepunkte unterbleiben kann.

Im zweiten Rechtsgang werden - über die global zitierte Passage hinaus - konkrete Feststellungen zu den dem Schuldspruch unterliegenden Umsatzsteuervorauszahlungen (auch unter Einbeziehung der im Finanzakt erliegenden Rechnungen) zu treffen sein, zumal der Angeklagte selbst den von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland geteilten Standpunkt einnahm, ihn treffe die Unternehmereigenschaft (Niederschrift vom 8. Februar 1994 S 4 f/1993 des USt-Aktes), woraus sich gegebenenfalls Schlüsse in Richtung der hier qualifizierten Vorsatzform der Wissentlichkeit ziehen lassen werden.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Stichworte