OGH 15Os18/03

OGH15Os18/0320.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. November 2002, GZ 22 Hv 1011/01w-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann A***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 20. März 2001 in Graz außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Hermine K***** dadurch, dass er sie auf sein Bett hinunterdrückte, sich über sie kniete, sie mit der Hand am Hals erfasste und würgte, ihr Schläge gegen das Gesicht versetzte, sie an den Haaren riss und die Spitze eines Springmessers gegen ihr Gesicht richtete, sohin mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versuchte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 19. November 2002 gestellten Beweisanträge (S 38 ff/II).

Durch Ortsaugenscheine sollte (zusammenfasst wiedergegeben) erwiesen werden,

1. dass die Angaben der Zeugin Hermine K*****, sie hätte nach dem Vergewaltigungsversuch noch Zeit gehabt, ihre Tasche und Jacke zu suchen, zum Fenster zu eilen, das Fenster aufzumachen, beide Sachen hinauszuwerfen und um Hilfe zu rufen, "nicht nachvollziehbar" seien,

2. dass die Zeugin K***** nach dem Vorfall nicht weggelaufen ist, obwohl sie hiezu leicht die Möglichkeit gehabt hätte,

3. dass die Beschreibung des Weges vom Lokal "Drei goldene Kugeln" bis zur Wohnung des Angeklagten durch die Zeugin K***** nicht den Tatsachen entspricht.

Um eine Nichtigkeit zu begründen, muss das Beweisthema des Antrages einen entscheidenden Umstand betreffen, das ist ein solcher, der für die Entscheidung über die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 64).

Weder der Weg in die Wohnung des Angeklagten noch das Verhalten der Zeugin nach der Tat sind solche entscheidungswesentlichen Tatsachen. Die bekämpfte Nichtvorführung des Videobandes über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Hermine K***** betrifft einen nicht durchführbaren Beweis, weil nach der Aktenlage die Aufnahme aus unbekannter Ursache zerstört ist und daher die in Anwesenheit des Verteidigers versuchte Abspielung kein Ergebnis brachte. Das über diese Vernehmung aufgenommene Protokoll wurde in der Hauptverhandlung verlesen (S 60/II).

Da die Vorführung der (zerstörten) Videoaufzeichnung tatsächlich unmöglich ist, versagen auch die in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO unter Hinweis auf die diesbezüglichen Judikatur und Literatur angeführten Argumente.

Beim Antrag auf neuerliche Vernehmung der Zeugin K***** fehlt es - was jedoch für einen zulässigen Beweisantrag erforderlich wäre (vgl Ratz aaO Rz 327 ff, insb. 331; Mayerhofer aaO E 19) - an der Angabe jener Gründe, warum diese trotz ihrer (berechtigten) Erklärung in der Hauptverhandlung vom 1. Juli 2002, sie wolle über die Sache nicht mehr aussagen (S 480/I), dementgegen nunmehr bereit wäre, doch auszusagen.

Die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen Dr. Heinz H***** wurde vom Beschwerdeführer unter der Bedingung beantragt, dass das Schöffengericht dessen Gutachten als Beweismittel berücksichtigt (S 42/II). Abgesehen davon, dass der Antragsteller sein Begehren deutlich und bestimmt - also ohne Bedingungen - darstellen muss (vgl Ratz aaO Rz 311), hat das Gericht diese über die Persönlichkeitsstruktur der Zeugin K*****, ihre Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt und dessen Einfluss auf das Erinnerungsvermögen eingeholte Expertise im Urteil nicht verwertet, sodass die Beschwerde in diesem Punkt ins Leere geht. Das in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO monierte Beweisthema der Art der Befunderhebung (welche Teste, welche Fragen) war nicht Gegenstand der Antragstellung im erstinstanzlichen Verfahren.

Die Beweisanträge wurden daher vom Erstgericht abgelehnt, ohne dass dadurch Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hinangesetzt oder unrichtig angewendet oder sonst Verteidigungsrechte beeinträchtigt worden wären.

Auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht begründet.

Die erhebenden Polizeibeamten wurden in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen und erklärten jeweils, ihre bisherigen Angaben seien richtig, sie verwiesen auf diese und erhoben sie zum Gegenstand ihrer Zeugenaussagen (vgl ua S 483, 485, 486, 487/I). Damit fanden aber deren Aussagen im Vorverfahren Eingang in die Hauptverhandlung und es hatte der Verteidiger Gelegenheit, diese zu hinterfragen. Demgemäß wurden sie von den Tatrichtern auch zu Recht in die Beweiswürdigung miteinbezogen (EvBl 1998/61; Foregger/Fabrizy StPO8 § 258 Rz 2). Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das ihren Inhalt nicht bildet (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 185). Dies ist bei der Frage, wann der Pullover und das T-Shirt des Tatopfers zerrissen wurden, nicht der Fall.

Mit den aufgezeigten Widersprüchen in den Aussagen der Zeugin K***** sowie zwischen ihren Angaben und jenen der Zeugin P***** hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandergesetzt (US 9). Dabei hat es insbesondere auf die erhebliche Alkoholisierung der Zeugin K***** und die daraus resultierenden Erinnerungslücken zum Geschehen vor und nach der Tat hingewiesen. Zur Tat selbst hat es der Zeugin aufgrund ihrer lebensnahen und im Wesentlichen übereinstimmenden Schilderungen vor den Sicherheitsbehörden und dem Untersuchungsrichter Glauben geschenkt. Diese Beweiswürdigung entspricht den Grundsätzen logischen Denkens.

Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer das Wesen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, wenn er - wie es in seinen Ausführungen zum Ausdruck kommt - der Auffassung ist, es sei schon ein Begründungsmangel im Sinne dieser Gesetzesstelle, wenn im Urteil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin erörtert und darauf untersucht werden, wie weit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese Darstellung sprechen, und wenn das Gericht sich bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen nicht von vorherein mit allen vom Beschwerdeführer nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten befasst hat, denn nach der Vorschrift des Gesetzes (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) besteht die Aufgabe des Gerichtes darin, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen (EvBl 1972/17 uva).

Ein formeller Begründungsmangel liegt somit nicht vor. Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist neuerlich auf einzelne aus dem Zusammenhang gelöste Details des Beweisverfahrens und behauptet, das Erstgericht habe die Beweise "völlig unvertretbar gewürdigt". Damit unternimmt sie aber nur den auch unter diesem Nichtigkeitsgrund unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 1). Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen ergeben sich für den Obersten Gerichtshof aber aus den vorgebrachten Argumenten auf Aktengrundlage nicht.

Die Behauptung, das Erstgericht sei seiner Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit nicht nachgekommen, begründet der Nichtigkeitswerber im Wesentlichen mit den von ihm beantragten, vom Schöffengericht aber abgelehnten Beweisen. Damit bringt er den Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist.

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