Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 6. 10. 1997 stellte der Umweltausschuss einer Stadtgemeinde im Wege eines Ortsaugenscheins fest, dass auf dem Betriebsgelände der klagenden Partei ungetrenntes Bauabbruchmaterial aufgeschüttet war, das größere Anteile an Fremdmaterial enthielt. Hievon wurde der Leiter des Umweltreferats der zuständigen Bezirkshauptmannschaft informiert. In der Folge forderten der Bürgermeister der Stadtgemeinde und die Bezirkshauptfrau den Geschäftsführer der klagenden Partei am 8. 10. 1997 auf, den "illegal deponierten Bauschutt" umgehend zu beseitigen. Am 9. 10. 1997 wurde der Umweltreferent der Bezirkshauptmannschaft davon informiert, dass trotz entsprechender Zusage der klagenden Partei die Entfernung des Bauschutts wieder eingestellt worden sei. Demnach fand noch am selben Tag eine Verhandlung auf dem Betriebsgelände der klagenden Partei im Beisein eines chemotechnischen und eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen statt. Der chemotechnische Amtssachverständige stellte fest, dass verschiedene "Fremdmaterialien" im Bauschutt vorhanden waren, woraufhin der wasserbautechnische Amtssachverständige darlegte, dass eine Gefährdung des Grundwassers nicht ausgeschlossen werden könne, eine genauere Beurteilung des Bauschutts aber nur mittels einer Eluatklassenbestimmung, deren Kosten rund 50.000 S betragen würden, erfolgen könne. Wegen der hohen Kosten dieser Analyse und auf Grund der Mitteilung des Umweltreferenten, dass damit das Gutachten des Amtssachverständigen allenfalls auch nicht entkräftet werden könne, entschied sich der Geschäftsführer der klagenden Partei dazu, auf die Durchführung einer Eluatklassenbestimmung zu verzichten und das Baurestmaterial unverzüglich zu entfernen. Er gab an, die Entfernung könnte bis zum 16. 10. 1997, 17 Uhr, erfolgen. Ein Bescheid wurde mündlich nicht verkündet. Mit (schriftlichem) Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. 10. 1997 wurde der klagenden Partei die Beseitigung des Bauschutts bis 16. 10. 1997, 17 Uhr, aufgetragen. Zugleich wurde einer allenfalls gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt; die sofortige Vollstreckung sei geboten, weil der Amtssachverständige eine Gefährdung des Grundwassers durch die konsenslose Lagerung des Bauschutts nicht habe ausschließen können. Die Übermittlung des Bescheids an die klagende Partei erfolgte noch am selben Tag per Fax, auf dem Postweg wurde der Bescheid am 13. 10. 1997 zugestellt. Am 14. 10. 1997 war der Bauschutt zur Hälfte, am 21. 10. 1997 bereits zur Gänze entsorgt.
Der Landeshauptmann von Steiermark änderte mit Bescheid vom 14. 5. 1998 über Berufung der klagenden Partei den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. 10. 1997 dahin ab, dass der klagenden Partei aufgetragen wurde, den Bauschutt auf einer behördlich genehmigten Anlage zu verwerten bzw die nicht verwertbaren Anteile zu entsorgen. Durch das abgelagerte Material werde die Umwelt auf eine über das unvermeidliche Ausmaß hinausgehende Weise verunreinigt, es gehe von diesem Material aber keine besondere Gewässergefährdung aus, sodass Gefahr im Verzug nicht vorliege; die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung sei daher nicht gerechtfertigt. Gegen diesen Bescheid erhob die klagende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; dieses Verfahren war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch anhängig. Mittlerweile wurde der Bescheid des Landeshauptmanns der Steiermark vom 14. 5. 1998 vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. 4. 2002 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung 151.305,35 EUR (2,082.006,98 S). Seitens der Bezirkshauptmannschaft sei der Bescheid ohne genügende Hinterfragung und Klärung der tatsächlichen Umstände erlassen, die aufschiebende Wirkung sei dem Bescheid unter Zugrundelegung einer unvertretbaren Rechtsansicht aberkannt worden. Es habe keine ausreichende Untersuchung über die tatsächliche Verunreinigung des Bauschutts stattgefunden. Durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung habe die klagende Partei insofern Schaden erlitten, als sie innerhalb der kurzen, zur Beseitigung des Bauschutts zur Verfügung stehenden Zeit von sieben Tagen lediglich dessen Entsorgung habe vornehmen können; ansonsten wäre der Verkauf des Bauschutts zu marktüblichen Preisen möglich gewesen und hätte die klagende Partei auch die ihr aufgelaufenen Transportkosten auf den jeweiligen Käufer überwälzen können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Inhalt des Bescheids, also auch die ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allenfalls erhobenen Berufung, sei jedenfalls kausal für die von der klagenden Partei vorgenommene rasche Entfernung des Bauschutts gewesen. Sofern die Bezirkshauptmannschaft die Ausführungen des Amtssachverständigen so ausgelegt habe, dass die umgehende Entfernung des Bauschutts notwendig sei und der Ausgang eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens nicht abgewartet werden könne, weil eine Gefährdung des Grundwassers und daraus resultierende Gefahren für die Allgemeinheit hintangehalten werden sollten, sei von dem der Behörde eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht worden; der Ermessensspielraum sei nicht überschritten worden, die Rechtsansicht der Behörde sei vertretbar, ein Verschulden zu verneinen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Geschäftsführer der klagenden Partei sei am 9. 10. 1997 auf die Möglichkeit der genaueren Beurteilung des Bauschutts mittels Eluatklassenbestimmung hingewiesen worden, womit eine Abklärung der Gefährdung des Grundwassers hätte erfolgen können. Damit habe die Bezirkshauptmannschaft ihrer Manuduktionspflicht entsprochen. Der Umstand, dass die Bezirkshauptmannschaft von sich aus keine weiterführenden Untersuchungen angeordnet habe, sei dieser nicht vorwerfbar. Das Verhalten der Organwalter sei aber auch nicht schuldhaft gewesen, denn es hätten rasche Entschlüsse in einer kritischen und schwer überschaubaren Situation gefasst werden müssen. Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es mag sein, dass der von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilte Auftrag zur Beseitigung des Bauschutts vertretbar war, wenngleich er gewiss nicht auf § 32 Abs 1 AWG hätte gestützt werden dürfen (siehe S 17 des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. 4. 2002). Im vorliegenden Fall behauptet die klagende Partei aber einen Schaden, der daraus resultiere, dass einer von ihr eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob dieser Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 64 Abs 2 AVG rechtswidrig und schuldhaft erfolgte. Beide Kriterien für das Vorliegen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 1 Abs 1 AHG sind zu bejahen:
Gemäß § 64 Abs 1 AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung kann von der Behörde gemäß § 64 Abs 2 AVG ausgeschlossen werden, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Der Amtssachverständige tat lediglich kund, dass er eine Gefährdung des Grundwassers wegen der konsenslosen Lagerung des Bauschutts nicht ausschließen könne. Er wies ausdrücklich darauf hin, eine genauere Beurteilung könne nur nach einer Eluatklassenbestimmung getroffen werden. Soweit der Geschäftsführer der klagenden Partei die Kosten einer derartigen Analyse nicht in Kauf nehmen wollte und daher von sich aus eine solche nicht beantragte, mag dies den Auftrag der Behörde zur Beseitigung des Bauschutts innerhalb einer Frist rechtfertigen. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allenfalls eingebrachten Berufung wäre aber nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen wäre. Dafür mangelte es zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung an jeglichem Anhaltspunkt. In diesem Sinne wäre die Bezirkshauptmannschaft verpflichtet gewesen, die nötigen Analysen durchführen zu lassen, um beurteilen zu können, ob Gefahr im Verzug vorliege. Dass eine solche Gefahr tatsächlich nicht bestand, ergibt sich bereits aus dem Bescheid des Landeshauptmanns der Steiermark vom 14. 5. 1998, in dem - unter Zugrundelegung der Gutachten zweier Amtssachverständiger - festgehalten wurde, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Schon allein daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft vom 9. 10. 1997 (SZ 67/55; RZ 1996/51). Es bedarf aber auch keiner Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des § 11 Abs 1 AHG, zumal nunmehr bereits über die Rechtswidrigkeit der Bescheide sowohl der Bezirkshauptmannschaft wie auch des Landeshauptmanns vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Entscheidung vom 25. 4. 2002 erkannt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich ausdrücklich ausgeführt, die von den Behörden beider Instanzen - also auch der Bezirkshauptmannschaft - herangezogene Bestimmung des § 32 Abs 1 AWG habe keine Ermächtigung zur Erlassung des bekämpften Auftrags bzw zu behördlichem Einschreiten geboten, es hafte also dem angefochtenen Bescheid - und damit auch dem der Bezirkshauptmannschaft - eine inhaltliche Rechtswidrigkeit an (S 11 und 17 des zitierten Erkenntnisses).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Bezirksverwaltungsbehörde aber auch insoweit schuldhaft gehandelt, als sie der Berufung der klagenden Partei die aufschiebende Wirkung versagte. Sie hat ohne ausreichende Tatsachengrundlage Gefahr im Verzug angenommen; allein wegen des Umstands, dass der Amtssachverständige eine Gewässergefährdung nicht ausschließen konnte, war die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohls nicht geboten. Es wäre in der Tat eine Klärung vonnöten gewesen, ob eine Gefährdung konkret und unmittelbar droht und welche Intensität sie allenfalls erreichen könnte. Der den Bescheiden der Bezirksverwaltungsbehörden zu Grunde liegende Sachverhalt war dermaßen dürftig, dass von "Gefahr im Verzug" nicht hätte berechtigterweise ausgegangen werden dürfen. Der Umstand, dass sich die klagende Partei bereit erklärte, den Bauschutt innerhalb kürzester Zeit zu entfernen, kann nichts daran ändern, dass das Versagen der aufschiebenden Wirkung in rechtswidriger und schuldhafter Weise erfolgte.
In Stattgebung der Revision sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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