OGH 1Ob264/02h

OGH1Ob264/02h28.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Hermine N*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Andreas L*****, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Duldung (Streitwert 4.360,37 EUR) sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 9. August 2002, GZ 6 R 193/02z-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das "Anerkenntnis-Teilurteil" des Bezirksgerichts Voitsberg vom 3. Juli 2002, GZ 3 C 1598/01m-30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Duldung der Sanierung einer Quelleinfassung, der Freilegung des Zuflusses zu dieser und dessen Sanierung sowie die Duldung der Zufahrt mit Kraftfahrzeugen zur Anlieferung und Abfuhr des erforderlichen Materials und der "Zufahrt" der Arbeitsgeräte.

Mit Schriftsatz vom 9. 10. 2001 bestritt der Beklagte das Klagebegehren, stellte aber die zu Gunsten der Klägerin an der Quelle bestehende Servitut sowie die Sanierungsbedürftigkeit der Quellfassung außer Streit, und "anerkannte" das Klagebegehren im Umfang der (begehrten) Sanierung ausdrücklich. Er wendete jedoch ein, das Vorgehen der Klägerin sei schikanöse Rechtsausübung und es sei kein Grund zur Klage gegeben gewesen.

Mit Schriftsatz vom 15. 10. 2001 beantragte die Klägerin die Fällung eines (Teil-)Anerkenntnisurteils im Umfang der begehrten Duldung der Sanierung der Quelleinfassung.

Mit Schriftsatz vom 18. 6. 2002 begehrte der Beklagte (neuerlich) Klagsabweisung und führte insbesondere aus, er habe ein Unternehmen damit beauftragt, die Quellfassung zu sanieren und zu erneuern. Die neue Quellfassung sei mit dem gleichen Volumen hergestellt worden wie die noch vorhandene desolate Quellfassung. Die Klägerin verfüge wieder über eine ordnungsgemäße Trinkwasserversorgung, zumal die jetzige Quellfassung allen technischen Erfordernissen entspreche. Sie sei nunmehr auf Kosten des Beklagten saniert worden; die Klagsführung erweise sich als schikanös, und das Klagebegehren sei in keiner Weise gerechtfertigt.

In der Verhandlungstagsatzung vom 3. 7. 2002 trugen die Streitteile den Inhalt der zuvor zitierten Schriftsätze vor und die Klägerin beantragte (abermals) die Fällung eines "Anerkenntnis-Teilurteils" im Umfang der begehrten Duldung der Sanierung. Der Beklagte erklärte ausdrücklich, infolge Errichtung einer neuen Anlage sei die Sanierung der Quelleinfassung nicht mehr erforderlich, sein Anerkenntnis sei "überholt", und es werde aus diesem Grund widerrufen. Dem hielt die Klägerin entgegen, dass die vom Beklagten mittlerweile errichtete Quelleinfassung ein aliud darstelle, das nicht ihren Erfordernissen entspreche.

Das Erstgericht erkannte mit "Anerkenntnis-Teilurteil" den Beklagten schuldig, die Sanierung der Quelleinfassung im bestehenden Umfang sowie die Freilegung des Zuflusses und dessen Sanierung zu dulden. Der Beklagte habe das Klagebegehren im Umfang der Duldung der Sanierung anerkannt, weshalb über Antrag der Klägerin das Anerkenntnis-Teilurteil gefällt werden müsse. Der vom Beklagten nachfolgend ausgesprochene Widerruf des Anerkenntnisses sei unzulässig.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die "ordentliche Revision" zulässig sei. Das prozessuale Anerkenntnis werde erst mit der Fällung eines Anerkenntnisurteils unwiderruflich. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte das Anerkenntnis aber noch vor Fällung des Anerkenntnis-Teilurteils widerrufen und sachliche Einwendungen erstattet. Mit diesen Einwendungen und mit den anspruchsbegründenden Behauptungen der Klägerin werde sich das Gericht erster Instanz befassen müssen.

Der fälschlich als Revision bezeichnete Rekurs der Klägerin ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das prozessuale Anerkenntnis ist eine nur den Regeln des Prozessrechts unterworfene Prozesshandlung, die dem Gericht die Möglichkeit nimmt, die materielle Rechtslage zu prüfen. Spätestens mit der Fällung eines Anerkenntnisurteils wird das Anerkenntnis unwiderruflich, sodass sich eine allfällige Berufung gegen das Anerkenntnisurteil nur auf prozessuale Grundsätze, wie etwa Unwirksamkeit des Anerkenntnisses oder das Nichtvorliegen eines Anerkenntnisses, stützen kann (SZ 65/29). Die in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage, ob ein Anerkenntnis auch noch widerrufen werden kann, nachdem der Beklagte den Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils gestellt hat (siehe hiezu SZ 59/30; SZ 47/85), kann hier dahingestellt bleiben, weil ein prozessuales Anerkenntnis des Beklagten in Wahrheit gar nicht vorliegt:

Der Urteilsantrag der Klägerin bedurfte zu seiner Wirksamkeit der mündlichen Erklärung im Zuge der Verhandlungstagsatzung vom 3. 7. 2002. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Streitteile bereits mehrere - schon oben zitierte - Schriftsätze eingebracht, und diese Schriftsätze wurden auch allesamt vorgetragen. Ein prozessuales Anerkenntnis muss die vorbehaltlose Unterwerfung des Beklagten zum Ausdruck bringen. Von einer solchen kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Beklagte gleichzeitig mit dem prozessualen Anerkenntnis das Klagevorbringen bestreitet oder mangelnde Schlüssigkeit der Klage oder Gegenforderungen bis zur Höhe des Klagsanspruchs einwendet (SZ 47/85). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Klagebegehren stets bestritten, schikanöse Rechtsausübung eingewendet und dargelegt, es sei kein Grund zur Klage gegeben gewesen (Schriftsatz vom 9. 10. 2001). Mit Schriftsatz vom 18. 6. 2002 führte er zusätzlich aus, dem Sanierungsbegehren der Klägerin sei bereits Rechnung getragen worden. In Anbetracht dieses Vorbringens kann der im Schriftsatz vom 9. 10. 2001 enthaltene Satz, der Beklagte anerkenne das Klagebegehren ausdrücklich im Umfang der Sanierung, keinesfalls so verstanden werden, dass sich der Beklagte vorbehaltlos dem Klagebegehren und dem Urteilsantrag unterwerfe, hat er doch gleichzeitig - selbst schon im Schriftsatz vom 9. 10. 2001 - mit dem prozessualen Anerkenntnis das Klagsvorbringen bestritten und diese Bestreitung in der Verhandlungstagsatzung vom 3. 7. 2002 ausdrücklich - wenngleich uno actu mit dem prozessualen Anerkenntnis - vorgebracht. Es bedurfte demnach gar keines (ausdrücklichen) Widerrufs des "Anerkenntnisses", weil ein solches, das zu einem Anerkenntnisurteil führen konnte, gar nicht vorlag. Auf Grundlage eines nicht erklärten solchen prozessualen Anerkenntnisses kann aber kein Anerkenntnisurteil gefällt werden.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als richtig. Die vom Gericht zweiter Instanz für bedeutsam erachtete Rechtsfrage, inwieweit ein prozessuales Anerkenntnis widerrufen werden könne, muss mangels Vorliegens eines solchen nicht geprüft werden. Eine sonstige Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird von der Klägerin nicht aufgezeigt, weshalb ihr Rekurs als unzulässig zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden.

Der Beklagte hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen, zumal er auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Klägerin nicht hingewiesen hat.

Stichworte