OGH 10ObS21/03s

OGH10ObS21/03s4.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Ralf W*****, geboren am 23. Juni 1985, vertreten durch den Vater Ing. Hubert W*****, beide ***** dieser vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich als Pflegegeldträger, 4010 Linz, Altstadt 30, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Oktober 2002, GZ 11 Rs 203/02f-17, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. April 2002, GZ 7 Cgs 179/01a-11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das Mehrbegehren nach einem Pflegegeld der Stufe 5 im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 5. 2001 abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht aufgrund eines am 6. 2. 2001 vor dem Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht im Verfahren 11 Cgs 75/00k abgeschlossenen Vergleiches seit 1. 11. 2000 Pflegegeld der Stufe 3.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 15. 5. 2001 wurde der Antrag des Klägers vom 26. 4. 2001 auf Erhöhung des Pflegegeldes zurückgewiesen, weil der Kläger keine glaubhafte Bescheinigung über eine wesentliche Änderung in den Anspruchsvoraussetzungen (Erhöhung des Pflegebedarfs) vorgelegt habe.

Das Erstgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen und auf der Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 5 im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 5. 2001 gerichteten Klagebegehren statt.

Nach seinen Feststellungen wohnt der 16 Jahre alte Kläger gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Einfamilienhaus mit modernem Wohnkomfort (Zentralheizung). Er leidet an einer schweren epileptischen Erkrankung mit immer wiederkehrenden cerebralen Krampfanfällen, woraus sich ein psychoorganisches Syndrom entwickelt hat. Beim Kläger besteht eine ausgeprägte reduzierte psychomotorische Entwicklung und ein hochgradig eretischer Zustand (= Antriebsstörung mit Bewegungsunruhe und gesteigerter Erregbarkeit). Trotz antiepileptischer Therapien hat der Kläger drei bis vier große Anfälle pro Woche, bei denen es jeweils zu einem Bewusstseinsverlust, zu einem Sturz mit Verkrampfung und anschließend bis zu einer Stunde dauernder Somnolenz kommt. Die Frequenz der großen cerebralen Anfälle hat sich etwa seit August 2001 gehäuft. Dazwischen hat er täglich mehrere kleine Anfälle, die sich in Form von Zuckungen an den Extremitäten oder des Kopfes äußern. Am auffälligsten ist aber die Stimmungslage, in der sich der Kläger befindet. Er kann keine Minute ruhig verharren, sondern zeigt eine ausgeprägte motorische Unruhe. Aufgrund seines Alters und seiner gesamten körperlichen Konstitution entwickelt er eine enorme Kraft im blitzartigen Zerstören von Dingen. "Pfeilartig" schießt er mit einer Hand irgendwohin, ergreift etwas, wirft es durch die Gegend und schlägt mit den Beinen aus; dazwischen kommt es zu Lachattacken. Trotz Eingreifens durch die Mutter in guter oder strenger Art kann man beim Kläger nichts erreichen.

Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass der Kläger fremder Hilfe für das An- und Auskleiden, die tägliche Körperpflege, die Zubereitung von Mahlzeiten, die Einnahme der notwendigen Medikamente, die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche sowie Mobilitätshilfe im weiteren Sinn im Gesamtausmaß von 167 Stunden monatlich bedarf. Darüber hinaus stellte das Erstgericht fest, dass der Wohnbereich des Klägers zwar mit einer Zentralheizung ausgestattet ist, der Kläger aber nicht einschätzen kann, dass man einen Heizkörper zum Wärmen des Wohnraumes auch aufdrehen muss. Was die Mobilitätshilfe im engeren Sinn betrifft, ist der Kläger zwar eigenständig mobil, er stellt aber in seiner ihm eigenen möglichen Mobilität unsinnige Handlungen an, die ihn selbst und auch andere Personen gefährden. Seine eigenständige Mobilität muss daher überwacht werden. Auch wegen der nicht vorhersehbaren cerebralen Anfälle bedarf es einer Aufsicht. Der Kläger benötigt grundsätzlich auch sehr viel Zuspruch und Motivation in Bezug auf die allgemeine Lebensführung wegen seines auffälligen Verhaltens. Aufgrund seiner massiven motorischen Unruhezustände, seiner Unberechenbarkeit, welche permanent zu einer Eigen- und Fremdgefährdung führt, besteht die Notwendigkeit einer dauernden Überwachung und damit der Anwesenheit einer Betreuungsperson.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass beim Kläger über den unstrittigen Pflegebedarf von 167 Stunden monatlich hinaus zusätzlich zur Betreuung Motivationsgespräche erforderlich seien, wofür der in der EinstV vorgesehene Richtwert von 10 Stunden monatlich anzusetzen sei. Weiters benötige der Kläger Mobilitätshilfe im engeren Sinn im Ausmaß des Richtwertes von 15 Stunden monatlich, weil er wegen seiner eigengefährdenden unsinnigen Handlungen ständig beaufsichtigt werden müsse. Gemäß § 4 Abs 1 EinstV sei diese Beaufsichtigung der Betreuung und Hilfe, für die der angeführte Richtwert bestehe, gleichzusetzen. Der Gesamtpflegebedarf des Klägers betrage somit (jedenfalls) 192 Stunden monatlich, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob beim Kläger auch für die Beheizung des Wohnraumes Pflegebedarf bestehe. Da beim Kläger wegen seiner permanenten Eigen- und Fremdgefährdung die Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Betreuungsperson bestehe, sei ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand gegeben, sodass der Kläger Anspruch auf das von ihm begehrte Pflegegeld der Stufe 5 habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und änderte in teilweiser Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass die beklagte Partei verpflichtet wurde, dem Kläger Pflegegeld der Stufe 4 in Höhe von EUR 620,30 monatlich ab 1. 5. 2001 zu zahlen. Eine ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens unterblieb.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes betrage der monatliche Pflegebedarf des Klägers nur 167 Stunden, da entgegen der Ansicht des Erstgerichtes kein Pflegebedarf für Mobilitätshilfe im engeren Sinn und für Motivationsgespräche bestehe. Die Beaufsichtigung eines geistig behinderten, aber voll mobilen Menschen, wie es der Kläger sei, könne der Mobilitätshilfe schon begrifflich nicht unterstellt werden. Nach ständiger Rechtsprechung sei abgesehen von den ausdrücklichen Regelungen (§ 4 Abs 2 Stufe 6 OÖ.PGG, § 4 EinstV zum OÖ.PGG) der Zeitaufwand für die Beaufsichtigung bei der Prüfung des Anspruches auf Pflegegeld nicht in Anschlag zu bringen. Die wegen Eigengefährdung notwendige Überwachung der eigenständigen Mobilität des Klägers und die notwendige Aufsicht wegen nicht vorhersehbarer cerebraler Krampfanfälle seien keine Verrichtungen im Sinne der Aufzählungskataloge zum Betreuungs- und Hilfsaufwand nach den §§ 1, 2 der EinstV zum OÖ.PGG.

Da es dem Kläger aufgrund seines Leidenszustandes nicht möglich sei, irgendeine der in §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen selbständig auszuüben und daher ein entsprechender Pflegebedarf bereits berücksichtigt worden sei, könne für das Motivationsgespräch nicht zusätzlich ein Pflegebedarf veranschlagt werden. Der grundsätzlich notwendige Zuspruch und die Motivation des Klägers in Bezug auf seine allgemeine Lebensführung wegen seines auffälligen Verhaltens stellten selbst dann keine pflegegeldrelevanten Leistungen dar, wenn diese Hilfestellung nicht während der Erbringung der vom Erstgericht zur Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes des Pflegebedarfs zugrunde gelegten Pflegeleistungen gegeben wäre. Die notwendigen Gespräche seien nämlich eine einer therapeutischen Maßnahme durchaus vergleichbare Maßnahme, die auf die Erhaltung (oder die Verbesserung) des Gesundheitszustandes des Betroffenen abziele. Derartige Maßnahmen seien aber weder der Betreuung noch der Hilfe zuzurechnen und daher keine pflegegeldrelevante Leistungen. Der Gesamtpflegebedarf des Klägers betrage daher nur 167 Stunden monatlich, weshalb die Frage, ob der Kläger auch für die Beheizung des Wohnraumes fremder Hilfe bedürfe, nicht mehr entscheidungswesentlich sei, weil selbst eine Berücksichtigung des dafür vorgesehenen fixen Zeitwertes von 10 Stunden monatlich zu keinem höheren Pflegegeldzuspruch führen könnte. Die Berufung der beklagten Partei sei daher insofern berechtigt, als dem Kläger nur Pflegegeld der Stufe 4 gebühre.

Soweit die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel die "Anrechnung einer gleichartigen Leistung" im Urteilsspruch begehre, sei die Berufung jedoch nicht berechtigt. Nach § 6 OÖ.PGG seien auf das Pflegegeld nach diesem Landesgesetz zwar bestimmte Geldleistungen (unter anderem auch die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs 4 FamLAG 1967) anzurechnen, doch stehe nicht fest und sei von der beklagten Partei im Verfahren auch nicht geltend gemacht worden, dass der Kläger eine anzurechnende Geldleistung beziehe.

Der vom Kläger in seiner Berufung relevierte Verfahrensmangel, es sei vom Erstgericht nicht erörtert worden, ob der Kläger bei der gegebenen Sachlage nicht sogar Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 6 habe, sei schon deshalb nicht berechtigt, weil beim Kläger lediglich ein Pflegebedarf von insgesamt 167 Stunden monatlich vorliege und er deshalb die Grundvoraussetzung für die Gewährung eines Pflegegeldes der Stufe 5 oder 6 (Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich) nicht erfülle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteiles mit der Maßgabe, dass das Pflegegeld nach Stufe 4 unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs 4 FamLAG 1967 von monatlich S 825 zu zahlen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Beim Kläger besteht ein unstrittiger Pflegebedarf von 167 Stunden monatlich. Strittig ist im Revisionsverfahren, ob, wie vom Erstgericht angenommen, darüber hinaus ein Pflegebedarf für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn von 15 Stunden monatlich und ein Pflegebedarf für Motivationsgespräche von 10 Stunden monatlich besteht.

Hinsichtlich der vom Revisionswerber geforderten Berücksichtigung des Aufwandes für eine Mobilitätshilfe im engeren Sinn ist davon auszugehen, dass unter Betreuung nach § 1 Abs 1 EinstV zum OÖ.PGG, LGBl 1999/25 (im Folgenden: EinstV) alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen sind, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Zu diesen Verrichtungen zählen nach Abs 2 insbesondere auch solche bei der Mobilitätshilfe im engeren Sinn. Die Gefahr der Verwahrlosung sah der Verordnungsgeber offenbar beim Unterbleiben von folgenden Verrichtungen als gegeben an: Aufstehen und Zubettgehen, Umlagern, Stehen und Treppensteigen, also bei allen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Ortswechseln im häuslichen Bereich sowie bei allen im Ablauf des täglichen Lebens vorkommenden Lagewechseln, weiters bei der Hilfe beim An- und Ablegen von Körperersatzstücken, die der Förderung der Mobilität dienen. Dieser Katalog ist daher auf den häuslichen Bereich ausgerichtet (Pfeil, BPGG 90 f; SSV-NF 8/79 ua; RIS-Justiz RS0107538).

Tritt bei pflegebedürftigen Menschen ein hochgradiger Orientierungsverlust selbst in der eigenen Wohnung auf, ist die notwendige Begleitung im Sinne einer "Orientierungshilfe" auch als Mobilitätshilfe im engeren Sinn anzusehen. Liegen etwa Schwindelzustände vor, die wiederholt zu Stürzen geführt haben, so ist die ständige Begleitung des Pflegebedürftigen durch eine Pflegeperson innerhalb des Wohnbereiches notwendig, um eine Verletzung durch einen Sturz zu verhindern (SSV-NF 13/59 unter Hinweis auf die Erläuterungen des BMAGS zur EinstV zum BPGG, BGBl II 1999/37, veröffentlicht in SozSi 1999, 285; vgl auch § 10 Abs 1 und 2 der [neuen] Richtlinien des Hauptverbandes für die einheitliche Anwendung des BPGG, veröffentlicht in SozSi 1999, 360 ff - Amtliche Verlautbarung Nr 41/1999; Rudda/Türk in SozSi 1999, 271 ff [275 f]).

Gemäß § 4 Abs 1 EinstV ist die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe gleichzusetzen. Die betroffene Person ist hier zwar rein physisch in der Lage, die in Frage kommenden Verrichtungen zu besorgen, kann dies aber wegen einer im psychischen Bereich liegenden Behinderung nur unter Anleitung und unter Aufsicht einer Betreuungsperson besorgen. Die Bestimmung hat Fälle im Auge, in denen die Anwesenheit der Betreuungsperson während der Verrichtung erforderlich ist (arg "Anleitung und Beaufsichtigung.... bei der Verrichtung"). Nur in diesem Fall erklärt sich die Regelung der Verordnung, dass die Anleitung und Beaufsichtigung mit dem für die Verrichtungen in den §§ 1 und 2 EinstV bestimmten Zeitwert gleichzusetzen ist (SSV-NF 12/165 ua). Auch Anleitung und Beaufsichtigung zählen daher zum Pflegebedarf im Sinn des § 4 Abs 1 BPGG (ebenso zum vergleichbaren § 4 Abs 1 OÖ.PGG) und sind gegebenenfalls unter Berücksichtigung der in den §§ 1 und 2 EinstV normierten zeitlichen Vorgaben bei der Ermittlung des Bedarfsausmaßes in Rechnung zu stellen. Unter Umständen wird sogar ein höherer Bedarf anerkannt werden müssen, wenn die Hilfe besonders mühsam umgesetzt werden kann, weil sich Symptome wie Negativismus oder Autismus häufig gegen die Pflegeperson richten (vgl SSV-NF 8/95).

Die "Anleitung" hat zum Ziel, die Erledigung der Verrichtung in einem sinnvollen Ablauf sicherzustellen, wobei die vorhandenen motorischen Fähigkeiten bei eingeschränkter geistiger oder psychischer Leistungsfähigkeit durch den Zuspruch der Pflegeperson eingesetzt werden. Der zeitliche Aufwand dafür kann sehr unterschiedlich sein, zumal die Anleitung das Erklären bis hin zum Vorzeigen der konkreten Handlung in ihren sämtlichen einzelnen Teilschritten erfordern kann. Auch die Anleitung kann motivierende Komponenten besitzen, erfolgt jedoch im Gegensatz zur Motivation (vgl dazu die Motivationsgespräche im Sinne des § 4 Abs 2 EinstV) ausschließlich während der tatsächlichen Verrichtung. Die "Beaufsichtigung" wiederum dient einerseits dem Schutz des Pflegebedürftigen vor Eigengefährdung bei der Vornahme der Verrichtung (zB unkontrollierte Attacken mit Essbesteck) und andererseits zur Kontrolle, ob die Verrichtung auch tatsächlich durchgeführt wird (SSV-NF 14/116; so auch ausdrücklich die Erläuterungen des BMAGS zur Einstufungsverordnung zum BPGG, BGBl 1999/37, veröffentlicht in SozSi 1999, 287).

Im Sinne dieser Ausführungen hat der erkennende Senat in der in SSV-NF 13/59 veröffentlichten Entscheidung bereits ausgesprochen, dass eine Pflegebedürftige, die zwar physisch zu den erforderlichen Ortswechseln innerhalb des Hauses imstande ist, jedoch psychisch aufgrund ihres hochgradigen Orientierungsverlustes der ständigen Begleitung auch innerhalb des Wohnbereiches bedarf, einen Betreuungsaufwand für Mobilitätshilfe im engeren Sinn hat. Davon unterscheidet sich jedoch der Fall des Klägers, der mobil und örtlich ausreichend orientiert ist, sodass er in der Lage ist, sich auch innerhalb des Wohnbereiches ohne Begleitung fortzubewegen. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger - vergleichbar etwa einer aufgrund von Schwindelanfällen sturzgefährdeten Person - bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Ortswechseln im Wohnbereich in besonderer Weise oder in besonderer Häufigkeit bzw Intensität gefährdet wäre. Beim Kläger besteht vielmehr aufgrund seiner massiven motorischen Unruhezustände, seiner Unberechenbarkeit, welche permanent zu einer Eigen- und Fremdgefährdung führen kann, und seiner nicht vorhersehbaren cerebralen Krampfanfälle die Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Betreuungsperson. Diese Notwendigkeit ist nicht etwa spezifisch durch Orts- und Lagewechsel innerhalb des Hauses bedingt, sondern besteht bei diesen Gelegenheiten in gleicher Weise wie während der gesamten übrigen Zeit. Dieses Erfordernis der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist, wird jedoch im Sinne der bereits vom Berufungsgericht dargestellten ständigen Rechtsprechung nur entscheidend, wenn der Pflegebedarf schon ohne diese Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt (vgl § 4 Abs 2 Stufe 6 O.Ö.PGG; SSV-NF 13/27; 13/136; 12/23 mwN ua).

Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass der Pflegebedarf des Klägers nach § 4 Abs 1 O.Ö.PGG selbst bei einer Berücksichtigung eines weiteren Pflegebedarfes von 10 Stunden für Motivationsgespräche durchschnittlich nicht mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, da ein allenfalls noch erforderliches Aufdrehen des Heizkörpers bei vorhandener Zentralheizung keinen zusätzlichen Pflegeaufwand verursacht (vgl SSV-NF 10/79 ua). Der Kläger hat daher nur Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 4. Ein darüberhinausgehender Pflegebedarf durch das Erfordernis der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson ist somit nicht zu berücksichtigen.

Soweit die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung die Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages für erheblich behinderte Kinder gemäß § 8 Abs 4 FamLAG 1967 begehrt, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Anrechnung weder in der im Vorverfahren erfolgten vergleichsweisen Zuerkennung des Pflegegeldes der Stufe 3 an den Kläger, noch in dem bekämpften, durch die vorliegende Klage außer Kraft getretenen Bescheid enthalten war und eine Anrechnungsverpflichtung infolge Bezuges der erhöhten Familienbeihilfe durch den Kläger von der beklagten Partei erstmals in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich geltend gemacht wurde. Da der Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe durch den Kläger somit in keiner Weise Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand zwischen den Parteien unstrittig war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Stichworte