OGH 5Ob22/03a

OGH5Ob22/03a11.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Christian K*****, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in Graz, wegen Vornahme von grundbücherlichen Eintragungen, über den Revisionsrekurs des Pius B*****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. April 2002, AZ 4 R 292/01t, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 21. Juni 2001, TZ 1391/01, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag, in EZ 215 Grundbuch ***** die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück 139/6 für das Grundstück 43 gemäß § 4 des Kaufvertrages vom 23. 8. 2000 einzuverleiben und diese Dienstbarkeit in EZ 15 Grundbuch ***** ersichtlich zu machen, abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der Antragsteller Christian K***** ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 15 Grundbuch *****, bestehend aus dem Grundstück 43. Der Rechtsmittelwerber Pius B***** ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 215 Grundbuch *****, bestehend unter anderem aus dem Grundstück 139/6. Am 22. 8./23. 8. 2000 schlossen Christian K***** als Verkäufer und Pius B*****, dieser vertreten durch den "mit Vollmacht vom 15. 5. 2000 ausgewiesenen Vertreter" Rechtsanwalt Dr. O***** als Käufer einen Kaufvertrag. Darin wurde der Verkauf mehrerer Teilflächen des Grundstückes 43 im Ausmaß von insgesamt 254 m2 um den Gesamtkaufpreis von S 25.400,-- vereinbart sowie weiters, dass dieser Betrag "durch die Einräumung der nachfolgenden Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens als Gegenleistung berichtigt bzw aufgerechnet" werde. Der maßgebliche § 4 dieses Vertrages lautet: "Die Zufahrt und der Zugang zum Grundstück 43 erfolgt über das Grundstück 139/6 des Käufers. Der Käufer räumt für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstückes 139/6 dem Verkäufer und dessen Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstückes 43 entgeltlich (S 25.400,--) das dingliche Recht der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art ein, welche hiemit vom Verkäufer ausdrücklich angenommen wird ...".

Im § 9 des Vertrages erteilen die Vertragsparteien unter anderem ihre ausdrückliche Einwilligung, dass in EZ 215 die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück 139/6 für das Grundstück 43 gemäß § 4 des Vertrages und die Ersichtlichmachung dieser Dienstbarkeit in EZ 15 vorgenommen werden könne.

Unter Vorlage dieses Kaufvertrages - die Unterschriften des Verkäufers und des für den Käufer einschreitenden Vertreters Dr. O***** sind notariell beglaubigt - beantragte der Verkäufer Christian K*****, vertreten durch die im Spruch genannten Machthaber, am 19. 6. 2001 die aus dem Spruch ersichtlichen Eintragungen. Das Erstgericht (der Rechtspfleger) vermerkte im Akt "Vollmacht erliegt unter TZ 1274/2001" und nahm eine Kopie der (auf Grund der Stampiglienabdrücke erkennbar bereits zu mehreren Tagebuchzahlen vorgelegten) Vollmacht zum Akt. Die hier relevanten Teile der vorgedruckten Vollmacht lauten:

"Vollmacht, mit welcher Rechtsanwalt Dr. Leonhard O***** ... ermächtigt wird, mich (uns) in allen bürgerlichen und Strafrechtsangelegenheiten ... zu vertreten, ... in meinem (unserem)

Namen ... Vormerkungen und Einverleibungen in öffentliche Bücher zu

erwirken, grundbücherliche Eintragungen aller Art zu bewilligen, insbesondere Einverleibungs- und Löschungserklärungen abzugeben, ... was immer für bewegliche und unbewegliche Sachen und Rechte zu veräußern oder entgeltlich und unentgeltlich zu erwerben und zu übernehmen ...".

Die Unterschrift des Pius B***** vom 15. 5. 2000 auf dieser Vollmacht ist notariell beglaubigt.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten grundbücherlichen Eintragungen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Pius B***** nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- nicht übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte im Wesentlichen folgendes aus:

Dem Rekurswerber sei zwar darin beizupflichten, dass neben dem Kaufvertrag vom 23. 8. 2000 auch die dort genannte schriftliche Vollmacht vom 15. 5. 2000 gemäß § 87 GBG im Original dem Verbücherungsantrag beizulegen gewesen wäre, weil die Verfügungsvollmacht zu den Eintragungsgrundlagen gehöre. Gemäß § 87 Abs 2 GBG genüge es allerdings in dem Fall, als die Originalurkunde bei dem Grundbuchsgericht liege oder einem im Zuge befindlichen Gesuch angeschlossen sei, eine Abschrift beizubringen und anzugeben, wo sich das Original befinde. Das Fehlen der geforderten Abschrift bilde aber keinen Abweisungsgrund und die Angabe, wo sich das Original befinde, müsse nur der Art sein, dass es dem Grundbuchsgericht möglich sei, die Urkunde aufzufinden. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller zwar keinen Hinweis in seinem Antrag aufgenommen, dass bzw wo sich die Originalvollmacht beim Grundbuchsgericht befinde. Dem Grundbuchsgericht sei dies aber offenbar ohnedies bekannt gewesen, sodass es in der Lage gewesen sei, die zu TZ 1274/01 erliegende Vollmacht vom 15. 5. 2000 zu finden und sie seiner Entscheidung zugrundezulegen. So betrachtet schade es im vorliegenden Fall nicht, dass der Antragsteller keine Vollmachtsabschrift beigebracht und auch nicht angegeben habe, wo sich das Original befinde. Ausgehend vom Zweck der Vorschrift des § 87 Abs 2 GBG müsse es ausreichen, dass die Originalvollmacht tatsächlich beim Grundbuchsgericht liege und vom Entscheidungsorgan - aus welchen Gründen immer - auch wirklich aufgefunden worden sei. Bei einer solchen Sachlage darüber hinaus noch auf einem bestimmten Vorbringen des Antragstellers (oder der Vorlage einer Abschrift) zu bestehen, würde nur einen überflüssigen Formalismus darstellen. Auszugehen sei also davon, dass dem Erstgericht die Originalvollmacht vorgelegen habe, welche auch die notariell beglaubigte Unterschrift des Machtgebers Pius B***** enthalte, sodass die Voraussetzung des § 31 Abs 1 GBG erfüllt gewesen sei.

Da die Vollmacht vom 15. 5. 2000 stamme, sei sie nicht früher als drei Jahre vor dem Ansuchen um die Einverleibung ausgestellt worden. Gemäß § 31 Abs 6 GBG sei daher keine auf das bestimmte Geschäft lautende Vollmacht erforderlich gewesen, sie habe lediglich auf die Gattung der vereinbarten Geschäfte ausgestellt sein müssen. Das Grundbuchsgericht habe nun diese Vollmacht in formeller Hinsicht prüfen müssen, jedoch keine Untersuchungen über das Zustandekommen oder die Ungültigkeit oder Anfechtbarkeit der Bevollmächtigung anzustellen gehabt. Ohne begründete Bedenken habe die Gültigkeit der nicht früher als drei Jahre vor dem Ansuchen um Einverleibung ausgestellten Vollmacht angenommen werden müssen. Ohne konkrete aktenkundige Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt der Vertragserrichtung die Vollmacht widerrufen und der Antragsteller bösgläubig sei, habe eine allfällige Vollmachtsüberschreitung zu Lasten des Vollmachtsgebers gewirkt.

Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers habe das Erstgericht auf Grund des Wortlautes der Vollmacht vom 15. 5. 2000 und des Inhaltes des Kaufvertrages keine gegründeten Bedenken haben müssen, dass die Vollmacht nicht die in dem Vertrag enthaltenen Geschäfte decken würde. Soweit der Rekurswerber damit argumentiere, die (schriftlich erteilte) Vollmacht decke schon nach ihrem Wortlaut nicht die Einräumung einer Dienstbarkeit, teile das Rekursgericht diese Meinung nicht. Im Text der Vollmacht vom 15. 5. 2000 würden ausdrücklich jene Geschäftsbereiche genannt, die auch in § 1008 ABGB angeführt seien. Die Ermächtigung "was immer für bewegliche und unbewegliche Sachen und Rechte zu veräußern" sei als Gattungsvollmacht anzusehen und umfasse auch die entgeltliche Einräumung einer Wegeservitut. Zudem enthalte der Vollmachtstext auch die Ermächtigung, grundbücherliche Eintragungen aller Art zu bewilligen, insbesondere Einverleibungs- und Löschungserklärungen abzugeben.

Insgesamt sei somit im Rahmen der Prüfung gemäß § 94 GBG davon auszugehen gewesen, dass die Vollmacht unbedenklich und der Machthaber Dr. O***** zum Abschluss der Vereinbarung der Einräumung der Wegedienstbarkeit für den nunmehrigen Rekurswerber als Machtgeber ermächtigt gewesen sei.

Auf Antrag des Rekurswerbers sprach das Rekursgericht in der Folge aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Die ergänzenden Erhebungen des Rekursgerichtes hätten ergeben, dass die hier entscheidungswesentliche Originalvollmacht vom 15. 5. 2000 (infolge Rückstellung an Dr. O***** am 13. 6. 2001) zum Zeitpunkt der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung (am 21. 6. 2001) - entgegen der ursprünglichen Annahme auf Grund eines entsprechenden Aktenvermerkes - dem Erstgericht nicht zur Verfügung gestanden sei, sondern im Akt TZ 1274/01 lediglich eine Kopie der Vollmacht erlegen habe.

In seinem Revisionsrekurs beantragt der Rekurswerber den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Grundbuchsgesuch abgewiesen werde. Dem Grundbuchsgesuch könne die Originalvollmacht nicht vorgelegen haben, weil sie an Dr. O***** zurückgestellt worden sei; sie befinde sich nunmehr in den Händen seines Rechtsvertreters; überdies decke der Vollmachtstext die Einräumung von Servituten nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Gemäß § 87 Abs 1 GBG sind die Urkunden, auf Grund deren eine Eintragung erfolgen soll, im Original beizulegen. Es genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht, dass sich Abschriften schon in der Urkundensammlung befinden (RIS-Justiz RS0104316, RS0107163). Auch die zu den Eintragungsgrundlagen gehörende Verfügungsvollmacht wäre dem Grundbuchsgesuch daher im Original beizulegen gewesen, was nach den ergänzenden Erhebungen des Rekursgerichts nicht geschehen ist. Die Verweisungsmöglichkeit gemäß § 87 Abs 2 GBG kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil sich die Originalvollmacht nicht mehr beim Grundbuchsgericht befand, sondern schon vor Einlangen des Grundbuchsgesuches zurückgestellt worden war. Das Fehlen dieser Originalurkunde führt somit zur Abweisung des Grundbuchsgesuches.

Hingegen stellt die Textierung der Verfügungsvollmacht keinen weiteren Abweisungsgrund dar. Hiezu wird auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen, wonach der Wortlaut auch die Einräumung von Dienstbarkeiten deckt.

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