OGH 15Os141/02

OGH15Os141/0212.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weiser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 3. September 2002, GZ 14 Hv 110/02f-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz S***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in St. Marein im Mürztal und anderen Orten

1. Anfang 1999 in mehrfachen Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 7. Mai 1989 geborenen, sohin unmündigen Tanja R***** vorgenommen bzw von ihr an sich vornehmen lassen, indem er ihre Brüste und ihre Vagina massierte und sie veranlasste, seine Hoden zu betasten und an seinem Penis masturbatorische Bewegungen vorzunehmen;

2. von Mitte 1999 bis Herbst 2001 in vielfachen Angriffen mit der unmündigen, am 7. Mai 1989 geborenen Tanja R***** den Beischlaf, teilweise auch dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen, nämlich den Oralverkehr, unternommen;

3. durch die zu 1. und 2. genannten Tathandlungen sein minderjähriges Stiefkind zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

In der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer, dass über seine in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge auf Beiziehung von Sachverständigen aus den Gebieten der Medizin, Psychologie und Psychiatrie nicht entschieden worden sei.

Nach dem am 11. Juni 2002 schriftlich eingebrachten (ON 21), in der Hauptverhandlung wiederholten (S 599/I) Beweisantrag sollte ein "psychologisch/psychiatrisches Sachverständigengutachten" zum Beweis dafür eingeholt werden, "dass die Zeugin R***** teilweise in einer Scheinwelt lebt und die Realität von eigenen Phantasien nicht mehr trennen kann", darüber hinaus den Angeklagten betreffend zum Beweis dafür, dass dieser keine pädophile Neigung aufweist. Die Einholung einer medizinischen Expertise wurde zum Beweis dafür beantragt, "dass es auf Grund des Befundberichtes über die Untersuchung der Zeugin R***** am 9. April bzw 10. April 2002 unmöglich ist, dass der Beschuldigte mit der Zeugin Geschlechtsverkehr hatte, wobei in dieses Sachverständigengutachten die Penisgröße des Beschuldigten miteinzubeziehen sein wird". Letzter Beweisantrag wurde nach Vernehmung der Ärzte des LKH Leoben, welche Tanja R***** gynäkologisch untersucht hatten, wiederholt und das Beweisthema dahin modifiziert, "dass der Angeklagte keinen sexuellen Kontakt mit Tanja R***** hatte, insbesondere vor dem 9. April 2002 Tanja überhaupt keinen Geschlechtsverkehr hatte, dies auf Grund der vom LKH Leoben erhobenen Befunde" (S 677/I).

Über diese Beweisanträge hat der Gerichtshof entgegen § 238 StPO nicht entschieden. Diese Formverletzung hat jedoch auf die Entscheidung unzweifelhaft keinen für den Angeklagten nachteiligen Einfluss (§ 281 Abs 3 StPO), weil die Anträge mangels Erheblichkeit jedenfalls abzuweisen gewesen wären.

Die Einholung eines psychologischen und/oder psychiatrischen Gutachtens über den Geistes- und Gemütszustand des Tatopfers scheitert bereits daran, dass eine Zustimmung zur Befundaufnahme verweigert wurde (ON 29). Dasselbe gilt auch für das begehrte medizinische Gutachten. Darüber hinaus ist ein Größenvergleich der Geschlechtsorgane bezogen auf den Tatzeitpunkt wegen der inzwischen verstrichenen Zeit und des Wachstums des Kindes nicht mehr möglich. Des weiteren haben die Ärzte, welche Tanja R***** untersucht hatten, in der Hauptverhandlung als Zeugen eindeutig deponiert, dass auch bereits vor der ersten, durch die Regelblutung beeinträchtigten Untersuchung am 9. April 2002 ein Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen stattgefunden haben muss. Oberarzt Dr. H***** hatte sogar den Eindruck, dass ein mehrfacher Geschlechtsverkehr stattgefunden hat (S 663/I). Bei dieser Sachlage hätte es bei Wiederholung des Antrages zusätzlicher Ausführungen bedurft, weshalb trotz dieser Zeugenaussage durch den aufzunehmenden Sachverständigenbeweis das behauptete Ergebnis zu erwarten sei.

Ob der Angeklagte eine "pädophile Neigung" aufweist oder nicht, lässt keinen Rückschluss auf seine Täterschaft zu. Das Beweisthema betrifft somit keinen für die Entscheidung erheblichen Umstand. Durch die Nichterledigung der Beweisanträge wurden daher Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht begründet.

Ein innerer Widerspruch besteht nur dann, wenn der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen mit sich selbst in Widerspruch steht, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die sich gegenseitig ausschließen, oder wenn die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 101, 101a). Eine Aktenwidrigkeit hingegen liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt eines Beweismittels etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet (Mayerhofer aaO E 185). Dass aus den Beweisergebnissen, wie hier dem im Protokoll festgehaltenen Eindruck über das Alter und die Entwicklung von Tanja R***** sowie der sich aus dem Akt ergebenden (guten) Schulnoten auch andere als vom Schöffengericht gezogene Schlussfolgerungen möglich wären, stellt keinen mit Nichtigkeit bedrohten Begründungsmangel dar. Im Übrigen haben die Tatrichter ihren persönlichen Eindruck vom Reifegrad des Mädchens nicht nur auf Grund der angeführten Elemente, sondern rechtsrichtig in einer Gesamtschau aller Beweise gewonnen. Die isolierte Betrachtung einzelner Verfahrensergebnisse stellt daher einen unzulässigen Versuch der Bekämpfung der freien Beweiswürdigung dar. Die Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet auf Grund des gynäkologischen Untersuchungsbefundes vom 9. April 2002 erhebliche Bedenken gegen die Feststellung, der Angeklagte habe vor diesem Tag mit Tanja R***** einen Geschlechtsverkehr durchgeführt. Dagegen ergibt sich aus dem wegen der Regelblutung zum Zeitpunkt der Untersuchung erhobenen oberflächlichen Befund, dass das Hymen des Mädchens eingerissen war (S 631/I). Der untersuchende Oberarzt Dr. H***** schloss aus seiner gesamten Untersuchung auf einen mehrfachen Geschlechtsverkehr (S 663/I). Diese Vermutung hat sich dann durch die am 16. Mai 2002 ausführlich durchgeführte gynäkologische Untersuchung bestätigt (S 627, 659ff/I). Daher ergeben sich entgegen der Beschwerde aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die bekämpften Feststellungen. Die Einwände zur Lügenhaftigkeit von Tanja R***** versuchen nur die den Grundsätzen logischen Denkens entsprechenden beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, was jedoch im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig ist. Auch der Umstand, dass dem Tatopfer keine besonderen körperlichen Merkmale des Angeklagten aufgefallen sind, vermag keine erheblichen Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen zu erzeugen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist.

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