Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Erhöhung
der Unterhaltsbeiträge für Julia und der Herabsetzung der
Unterhaltsbeiträge für Alexandra auf 4.100 S = 297,96 EUR und für
Stefan auf 3.500 S = 254,35 EUR als unangefochten unberührt bleiben,
werden im angefochtenen Umfang (Bestätigung der Abweisung des
Herabsetzungsmehrbegehrens, und zwar für Alexandra von 4.100 S =
297,96 EUR auf 3.650 S = 265,18 EUR und für Stefan von 3.500 S =
254,35 EUR auf 3.360 S = 244,18 EUR), aufgehoben. Dem Erstgericht
wird insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Vater war zuletzt rechtskräftig zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 4.700 S für Alexandra, 4.000 S für Stefan und 3.200 S für Julia verpflichtet.
Nach der Scheidung der Eltern wurde die Obsorge über die drei Kinder der Mutter zuerkannt. Am 31. 7. 2001 beantragte der Vater die Herabsetzung der Unterhaltsbeträge für Alexandra auf 3.650 S und für Stefan auf 3.360 S monatlich je ab 1. 8. 2001, weil seine nunmehrige Ehefrau ab 29. 7. 2001 kein Karenzgeld mehr erhalte und einkommenslos sei. Zudem seien die Unterhaltsbeiträge durch eine teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe zu mindern. Gleichzeitig erklärte sich der Vater mit einer Erhöhung der Unterhaltsbeträge für Julia auf 3.500 S monatlich einverstanden, die von der Mutter auch beantragt wurde.
Das Erstgericht setzte die Unterhaltsbeiträge ab 1. 8. 2001 für Alexandra auf 4.100 S (= 297,96 EUR) und für Stefan auf 3.500 S (= 254,35 EUR) monatlich herab (Punkt 1) seines Beschlusses), wies das Herabsetzungsmehrbegehren ab (Punkt 2) und erhöhte die Unterhaltsbeiträge für Julia antragsgemäß (Punkt 3). Es ging davon aus, dass der Vater ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 29.182 S erziele und auch noch für ein am 28. 1. 2000 geborenes weiteres Kind und seine nunmehr einkommenslose zweite Ehefrau sorgepflichtig sei.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters insoweit zurück, als er sich gegen die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages für Julia richtete (Punkt I seines Beschlusses) und bestätigte im Übrigen den Beschluss des Erstgerichtes (Punkt II). Hinsichtlich Julia sei der Rekurs infolge der Zustimmung des Vaters zur Unterhaltserhöhung unzulässig. Im Übrigen entsprächen die festgesetzten Beträge seiner Leistungsfähigkeit. Eine Anrechnung der der Mutter zustehenden Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch der Kinder widerspreche dem § 140 Abs 2 ABGB. Gegen Punkt I sei der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig, wohl aber gegen Punkt II.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, der sich nur gegen Punkt II des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet, ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang berechtigt.
Es entspricht zwar im Gegensatz zur Ansicht des Rechtsmittelwerbers der ständigen Rechtsprechung, dass als Unterhaltsbemessungsgrundlage gemäß § 140 ABGB sämtliche tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann, heranzuziehen sind, soweit es sich nicht bloß um die Abgeltung von effektiven Auslagen handelt (RIS-Justiz RS0107262; Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 140 Anm 46). Bei unselbständig Erwerbstätigen fällt darunter das Arbeitsentgelt, also das, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft leistet, soweit damit nicht tatsächlich Aufwände abgegolten werden. Es wird an den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff angeknüpft (Schwimann aaO Anm 47; 7 Ob 302/99h). Hiezu zählen daher auch die Sonderzahlungen und die Überstundenentgelte. Der Entfall der Möglichkeit, durch Überstundenleistungen erhöhte Einkünfte zu erzielen - sei es infolge Erkrankung oder durch Einschränkung der Überstunden seitens des Arbeitgebers - stellt zwar einen Anlass für ein Herabsetzungsbegehren dar. Solange sich dieser Umstand aber nicht verwirklicht hat, kann eine derartige Befürchtung des Vaters, dass auf diese Weise eine Verminderung seines Einkommens eintreten könnte, bei der aktuellen Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigen werden. Der Vater rügt weiters auch, dass die Vorinstanzen den Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter zur Gänze außer Acht gelassen zu haben. Hiezu ist auszuführen:
Der Oberste Gerichtshof hat gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass bei ihm anhängiger Revisionsrekurse beim Verfassungsgerichtshof beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 8. März 2002, G 7/02-6, beschlossen, es werde im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, diese Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken. Deshalb hat der Oberste Gerichtshof von einer (weiteren) Anrufung des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Verfahren Abstand genommen. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002 hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.
Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % - wenn die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Absenkung proportional fortgeschrieben wird - zu einem Steuersatz von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Steuersatz von 25 %. Für eine proportionales Fortschreiben der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Absenkung spricht, dass die Berechnung damit nachvollziehbar wird und für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen.
Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren. Um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist. Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird (vgl 4 Ob 52/02d; 1 Ob 79/02b mwN und die dort angeführten Berechnungsbeispiele).
Im vorliegenden Fall bezieht der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von 29.182 S (= 2.120,74 EUR); sein Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt. Vom zu versteuernden Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommensteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten
3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss - wie schon ausgeführt - bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.
Das Erstgericht wird daher das Verfahren durch Feststellung des steuerpflichtigen Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können. Da dieses Bruttoeinkommen des Vaters, dessen Kenntnis Voraussetzung der konkreten Berechnung ist, noch nicht feststeht und die im Einzelfall vorzunehmende Rechenoperation keine grundsätzliche Rechtsfragen berührt, weshalb sie den Vorinstanzen überlassen werden kann (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO), sind die Entscheidung der Vorinstanzen aufzuheben.
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