OGH 15Ns20/02

OGH15Ns20/0228.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. November 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Waltraud Walburga J***** wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag der Beschuldigten auf Delegierung der Strafsache und über die Ablehnung sämtlicher Richter (einschließlich dessen Präsidenten) des Oberlandesgerichtes Graz im Verfahren zum AZ 15 Ur 75/02b des Landesgerichtes Leoben nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die (pauschale) Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichtes Graz (einschließlich dessen Präsidenten) ist nicht gerechtfertigt. Dem Antrag auf Delegierung des Verfahrens AZ 15 Ur 75/02b des Landesgerichtes Leoben an ein "anderes Bundesland (außer Wien und Steiermark)" wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Gegen Waltraud Walpurga J***** ist beim Landesgericht Leoben ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung anhängig.

Mit Schreiben vom 17. September 2002 lehnte die Beschuldigte (in Ergänzung der Ablehnung des gesamten Landesgerichtes Leoben vom 13. September 2002) das gesamte Oberlandesgericht Graz aus "denselben Gründen" ab und beantragte unter einem, die Strafsache einem anderen Bundesland (außer Wien, Steiermark bzw Klagenfurt) zuzuweisen, weil "der Akt von ihrer Schwester Claudia J***** sich in diesem Zusammenhang" in Wien befinde.

Soweit der Ablehnungsantrag alle Richter des Oberlandesgerichtes Graz betrifft, ist gemäß § 74 Abs 2 letzter Satzteil StPO der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung zuständig.

Rechtliche Beurteilung

Die Anträge sind nicht berechtigt.

Gemäß § 72 Abs 1 StPO kann der Beschuldigte Mitglieder des Gerichtes ablehnen, wenn er außer den im § 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit der Abzulehnenden in Zweifel zu ziehen; dabei müssen die Gründe der Ablehnung genau angegeben und nach Möglichkeit bescheinigt werden (§ 73 zweiter Satz StPO). Solche Gründe wurden von Waltraud Walburga J***** gegen namentlich nicht bezeichnete Richter des Oberlandesgerichtes Graz nicht einmal vorgebracht. Ihre diesbezüglichen Einwände, soweit sie sich aus dem auf die Eingabe vom 13. September 2002 bestehenden Verweis ergeben, erschöpfen sich vielmehr in der nicht näher substantiierten Behauptung der mangelnden Unparteilichkeit und Unbefangenheit. Da diese generell gehaltenen Vorwürfe keine konkreten Hinweise, aus denen eine Befangenheit sämtlicher Richter (einschließlich des Präsidenten) des Oberlandesgerichtes Graz geschlossen werden könnte, enthalten, ist der pauschale Ablehnungsantrag nicht berechtigt. Auch der Delegierungsantrag schlägt fehl, weil §§ 62 und 63 StPO zur (nur ausnahmsweise zulässigen) Veränderung der gesetzlichen Zuständigkeit niemals herangezogen werden können, wenn Befangenheit einer Gerichtsperson oder deren bloßer Anschein in Frage steht. Die Befangenheit ist nämlich kraft der Spezialbestimmung der §§ 72 bis 74a StPO aus der Delegierungsbefugnis herausgenommen (Mayerhofer StPO4 § 62 E 12, 15 Ns 4, 17/99). Von einer Äußerung des Anklägers dazu konnte abgesehen werden, weil dieser bereits zu einem Delegierungsantrag Stellung genommen hat (S 4d).

Soweit der am 13. September 2002 gestellte Ablehnungsantrag sämtliche Richter des Landesgerichtes Leoben einschließlich der im Antrag namentlich Genannten betrifft, hat hierüber das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden (§ 74 Abs 2 zweiter Satz StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte