OGH 15Os157/02

OGH15Os157/0213.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht St. Pölten vom 29. Oktober 2002, GZ 24 Hv 4/01h-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten Andreas G***** und seines Verteidigers Dr. Karl Mathias Weber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Andreas G***** im zweiten Rechtgang des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 17. Mai 2001 in Erpersdorf Heinrich G***** durch Versetzen von elf Messerstichen gegen den Körper getötet hat.

Die Geschworenen bejahten (mit 5:3 Stimmen) die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord und verneinten einstimmig die Zusatzfrage nach Notwehr. Die weiteren an sie gerichteten Fragen (Eventualfragen nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge und nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang sowie die weitere Zusatzfrage nach Notwehrüberschreitung) blieben demnach unbeantwortet.

Mit der auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte die Rechtsbelehrung sowohl zur Hauptfrage als auch zu den Zusatzfragen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge behauptet zunächst eine missverständliche Belehrung zum bedingten Vorsatz. Die kritisierte Formulierung, dass der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter "die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes ernst nimmt", gibt aber im Kontext mit den weiteren Ausführungen ("das heißt als naheliegend ansieht") den Sinn des Gesetzes (§ 5 Abs 1 zweiter Satzteil StGB: "ernstlich für möglich hält") ohne eine die Geschworenen irreführende, für den Beschwerdeführer nachteilige Abweichung wieder. Im Übrigen vernachlässigt die Beschwerde die weiteren, die Legaldefinition wiedergebenden und somit ausreichenden (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 31a), spezifisch auf den Tatbestand nach § 75 StGB bezogenen Ausführungen zum dolus eventualis.

Der Beschwerde ist zuzugestehen, dass die Rechtsbelehrung entgegen § 321 Abs 2 StPO das Verhältnis der Zusatzfragen zur Haupt- und den Eventualfragen nicht erläutert. Nichtigkeit nach Z 8 liegt jedoch nicht vor, weil sich der fehlende Umstand bereits in den Fragen an die Geschworenen findet und sich auch aus der Niederschrift ergibt, dass diese die Rechtsbelehrung nicht missverstanden haben (vgl Mayerhofer aaO E 67, 68).

Schließlich erfolgte auch die Belehrung zur Notwehr nicht irreführend unvollständig (Mayerhofer aaO E 66), weil schon durch den Hinweis der Instruktion, das eingesetzte Mittel müsse "zur Abwehr (zu ergänzen: des Angriffs) tauglich" sein, sichergestellt war, dass die Laienrichter bei ihren Überlegungen nicht zu unrichtigen rechtlichen Schlussfolgerungen gelangen würden, zumal das Verfahren kein Substrat für einen Angriff des Opfers erbrachte, dessen Art, Wucht und Intensität zur Abwehr elf Messerstiche gegen den Rücken und die Brust mit Todesfolgen erfordert habe.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Dabei wertete es als erschwerend die brutale Vorgangsweise gegenüber dem bereits zusammenbrechenden Opfer, als mildernd jedoch den zuvor ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten.

Mit seiner Berufung beantragt dieser eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Dem Vorbringen zuwider liegt in der vom Angeklagten gewählten Verantwortung weder ein reumütiges Geständnis noch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB (vgl Mayerhofer StGB5 § 34 E 49a). Da die tatauslösenden Umstände der Norm gleichgelagerter Auseinandersetzungen entsprachen, kann der "Provokation" durch den Getöteten bei gegebener Sachlage kein strafmildernder Stellenwert zuerkannt werden (Mayerhofer aaO § 32 E 18d). Schließlich liegt der - die Einstellung des Täters (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB) und nicht die Auswirkungen der Tat qualifizierende - Erschwerungsgrund der brutalen Vorgangsweise ungeachtet der Frage vor, ob das Opfer vor seinem Tod Qualen erlitten hat. Unter Abwägung aller für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände erscheint die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion tat- und tätergerecht, sodass eine Reduktion nicht erfolgen kann.

Stichworte