OGH 1Ob184/02v

OGH1Ob184/02v13.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 27. Februar 1985 geborenen mj Martin K***** infolge des ordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Erika K*****, vertreten durch Dr. Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Mai 2002, GZ 43 R 269/02f-34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 28. März 2002, GZ 4 P 272/01w-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Minderjährige lebt im Haushalt des Vaters. Er bezieht eine Lehrlingsentschädigung von durchschnittlich EUR 552,66 monatlich. Seine Mutter hatte sich im Scheidungsvergleich vom 16. 2. 2000 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von S 3.200 ab 1. 3. 2000 verpflichtet, wobei dieser (pflegschaftsgerichtlich genehmigten) Unterhaltsvereinbarung ein "Nettokommen der Mutter von S 13.400 14-mal jährlich" zu Grunde gelegt wurde. Aus der im Zuge dieses Verfahrens vorgelegten Lohnbestätigung ergibt sich, dass sie im Februar 2002 netto EUR 1.028,92 verdiente.

Die Vorinstanzen wiesen ihren Antrag, das gänzliche Erlöschen ihrer Unterhaltsverpflichtung festzustellen, ab und setzten den monatlich zu zahlenden Unterhaltsbetrag ab 1. 9. 2001 auf EUR 72,67 (das entspricht S 1.000) herab. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs sei die Lehrlingsentschädigung als Eigeneinkommen des Kindes bei der Bemessung der Zahlungspflicht der geldunterhaltspflichtigen Mutter zu berücksichtigen. Nach der für einfache Lebensverhältnisse entwickelten Formel ergebe sich eine Zahlungspflicht der Mutter in der festgesetzten Höhe, weil das Eigeneinkommen des Minderjährigen für die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht ausreiche. Die Familienbeihilfe sei auf den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht anzurechnen. Die vom VfGH geforderte Abgeltung der Steuerbelastung in Form einer Kürzung der Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils durch teilweise Anrechnung von Transferleistungen sei für seine im Rahmen der Unterhaltsbemessung relevanten Leistungsfähigkeit ohne Einfluss. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine einheitliche Judikatur zur Frage der Unterhaltsbemessung unter Bedachtnahme auf die aktuelle Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nicht vorliege.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil bei seiner Erhebung Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und inwieweit eine allenfalls gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen im Ergebnis zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs führt, noch nicht vorlag. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof jüngst im Anschluss an die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001 (B 1285/00) und vom 19. 6. 2002 (G 7/20 ua) ausgesprochen hat (eingehend etwa 1 Ob 79/02b, 3 Ob 141/02k), ist der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - nach den dazu von der Judikatur entwickelten Grundsätzen - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern bei getrennter Haushaltsführung in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe - diese Leistungen kommen dem betreuenden Elternteil zu - zu kürzen, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt. Eine solche Kürzung kommt nicht in Betracht, wenn bereits der dem Geldunterhaltspflichtigen zukommende Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) ausreicht, um die gebotene steuerliche Entlastung zu bewirken.

Im vorliegenden Fall lag das monatliche Nettoeinkommen der Revisionsrekurswerberin in einem Bereich zwischen S 13.400,-- und rund EUR 1.030,- -, sodass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der nach § 33 Abs 1 EStG zu ermittelnde Grenzsteuersatz 31 % nicht überstieg. Nach der dargelegten Judikatur erfasst die gebotene steuerliche Entlastung die Hälfte des nach allgemeinen Grundsätzen bemessenen Geldunterhalts, wobei jedoch der jeweilige (Grenz-)Steuersatz um etwa 20 % zu reduzieren ist, was bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Wert von 25 % führt. Dies bedeutet, dass die von den Vorinstanzen unbekämpft ermittelte monatliche Unterhaltsverpflichtung von S 1.000,-- (= EUR 72,67) steuerlich um einen Betrag zu entlasten ist, der 25 % der Hälfte davon entspricht. Im konkreten Fall ist somit eine steuerliche Entlastung um S 125,-- (= EUR 9,08) geboten. Diese wird jedoch bereits durch den gesetzlichen Unterhaltsabsetzbetrag von S 350,-- monatlich für das Jahr 2001 bzw von EUR 25,50 monatlich für das Jahr 2002 erreicht, sodass eine weitere Entlastung nicht in Betracht kommt.

In ihren weiteren Ausführungen zur Familienbeihilfe übersieht die Mutter, dass diese weiterhin kein Einkommen des Kindes darstellt, sondern vielmehr jener Person zukommt, in deren Haushalt das Kind betreut wird.

Stichworte