OGH 15Os146/02

OGH15Os146/0213.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13. September 2002, GZ 428 Hv 1/02i-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Wolfgang Löhnert zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Gerhard A***** (1) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 (dritter Fall) StGB und (2) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 (Abs 1), 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 4. Juni 2001 in Wien

1) Helga A***** durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben sowie mit Gewalt, indem er ihr ein ca 20 cm langes Küchenmesser in der Höhe der Brust anhielt, sie an den Haaren ergriff und ihren Kopf zu seinem erigierten Glied herabzog und von ihr verlangte, sie solle ihm einen "blasen", zur Vornahme eines Oralverkehrs, sowie indem er das Küchenmesser in den Händen hielt verbunden mit der Frage, ob sie einen Gürtel oder ein Messer am Rücken haben wolle, wobei er ihr mit einem Tuch die Augen verband und als sie zu schreien begann, sie mit einer gebrauchten Damenbinde knebelte, zum Einführen eines ca 15 cm langen Flaschenöffners in ihren After, somit zur Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei die vergewaltigte Person in besonderer Weise erniedrigt wurde;

2) Helga A***** durch die Äußerung, wenn sie die Polizei verständige, dann passiert etwas, mithin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen der zur Hauptfrage A (gemeint: Pkt 1) angeführten Straftat zu nötigen versucht.

Die Geschworenen bejahten die beiden anklagekonform nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 dritter Fall StGB (A) und dem Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B) gestellten Hauptfragen stimmeneinhellig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch aus Z 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Entgegen der Instruktionsrüge (Z 8) zur Hauptfrage A (Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 dritter Fall StGB) war der zur Erläuterung der Strafdrohung nach § 201 Abs 3 StGB in die Rechtsbelehrung aufgenommene Klammerausdruck "wie es auch angeklagt ist" nicht geeignet, die Geschworenen zu beirren. Vielmehr stellt die bezeichnete Passage bei der gebotenen Beachtung des Kontextes nach objektiven Gesichtspunkten unmissverständlich den (neutralen) Hinweis dar, dass die den höheren Strafrahmen des § 201 Abs 1 erster Satz StGB auslösende Qualifikationsvariante der besonderen Erniedrigung iSd § 201 Abs 3 dritter Fall StGB angeklagt wurde und ihr Vorliegen bei der Fragenbeantwortung ebenso zu prüfen ist.

Zum normativen Begriff der besonderen Erniedrigung wurden die Geschworenen richtig und judikaturkonform (vgl EvBl 1990/119) instruiert. Die geforderte Ergänzung darüber, dass alle schon tatbestandsbegründenden Umstände als Faktoren einer Erniedrigung in besonderer Weise unberücksichtigt zu bleiben haben, war schon deshalb entbehrlich, weil fallspezifisch die Knebelung mit einer gebrauchten Damenbinde und das dem Tatopfer gewaltsam abverlangte Einführen eines ca 15 cm langen Flaschenöffners in den After jedenfalls Umstände darstellen, wodurch der vergewaltigten Person eine über die sexuelle Handlung als solche hinaus reichende Erniedrigung zugefügt wurden (Kienapfel/Schmoller BT III §§ 201 bis 203 Rz 41 aE; Schwaighofer JBl 1992, 732).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) zum Schuldspruch 1) vermag mit dem Hinweis auf einzelne, nur vermeintlich entscheidungswesentliche Divergenzen in der Aussage der Zeugin Helga A***** aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Verdikt zugrundeliegenden Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die ins Treffen geführten Argumente erschöpfen sich vielmehr in dem Bestreben, eine dem Angeklagten günstig erscheinende Tatversion zum Durchbruch zu verhelfen und richten sich in Wahrheit gegen die einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogene Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung.

Da bereits mit Beginn der Vorname bzw Duldung der dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen Deliktsvollendung eintrat (EvBl 1991/13, 15 Os 88/01), bleibt es irrelevant, ob der Angeklagte beim erzwungenen Oralverkehr ejakulierte oder bei der von Helga A***** unfreiwillig vorgenommenen Einführung des 15 cm langen Flaschenöffners in den After phasenweise aktiv mitwirkte und zu welcher Uhrzeit die Genannte nach der Tat die Wohnung verließ. Ebenso wenig betrifft die besonderes problematisierte Funktionstüchtigkeit des Handys einen für die Aus- und/oder Fortführung der inkriminierten Vergewaltigung entscheidenden Umstand. Dazu deponierte die Zeugin A***** in Abänderung ihrer früheren Aussage in der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte die SIM-Card nur vorübergehend aus dem Mobiltelefon genommen hatte (S 303). Soweit der uneingeschränkte Aufhebungsantrag auch den Schuldspruch 2 (Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB) erfasst, wird die Beschwerde mangels gebotener Konkretisierung Nichtigkeit bewirkender Umstände nicht gesetzgemäß ausgeführt (§ 344 [§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 201 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren. Weiters sah es vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. April 1999 gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 53 Abs 2 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Begehung der Tat innerhalb offener Probezeit; mildernd war der (Nötigungs-)Versuch. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe (die Verlängerung der Probezeit blieb ausdrücklich unbekämpft S 327).

Die Berufung des Angeklagten erweist sich ebenfalls als nicht berechtigt.

Abgesehen davon, dass entgegen der in der Berufung vertretenen Ansicht nicht nur die Verurteilung wegen § 203 StGB aus dem Jahr 1980 als einschlägig zu werten ist, sondern auch die ebenfalls das Rechtsgut der körperlichen Integrität betreffende Verurteilung im Jahr 1999 wegen § 142 Abs 1 StGB, hat das Tatgericht die vorhandenen Strafzumessungsgründe vollständig erfasst und ihrem Gewicht nach richtig gewürdigt. Angesichts der deliktsaggravierenden Täterpersönlichkeit, des hohen Schuldgehalts der Tat, deren rücksichtslosen Durchführung und ihres psychischen Schädigungspotentials konnte die Strafe nicht gemildert werden. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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