Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 1988 in einem Rehabilitationszentrum der beklagten Partei beschäftigt, zuletzt als Stellvertreterin des Verwalters; ihr Dienstverhältnis unterlag der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A). Sie war unter anderem zuständig für die Anschaffung von Lebensmitteln, Reinigungsmaterial, medizinischem Verbrauchsmaterial sowie für die Arbeiter im Küchenbereich, im Reinigungsbereich und in der Wäscherei. Etwa Mitte Dezember 2000 sandte ein Unternehmer ("Vitalwelt H*****") unter anderem an die Verwaltung des Rehabiliationszentrums ein Schreiben, mit dem er für (als Muster im Nennwert von 10 bzw 50 EUR in Fotokopie beigelegte) Gutscheine als Weihnachtsgeschenk für Mitarbeiter warb. Der Verwalter, der das Kuvert in Anwesenheit der Klägerin öffnete, meinte zu dieser, dass er als Leiter für das Haus solche Gutscheine nicht ankaufen könne. Auch der daraufhin herbeigerufene Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrats erklärte, für solche Gutscheine keine Verwendung zu haben. Am 18. Dezember 2000 suchte die Klägerin ein Optikergeschäft auf, um bestellte Ware abzuholen. Sie fragte den Inhaber, ob er Gutscheine annehme, und wies die beiden Gutscheinkopien vor, die mit einem Originalstempel des Rehabilitationszentrums versehen sowie mit dem Namen des Verwalters unterfertigt waren. Obwohl die Klägerin erkannte, dass es sich nicht um die Unterschrift des Verwalters handelte, erklärte sie dem Optiker, dass die Kopien in Anbetracht der Unterschrift und des Stempels als Gutscheine gültig wären, worauf der Geschäftsinhaber die Gutscheine annahm, zumal die Klägerin bei ihm schon seit langem Kundin war.
Nachdem der Verwalter vom Vorgehen der Klägerin, der bekannt gewesen war, dass diese Gutscheine weder von der Verwaltung noch vom Betriebsrat angekauft worden waren, erfahren hatte, und sich auch die Innenrevision der beklagten Partei mit der Angelegenheit befasst hatte, wurde der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, das Dienstverhältnis von sich aus zu beenden. Da sie dieses Angebot nicht annahm, wurde ihre Entlassung ausgesprochen.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses ab. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, die Klägerin sei zwar unbestrittenermaßen Angestellte mit erhöhtem Kündigungsschutz gewesen, gemäß § 103 Abs 2 DO.A werde durch das in der DO.A geregelte Disziplinarverfahren das Recht des Versicherungsträgers zur Entlassung von Mitarbeitern jedoch nicht berührt. Anders als in der bis 31. 12. 1995 geltenden Fassung setze § 31 Abs 1 DO.A nunmehr für die Entlassung eines Angestellten mit erhöhtem Kündigungsschutz kein Disziplinarerkenntnis mehr voraus. Eine Entlassung sei schon begrifflich keine Disziplinarmaßnahme. Nach § 107 Abs 1 DO.A kämen für Dienstpflichtverletzungen nur die Ordnungsstrafen der Rüge und des Verweises (in schweren Fällen verbunden mit einer Geldbuße) in Betracht. Das Erstgericht habe zu Recht angenommen, dass der Entlassungsgrund des § 31 Abs 1 Z 2 DO.A verwirklicht sei; die Klägerin habe sich als Angestellte in leitender Position einer besonders schweren Pflichtverletzung bzw Handlung schuldig gemacht, die sie des Vertrauens des Versicherungsträgers unwürdig erscheinen ließ. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe die Klägerin die Verwirklichung dieses Entlassungsgrundes auch gar nicht bekämpft. Das Berufungsgericht hat die maßgeblichen Rechtsfragen zutreffend gelöst, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen in der Revision, deren Schwergewicht auf der Frage liegt, ob die Klägerin von der Beklagten ohne vorangegangenes Disziplinarverfahren entlassen werden durfte, Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Wie der erkennende Senat bereits zu 9 ObA 115/98a (= EvBl 1999/5 ua) ausgesprochen hat, setzt § 31 Abs 1 DO.A in der ab 1. 1. 1996 geltenden Fassung auch für die Entlassung eines Angestellten, für den ein erhöhter Kündigungsschutz besteht, kein Disziplinarerkenntnis mehr voraus. Dies wird in § 103 Abs 2 DO.A zum Ausdruck gebracht, nach dem das Recht des Versicherungsträgers zur Entlassung nicht berührt wird. Warum dennoch auch bei einer Entlassung ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens die allein für Letzteres geltenden Verfahrensvorschriften eingehalten werden müssten, ist nicht nachvollziehbar. Eine Entlassung stellt schon begrifflich keine Disziplinarmaßnahme, sondern vielmehr einen ganz allgemeinen Beendigungsgrund von Arbeitsverhältnissen dar. Nur für (echte) Disziplinarmaßnahmen gelten die einschlägigen Vorschriften der DO.A. Soweit die Klägerin in der Revision weiters die Verwirklichung des Entlassungsgrundes gemäß § 31 Abs 1 Z 2 DO.A, der im Wesentlichen dem Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 dritter Fall AngG entspricht, in Zweifel zieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie dies in ihrer Berufung gar nicht bekämpft hat; sie vertrat lediglich den Standpunkt, die Entlassung wäre ohne ein vorangegangenes förmliches Verfahren nach den Regeln des Disziplinarverfahrens nicht zulässig gewesen. Die Revisionswerberin übersieht nun, dass andere Punkte in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn das Ersturteil nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wurde (Kodek in Rechberger2, Rz 5 zu § 503 mit Judikaturnachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 2 Abs 1 ASGG, 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
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