OGH 14Os135/02 (14Os136/02)

OGH14Os135/02 (14Os136/02)14.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dieter W***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG, AZ 3 U 341/00p des Bezirksgerichtes Linz-Land, über die vom Generalprokurator gegen Vorgänge dieses Gerichtes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 3 U 341/00p des Bezirksgerichtes Linz-Land verletzen das Gesetz

1. der Vorgang, dass das Gericht mit Urteil vom 24. Juni 2002, GZ 3 U 341/00p-15, im objektiven Verfahren über die Einziehung der im Strafverfahren gegen Regina W***** wegen § 27 Abs 1 SMG sichergestellten Gegenstände absprach, ohne die Betroffene zur Hauptverhandlung zu laden, in der Bestimmung des § 444 Abs 1 StPO;

2. der Vorgang, dass das Gericht das Protokoll über die Hauptverhandlung (§ 271 StPO) durch einen vom Richter sowie vom Schriftführer unterschriebenen Vermerk ersetzte und das Urteil in gekürzter Form ausfertigte, in der Bestimmung des § 458 Abs 2 und Abs 3 StPO.

Das im Punkt 1. bezeichnete Urteil wird in der Anordnung der Einziehung aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Text

Gründe:

Bei einer am 8. Mai 2000 in der Wohnung der Eheleute Regina und Dieter W***** in 4481 Asten, Erlenstraße 19/E/1, kraft richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung stellte die Gendarmerie eine Reihe von als "SG-Utensilien" bezeichneten Gegenständen sicher. Die Bestätigung über diese Amtshandlung wurde auf den Namen Regina W***** ausgestellt und von ihr gegengezeichnet. Im Aktenvermerk über die Hausdurchsuchung und die Sicherstellung wird Regina W***** als des Vergehens nach § 27 SMG Verdächtige genannt und im Bericht der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Linz über die sichergestellten Gegenstände ist sie unter "Betreff" angeführt. Die sichergestellten Gegenstände wurden am 9. Juni 2000 der Verwahrungsstelle für Beweisgegenstände in Strafsachen beim Landesgericht Linz übergeben und auf dem Standblatt Nr. 434/00 unter der Bezeichnung Strafsache gegen Regina Maria W***** wegen Verdachtes des Vergehens nach dem SMG wie folgt beschrieben: PZ 1 : 2 St. Wasserpfeifen, PZ 2 : 1 St. Porzellanmörser, PZ 3 : 1 St. John-Player-Dose, schwarz, m div Inhalt, PZ 4 : 3 St. blaue Tongefäße, PZ 5 : 1 St. Holzpfeife, PZ 6 : 1 St. Metallpfeife, PZ 7 :

1 St. Gelatinekapsel, PZ 8 : 3 St. Plastiksäckchen mit Samenkörner(n), PZ 9 : 4 St. Tabletten.

Die Strafverfahren gegen Regina und Dieter W***** jeweils wegen § 27 Abs 1 SMG wurden von Anfang an getrennt unter AZ 3 U 342/00k bzw 3 U 341/00p des Bezirksgerichtes Linz-Land geführt.

In der Hauptverhandlung am 6. Dezember 2000 gegen Regina W***** stellte der Bezirksanwalt den Antrag auf Einziehung der "beschlagnahmten Suchtgiftutensilien" gemäß § 26 StGB. Die Beschuldigte erklärte hiezu, sie wolle die Wasserpfeifen, den Mörser und die Keramikgefäße wider zurückhaben (3 U 342/00k, S 53 f). In der Hauptverhandlung am 2. Mai 2001 stellte die Bezirksrichterin das Verfahren gemäß den §§ 35 Abs 1 und 2, 37 SMG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein. Im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkte sie, dass die Entscheidung über die Einziehung zu 3 U 341/00p des Bezirksgerichtes Linz-Land erfolgen werde (S 67).

Dieter W***** wurde in der Hauptverhandlung am 6. Dezember 2000 zu einem Teil der sichergestellten Gegenstände gehört. Dabei erklärte er, der Mörser sei ein Geschenk an seine Frau und die Wasserpfeife stamme von einem Türkeiurlaub (3 U 341/00p, S 49). In der Hauptverhandlung am 24. Juni 2002 fasste die Bezirksrichterin gemäß §§ 35, 37 SMG den Beschluss auf vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen Dieter W***** unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren. Zugleich verkündete sie das Urteil auf Einziehung der sichergestellten "Suchtgifte und Suchtgiftutensilien mit Ausnahme der PZ 4, 7 und 9" gemäß § 26 StGB iVm § 34 SMG. Das Protokoll über die Hauptverhandlung wurde durch einen von der Richterin und vom Schriftführer unterschriebenen Vermerk ersetzt und das Urteil in gekürzter Form ausgefertigt (S 97 ff).

Rechtliche Beurteilung

Das Vorgehen des Bezirksgerichtes Linz-Land im Verfahren AZ 3 U 341/00p verletzt - wie der Generalprokurator in seiner dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - das Gesetz in zweifacher Hinsicht:

1. Nach § 444 Abs 1 StPO sind ua Personen, die ein Recht auf die vom Verfall oder von der Einziehung bedrohten Vermögenswerte oder Gegenstände haben oder ein solches Recht geltend machen, zur Hauptverhandlung zu laden. Sie haben in der Hauptverhandlung und im nachfolgenden Verfahren, soweit es sich um die Entscheidung über diese vermögensrechtlichen Anordnungen handelt, die Rechte des Beschuldigten.

Im hier aktuellen Fall wurden die Gegenstände in dem gegen Regina W***** geführten Strafverfahren in der von ihr und ihrem Ehemann Dieter gemeinsam bewohnten Wohnung sichergestellt, so dass ein diesbezüglicher Rechtsanspruch der Regina Maria W***** darauf für das Gericht von vornherein naheliegend war. Dazu kam, dass die Beschuldigte schon in ihrer Hauptverhandlung am 6. Dezember 2000 die Freigabe der Wasserpfeifen, des Mörsers und der Keramikgefäße verlangte. Den Mörser bezeichnete Dieter W***** als Geschenk an seine Ehefrau. Auf Grund dieser Sachlage hätte das Bezirksgericht daher Regina W***** gemäß § 444 Abs 1 StPO zur Hauptverhandlung laden müssen. Ohne diese Ladung hätte es - auch im objektiven Verfahren - nicht über die Einziehung entscheiden dürfen.

2. Nach § 458 Abs 2 erster Satz StPO kann das Protokoll über die Hauptverhandlung (§ 271 StPO) durch einen vom Richter und vom Schriftführer zu unterschreibenden Vermerk ersetzt werden, der lediglich die Namen der Parteien, ihrer Vertreter, der vernommenen Zeugen und Sachverständigen enthält, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder nach einem umfassenden und durch die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützten Geständnis verurteilt wird oder wenn die aus mehreren Punkten bestehende Anklage teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigt wird und in allen diesen Fällen die Parteien auf alle Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der hiefür offenstehenden Frist kein Rechtsmittel anmelden. Nach Abs 3 erster Satz leg.cit kann unter den oben bezeichneten Voraussetzungen das Urteil in gekürzter Form ausgefertigt werden, es sei denn, dass die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wird. Das vorliegende Urteil gegen Dieter W***** enthält indes nur ein im selbständigen Verfahren gefälltes Einziehungserkenntnis gemäß § 26 StGB, somit weder einen Freispruch noch einen Schuldspruch, weshalb die Voraussetzungen nach § 458 Abs 2 und 3 StPO für einen Protokollsvermerk und eine gekürzte Urteilsausfertigung nicht gegeben waren.

Das Fehlen einer Urteilsausfertigung im Sinne des § 270 Abs 2 StPO hindert aber auch die Überprüfung, ob die gesetzlichen Bedingungen für eine Einziehung überhaupt gegeben sind.

Gemäß § 26 Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen, wenn dies nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Nach § 34 SMG ist ein Suchtmittel, das den Gegenstand einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem Suchtmittelgesetz bildet, nach Maßgabe des § 26 StGB einzuziehen. Voraussetzung jeder Einziehung ist somit, dass wegen der besonderen Beschaffenheit des Gegenstandes die Gefahr besteht, dass mit ihm neue mit Strafe bedrohte Handlungen begangen werden können (Foregger/Fabrizy StGB8 § 26 Rz 1 mwN, Kodek/Fabrizy SMG § 34 Anm 1.4). Gegenstände, die nur dem (nicht tatbildlichen) Genuss eines Suchtmittels dienen, wie etwa Pfeifen, Tschibuks, Trichter und dergleichen, dürfen jedoch nicht eingezogen werden (RZ 1977, 40, 1978/80, SSt 50/36 uva). Dies gilt auch für Umschließungen des Suchtgifts, sofern sie nicht besondere Vorrichtungen zum Verbergen des Inhalts aufweisen (13 Os 73/76). Bloß in Fällen, in denen ein solcher Gegenstand derart mit einem Suchtmittel behaftet bzw verunreinigt ist, dass sein Besitz eine strafbare Handlung nach dem Suchtmittelgesetz darstellen würde, ist die für die Einziehung vorausgesetzte Eigenschaft gegeben.

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen waren nicht nur festzustellen, sondern auch die im Spruch umschriebene Verfahrensneuerung anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO).

Im zu erneuernden - allenfalls gemäß § 445a StPO durchzuführenden - Verfahren werden die oben erwähnten Voraussetzungen für die Einziehung der einzelnen Gegenstände zu prüfen und im Falle des Ausspruchs der Einziehung konkrete Feststellungen über deren gefährliche Beschaffenheit zu treffen sein.

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