OGH 1Ob39/03x

OGH1Ob39/03x28.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Harald G*****, vertreten durch Dr. Ulrike Bauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Kadlec & Weimann OEG in Wien, wegen EUR 29.207,54 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2002, GZ 40 R 317/02t-43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Auslegung von Verträgen bzw Willenserklärungen kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb insoweit eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann dem Berufungsgericht auch kein auffallender Auslegungsfehler vorgeworfen werden, er eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erfordern würde. Hat das Berufungsgericht die (auflösend bedingte) Vereinbarung der Streitteile insgesamt so verstanden hat, dass jede Partei letztlich derart gestellt werden sollte, wie es dem Ergebnis des damals anhängigen Kündigungsverfahrens entspricht, und sollte daher der Kläger im Falle seines Obsiegens keine Verpflichtungen haben und so zu behandeln sein, wie wenn die beklagte Partei seiner Aufkündigung nicht deren Unzulässigkeit entgegengesetzt hätte, so kann dies keinesfalls als bedenkliche Fehlbeurteilung qualifiziert werden. Es wäre auch nicht verständlich, warum sich der Kläger, der das Mietverhältnis aufgekündigt und die beklagte Partei erfolglos zur Rücknahme des Bestandobjekts aufgefordert hatte, dazu bereit erklären sollte, für eine gewisse Zeit auch dann ein "Benützungsentgelt" in der Höhe des bisherigen Mietzinses zu entrichten, wenn sich schließlich herausstellen sollte, dass seine Kündigung wirksam war, zumal er bereits - was der beklagten Partei bekannt war - schon einige Zeit vor dem Kündigungstermin aus der Wohnung ausgezogen war.

2. Es entspricht auch der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs, dass der Benützer einer fremden Sache gemäß § 1041 ABGB ein dem ihm verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten hat, wobei es in erster Linie auf den Nutzen des Benützers, insbesondere auf die von ihm durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen ankommt, nicht aber auf die Nachteile des Eigentümers (SZ 72/125 uva, RIS-Justiz 0019850). Dem Eigentümer steht ein Verwendungsanspruch nur insoweit zu, als der nicht Berechtigte Vorteile aus der Sache gezogen hat (4 Ob 114/02x). Der redliche Benützer hat jenen Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist (RIS-Justiz RS0020150).

An diesen Grundsätzen hat sich auch das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung orientiert. Die Revisionswerberin vermeint zu Unrecht, einen Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu erkennen, die zu anders gelagerten Fällen, nämlich zu jenen der Weiterbenützung des Bestandgegenstands durch den Bestandnehmer nach wirksamer Aufkündigung des Bestandvertrags durch den Bestandgeber und der (nicht befolgten) Aufforderung zur Rückstellung des Bestandgegenstands nach Wirksamkeit der Kündigung ergangen ist. Nach dieser Judikatur beruht die Verpflichtung zur Zahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung auf § 1041 ABGB, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Bestandnehmer in jenem Zeitraum, in dem er sich mit der Rückstellung in Verzug befindet, seinerseits einen messbaren Nutzen vom Bestandobjekt hat; allein der Entgang der Nutzungschance des Eigentümers führt zur Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Benützungsentgelts (RIS-Justiz RS0019883; WoBl 1997/113, SZ 72/125 ua).

Dass die Judikatur hier vor allem auf den Entgang der Nutzungschance des Eigentümers abstellt, beruht auf der Erwägung, dass bei einer typisierenden Betrachtung in den von dieser Rechtsprechung erfassten Fällen die (planmäßige) Nutzung des Objekts durch den Eigentümer eben in der Vermietung zu einem marktkonformen (angemessenen) Bestandzins besteht. Vereitelt ein Bestandnehmer diese Nutzungschance dadurch, dass er das Objekt vertragswidrig nicht zurückstellt und - in welcher konkreten Form auch immer - weiter benutzt, hat er dafür eine angemessene Vergütung zu leisten (§ 1041 ABGB).

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor: Der Kläger hat als Mieter das Mietverhältnis wirksam zum 31. 10. 1997 aufgelöst und die beklagte Partei erfolglos zur Rücknahme des Bestandobjekts aufgefordert, die diese ablehnte, weil ihrer Ansicht nach die Kündigung unwirksam und das Bestandverhältnis nach wie vor aufrecht sei. Um während des schwebenden Kündigungsverfahrens - im Interesse des schließlich dort Unterliegenden - einen Nutzen aus dem Bestandobjekt zu ziehen, aus dem der Kläger bereits ausgezogen war - die noch im Objekt verbliebenen Fahrnisse des Klägers dienten einerseits zur Reinigung vor Besichtigungsterminen, andererseits wollte sich der Kläger die Möglichkeit offen lassen, einzelne Einrichtungsgegenstände (Einbauschrank, Bett, Badezimmermöbel, Kücheneinrichtung) an einen "Nachmieter" zu veräußern -, verhandelten die Streitteile über eine "Übergangslösung" und versuchten schließlich beide - jeweils über eingeschaltete Vermittler - einen neuen Mieter zu finden.

Im Zuge der Verhandlungen über den Inhalt einer solchen Vereinbarung teilten die Rechtsvertreter der beklagten Partei mit Schreiben vom 7. 12. 1998 zwar mit, sie hätten die Hausverwaltung beauftragt, die Wohnung "gemäß der getroffenen Vereinbarung" zurückzunehmen, weshalb ein Rückstellungstermin vereinbart werden sollte, doch handelte es sich dabei um kein unbedingtes Rückstellungsverlangen, zumal die erwähnte "getroffene Vereinbarung" noch nicht zustande gekommen war. Nachdem schließlich am 30. 12. 1998 das Einvernehmen über den Vereinbarungsinhalt erzielt worden war, übergab der Kläger einen Wohnungsschlüssel einem von ihm beauftragten Maklerunternehmen und einen zweiten einer Mitarbeiterin eines von der beklagten Partei beauftragten Vermittlers, wobei er meinte, damit seine Rückstellungsverpflichtung erfüllt zu haben.

Dass auch die beklagte Partei nicht an einer realen Übernahme der Wohnung und deren vollständigen Räumung interessiert war, ergibt sich schon daraus, dass sie den Kläger erstmals im September 1999 - nachdem sich dessen endgültiges Obsiegen im Kündigungsstreit herausgestellt und er die Rückerstattung der geleisteten Zahlungen verlangt hatte - aufforderte, die Wohnung umgehend geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben und sich zur Vereinbarung eines Übergabetermins mit der Hausverwaltung in Verbindung zu setzen. Bis dahin war die Wohnung auf Grund der Inserate der vom Kläger und der beklagten Partei eingeschalteten Maklerbüros von verschiedenen Mietinteressenten besichtigt worden, wobei es jedoch zu keinem Vertragsabschluss gekommen war, zumal einige Interessenten von der beklagten Partei abgelehnt worden waren. Bei dem schließlich vereinbarten Übergabetermin am 21. 10. 1999 übernahm ein Mitarbeiter der beklagten Partei die Wohnung; dabei wurde vereinbart, dass die Kücheneinrichtung entschädigungslos ins Eigentum der beklagten Partei übergeht und die sonst noch in der Wohnung befindlichen Gegenstände (Einbauschrank, Bettzeug, Sessel, Schirm, Staubsauger, einige Kartons) von der beklagten Partei auf Kosten des Klägers entsorgt werden sollten.

Anders als in den der von der Revisionswerberin angesprochenen Judikatur zu Grunde liegenden Sachverhaltskonstellationen kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass der Kläger durch eine vertragswidrige Weiterbenützung der Wohnung eine Nutzungschance der beklagten Partei, nämlich eine solche durch Neuvermietung, vereitelt hätte. Zuerst weigerte sich die beklagte Partei, das Bestandobjekt zurückzunehmen, und in der Folge bemühten sich beide Streitteile - jeweils durch von ihnen beauftragte Maklerunternehmen - darum, einen neuen Mieter zu finden, doch kam es dabei zu keinem Vertragsabschluss. Nachdem sich der Rechtsstandpunkt des Klägers, das Mietverhältnis sei bereits zum 31. 10. 1997 beendet gewesen, als zutreffend herausgestellt und die beklagte Partei die Vereinbarung eines Übergabetermins zur Zurückstellung der Wohnung verlangt hatte, kam der Kläger dieser Aufforderung nach, worauf die beklagte Partei die Wohnung am 21. 10. 1999 übernahm. Dafür, dass die beklagte Partei bei einer früheren realen Rückstellung der Wohnung - an der sie offenbar vor der endgültigen Klärung der Rechtslage mangels eines neuen Mieters gar nicht interessiert war - die Möglichkeit gehabt hätte, daraus Einnahmen zu erzielen, gibt es keine Anhaltspunkte, zumal sie während der gesamten Zeit nicht daran gehindert war, einen neuen Mieter zu finden, was sie - sogar mit zusätzlicher Unterstützung durch den Kläger - ohnehin versuchte. Dies betrifft auch den Zeitraum zwischen der (endgültigen) Aufforderung zur Rückstellung der Wohnung und der tatsächlichen Übergabe, in dem es ihr ebenfalls möglich war, Mietinteressenten Einlass zu gewähren.

Der Kläger hingegen hat nach seinem Auszug aus der Wohnung im Herbst 1996 - und damit jedenfalls auch nach Auflösung des Mietvertrags - aus dem früheren Mietobjekt keinen Nutzen mehr gezogen. Soweit er darin noch einzelne Einrichtungsgegenstände belassen hat, um sich die Möglichkeit offen zu halten, diese einem allfälligen "Nachmieter" zu verkaufen, haben die Vorinstanzen diese "Nutzung" ohnehin dadurch zu Gunsten der beklagten Partei in Anschlag gebracht, dass sie den Kläger zur Zahlung jenes Betrags verpflichteten, den er sich dadurch erspart hat, dass er für diese Gegenstände keine andere Einlagerungsmöglichkeit beschaffen musste.

Die Auffassung der beklagten Partei, der Kläger müsse ein angemessenes - einem üblichen Mietzins entsprechendes - Benutzungsentgelt zahlen, weil ihm bis zur Rückstellung eine voll eingerichtete Wohnung in bester Wohnlage "zur Verfügung" gestanden sei, ist schon deshalb unrichtig, weil er diese Wohnung weder zu Wohnzwecken genutzt hat, noch dazu berechtigt war. Da die beklagte Partei ursprünglich die Rücknahme der Wohnung verweigerte und in der Folge (zumindest konkludent) damit einverstanden war, dass eine reale Rückstellung solange nicht erfolgt, als die Versuche, einen neuen Mieter zu finden, ergebnislos bleiben, kann sie nun nicht vom Kläger ein "Benützungsentgelt" für eine ihm "zur Verfügung stehende" Wohnung verlangen, die dieser bereits seit Herbst 1996 nicht mehr zu Wohnzwecken nutzte und solches auch gar nicht beabsichtigte.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Kläger dadurch, dass er noch einzelne Gegenstände in der Wohnung beließ, weder die Verwertungsmöglichkeit durch die beklagte Partei beschränkte, noch sich einen über die Ersparung mit einer anderweitigen Einlagerung verbundener Aufwendungen hinausgehenden Vermögensvorteil verschaffte. Die beklagte Partei hat daher keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Kläger die Wohnung laufend zu Wohnzwecken weiterbenützt bzw als hätte sie durch Vermietung an einen Dritten entsprechende Einnahmen erzielt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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