OGH 11Os120/02

OGH11Os120/0210.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Dezember 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Habl, Dr. Zehetner, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weiser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef B***** und Christine B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 19. April 2002, GZ 20 Hv 1115/01m-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, des Vertreters des Finanzamtes Rat Mag. Merinsky und des Verteidigers Dr. Steinbuch, jedoch in Abwesenheit der beiden Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Beiden Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josef und Christine B***** im zweiten Rechtsgang des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt, weil sie in Gablitz, Christine B***** als Geschäftsführerin sowie Josef B***** als Gesellschafter und mit der faktischen Geschäftsführung Betrauter der Firma A***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von den im § 21 UStG 1972 (1994) entsprechenden Voranmeldungen, insbesondere durch Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat Oktober 1995 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von 269.950,50 EUR (3,714.600 S) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten haben.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte mit gemeinsam ausgeführter, auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; sie ist nicht im Recht. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider kann auch aus dem Verhalten des Täters allein auf seine innere Tatseite geschlossen werden, weil die Beweiswürdigung durch gesetzliche Regeln nicht beschränkt ist (vgl Mayerhofer StPO4 § 258 E 48a, 50a). Die Feststellungen zur Wissentlichkeit bezüglich des Verkürzungserfolges leitete das Erstgericht vorliegend mängelfrei aus der objektiven Vorgangsweise der beiden Angeklagten ab, die trotz ihrer Kenntnis von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und zur Versteuerung der Akontozahlungen spätestens bei Endabrechnung eine Übergabe der Schlussrechnung an ihre Buchhaltungs- und Steuerberatungsfirma (vorsätzlich) unterließen und auch selbst eine entsprechende Voranmeldung nicht durchführten (US 8, 9 iVm 11). Die Höhe des Verkürzungsbetrages wurde schon mit Hinweis auf das für schlüssig erachtete Gutachten des Buchsachverständigen (siehe insbes S 453/I) hinreichend begründet (US 9). Ob die Finanzbehörde durch die bewirkte Abgabenverkürzung geschädigt wurde, ist nicht entscheidungswesentlich und bedurfte daher keiner näheren Erörterung. Die Beschwerdebehauptung, wonach die Annahmen über den Tätigkeitsbereich der beiden Angeklagten in der Firma A***** GmbH nicht begründet seien, trifft nicht zu. Die Konstatierungen ergeben sich vor allem aus der Aussage des Zeugen Erwin M***** (ON 5 iVm ON 27), der Verantwortung der Angeklagen Christine B***** (insbes ON 6) sowie der Anzeige des Finanzamtes Wien-Umgebung (ON 2); diese Beweismittel wurden aber den Urteilsfeststellungen ausdrücklich zu Grunde gelegt (US 4).

Soweit die Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Hinweis auf die Übergangsbestimmung des § 28 Abs 4 UStG 1994, wonach § 19 Abs 2 Z 1 lit a letzter Satz leg cit hier nicht zur Anwendung kommt, das Vorliegen einer Umsatzsteuerschuld bezüglich der von der B***** GmbH geleisteten Akontozahlungen (Vorauszahlungen) überhaupt bestreiten, übersehen sie, dass auch nach § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG aF die Steuerschuld jedenfalls mit Ablauf des Kalendermonats entsteht, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind, wobei sich dieser Zeitpunkt um einen Kalendermonat verschiebt, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonats erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist .Das hat zwar zur Folge, dass der Unternehmer vor diesem Zeitpunkt einheitliche Leistungen im Rahmen der Sollbesteuerung auch dann nicht zu versteuern braucht, wenn er bereits Voraus- oder Abschlagszahlungen (Akontozahlungen) erhalten hat (Kolacny-Mayer UStG § 19 Anm 17b). Nach Werksvollendung sind aber die bereits erhaltenen Akontozahlungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen (vgl aaO § 19 Anm 18).

Die neu in das Umsatzsteuergesetz 1994 aufgenommene - hier nicht anzuwendende - Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 1 lit a letzter Satz regelt lediglich, dass nunmehr (wenn die Zahlung des Entgeltes auf einem Vertrag beruht, der nach dem 1. Jänner 1995 abgeschlossen worden ist) die Steuerschuld für Vorauszahlungen bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entsteht, in dem sie vereinnahmt wurde (Mindest-Istbesteuerung; Kolacny-Mayer UStG 19942 § 19 Anm 13a). Dass Akontozahlungen, die auf einem vor dem 1. Jänner 1995 abgeschlossenen Vertrag beruhen, überhaupt nicht umsatzsteuermäßig zu erfassen wären, kann aus der Nichtanwendbarkeit dieser Vorschrift aber nicht abgeleitet werden.

Weshalb die Uneinbringlichkeit der in der Schlussrechnung noch offenen Restforderung von 12,292.514 S den völligen Wegfall der Verpflichtung zur Umsatzsteuervoranmeldung (also auch im Umfang der bereits erhaltenen Vorauszahlungen) zur Folge haben sollte, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan, sodass eine sachbezogene Erwiderung nicht möglich ist.

Im Übrigen hat das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - ohnehin festgestellt, dass die Angeklagten bereits zum Tatzeitpunkt (Oktober 1995) mit der Einbringlichkeit des damals noch offenen Forderungsbetrages nicht mehr rechnen konnte (US 7f), und davon ausgehend rechtsrichtig eine entsprechende Differenzierung (Herabsetzung) des Verkürzungsbetrages vorgenommen. Mit der Behauptung fehlender Feststellungen in Bezug auf eine ihn (als unmittelbaren Täter) treffende abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vernachlässigt der Erstangeklagte Josef B***** die Urteilsannahmen über den tatsächlichen Umfang seiner (faktischen) Geschäftsführertätigkeit (US 5f) und bringt damit die Rechtsrüge nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach § 33 Abs 5 FinStrG über Josef B***** eine Geldstrafe von 60.000 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe sowie über Christine B***** eine Geldstrafe von 40.000 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete das Erstgericht hinsichtlich Josef B***** acht einschlägige Vorstrafen und die im Verhältnis zur Zweitangeklagten führende Rolle in der A***** GmbH als erschwerend, hingegen das lange Zurückliegen der Tat als mildernd. Bei Christine B***** fiel kein Umstand als erschwerend ins Gewicht, während ihr neben dem langen Zurückliegen der Tat auch noch die untergeordnete Rolle als mildernd zugute gehalten wurde. Die über Christine B***** verhängte Geldstrafe wurde gemäß § 26 FinStrG in Verbindung mit § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die gegen die Strafaussprüche gerichteten Berufungen verfehlen ihr Ziel.

Inwiefern "die ausführlichen Angaben" der Angeklagten der Sachverhaltsaufklärung gedient haben und zusätzlich als Milderungsumstand Berücksichtigung finden sollen, vermögen selbst die Rechtsmittelausführungen nicht plausibel darzulegen; hat doch vielmehr das Erstgericht die leugnenden Versionen der Berufungswerber als widerlegt verworfen. Entgegen der Berufungsansicht ist auch die als erschwerend gewertete "führende Rolle" des Josef B*****, dem innerhalb der A***** GmbH die größere Verantwortung für die steuerlichen Angelegenheiten zukam, durchaus berechtigt. Wenngleich bei Christine B***** der vom Schöffengericht übersehene weitere Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels nachzutragen war, bestand zu einer Reduktion der ohnedies maßvoll ausgemessenen Geldstrafen jedenfalls kein Anlass.

Soweit die Berufung des Josef B***** auch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht reklamiert, ist sie auf die (zu Unrecht als fehlend kritisierte) zutreffende Begründung des Erstgerichts (US 13 oben) zu verweisen.

Es konnte somit den Berufungen der Angeklagten ebenfalls kein Erfolg beschieden sein.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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