OGH 6Ob275/02p

OGH6Ob275/02p12.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gerhard S*****, 2. Angelika S*****, beide vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagten Parteien 1. Josef S*****, 2. Maria S*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, GZ 1 R 153/02w-15, womit über die Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Murau vom 28. Jänner 2002, GZ 2 C 567/01t-10, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien zu Handen deren Rechtsvertreters die mit 459,71 EUR (darin 76,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien sind Eigentümer von benachbarten Grundstücken. Über einen Privatweg mit öffentlichem Verkehr kann man über das Grundstück der Kläger in den Dachboden eines Garagenzubaus der Beklagten fahren. Die Zufahrtsrampe und das Tor sind augenfällig. Der Vater des Erstklägers und Rechtsvorgänger im Liegenschaftseigentum hatte 1983 die Errichtung des Dachbodenzubaus für seinen Neffen (dem Erstbeklagten) selbst angeregt. Der Erstbeklagte ist behindert und Rollstuhlfahrer. Der Liegenschaftseigentümer räumte den Beklagten das Zufahrtsrecht über sein Grundstück ein. Im Jahr 1991 übergab der Vater dem Erstkläger die Liegenschaft. Dieser schenkte im Jahr 2001 seiner Ehegattin, der Zweitklägerin, einen Hälfteanteil. Im Jahr 1993 errichtete der Erstbeklagte einen weiteren, westlich gelegenen Dachbodenzubau. Der Erstkläger stimmte dem in einer Bauverhandlung zu.

Der Erstkläger widerrief am 2. 4. 2001 seine Zustimmung zur Benützung der Zufahrt.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage vom 17. 9. 2001 die Unterlassung der Benützung ihres Grundstücks durch die Beklagten. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Von den getroffenen Feststellungen ist über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch hervorzuheben, dass die Kläger zur Zeit ihres Eigentumserwerbs an der vom Vater des Erstklägers stammenden Liegenschaft Kenntnis von der Zufahrt der Beklagten gehabt hätten. Der Erstkläger habe 1993 in der Bauverhandlung zwar erklärt, dass die Beklagten sein Grundstück nur bis auf Widerruf benutzen könnten, gleichzeitig aber wiederholt auch deponiert "dass ein Widerruf ohnehin nicht in Frage komme". Der Erstbeklagte habe sich zu diesen Erklärungen nicht geäußert.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass die vom Vater des Erstklägers vertraglich eingeräumte Servitut offenkundig und deshalb auch wirksam geworden sei. Überdies habe der Erstkläger in der Bauverhandlung auf den Widerruf des Zufahrtsrechtes verzichtet. Das Schweigen des Erstbeklagten zu den Erklärungen des Erstklägers schade nicht, weil sich für ihn im Ergebnis nichts Nachteiliges ergeben hätte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, "weil ein besonders gelagerter Fall der Auslegung einer stillschweigenden Willenserklärung (§ 863 ABGB)" vorliege.

Mit ihrer Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Wie eine rechtsgeschäftliche Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0042555), es sei denn, es wurde in Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt (RS0042936). Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung (2 Ob 174/99y uva). Diese Grundsätze wurden auch schon bei der Beurteilung von Dienstbarkeitsverträgen vertreten (9 Ob 295/01z). Die Revision zeigt keine rechtliche Fehlbeurteilung auf. Die Revisionswerber legen dem festgestellten Schweigen des Erstbeklagten zu den Erklärungen des Erstklägers im Rahmen der Bauverhandlung die Bedeutung zu, Letzterer habe einer jederzeitigen und grundlosen Widerrufsmöglichkeit zugestimmt. Diese Ansicht vernachlässigt die festgestellten weiteren Begleitumstände völlig, dass nämlich die Kläger Kenntnis von dem vom Vater des Erstklägers vertraglich eingeräumten Servitutsrecht der Beklagten hatten, dass die Prozessparteien teilweise miteinander verwandt sind, dass der Erstbeklagte behindert und Rollstuhlfahrer ist und deshalb die Zufahrt zum Garagenausbau besonders benötigt und vor allem, dass der Erstkläger ohnehin erklärte, dass ein Widerruf nicht in Frage komme. Wenn die Vorinstanzen den gesamten Sachverhalt rechtlich dahin würdigten, dass den Beklagten ein Recht auf Benützung des fremden Gutes zusteht, die Kläger aber kein freies Widerrufsrecht haben, liegt darin keine Verkennung der angeführten Auslegungsgrundsätze zur Auslegung rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen und zum Erklärungswert des bloßen Schweigens. Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher unzulässig.

Da die Beklagten auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben, steht ihnen ein Kostenersatz für die Revisionsbeantwortung zu (§§ 41 und 50 ZPO).

Stichworte