OGH 1Ob186/02p

OGH1Ob186/02p26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Franz K*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing. Franz Leo K*****, vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. März 2002, GZ 42 R 126/02v-143, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 4. Februar 2002, GZ 2 P 576/97z-128, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:

Der Vater ist schuldig, zum Unterhalt des mj Franz in Abänderung der mit Vergleich vom 9. 10. 1998 übernommenen Unterhaltsverpflichtung an monatlichen Unterhaltsbeiträgen

a) vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000 341,27 EUR (= 4.696 S),

b) vom 1. 1. 2001 bis 30. 6. 2001 347,34 EUR (= 4.779,50 S),

c) vom 1. 7. 2001 bis 31. 12. 2001 383,46 EUR (= 5.276,50 S) und

d) ab 1. 1. 2002 425,94 EUR (= 5.861 S) zu zahlen.

Das Begehren auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 370,63 EUR (= 5.100 S) für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 2000, von 377,90 EUR (= 5.200 S) vom 1. 1. bis 30. 6. 2001, und von 428,77 EUR (= 5.900 S) ab 1. 7. 2001 wird, soweit es über den Zuspruch hinausgeht, abgewiesen.

Text

Begründung

Der Minderjährige wird seit der Scheidung seiner Eltern im Haushalt der Mutter betreut. Mit Vergleich vom 9. 10. 1998 verpflichtete sich der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 4.000 S (= 290,69 EUR). Bis zum 30. 6. 2001 war der Vater für ein weiteres Kind sorgepflichtig. Er bezog im Jahre 2000 ein Jahresnettogehalt von 381.880,70 S (= 27.752,35 EUR), was einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen von 31.823 S (= 2.312,67 EUR) entspricht. Im Jahr 2001 brachte er netto insgesamt 397.533,41 S (= 28.889,88 EUR), monatlich also durchschnittlich 33.128 S (= 2.407,51 EUR), ins Verdienen.

Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf 370,63 EUR (= 5.100 S) für das Jahr 2000, für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis 30. 6. 2001 auf 377,90 EUR (= 5.200 S) und ab 1. 7. 2001 auf 428,77 EUR (= 5.900 S). Unter Bedachtnahme auf die weitere Sorgepflicht des Vaters bis 30. 6. 2001 habe er bis dahin 16 und ab 1. 7. 2001 18 % seines Nettoeinkommens für den Unterhalt des Minderjährigen aufzubringen. Die Familienbeihilfe - bzw ein Teil derselben - sei nicht auf den vom Vater zu leistenden Unterhalt anzurechnen.

Dagegen erhob der Vater Rekurs, in dem er lediglich geltend machte, dass auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 27. 6. 2001, B 1285/00, Transferleistungen wie Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auf den Unterhalt anzurechnen und der Unterhaltsbetrag dementsprechend zu kürzen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erachte sich an die Ausführungen in der Begründung des zitierten Erkenntnisses des VfGH nicht gebunden. Nach dem klaren Wortlaut des § 12a FamLAG solle die Familienbeihilfe, die kein Einkommen des Kindes darstelle und dessen Unterhaltsanspruch nicht verringere, ungeschmälert jenem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Festsetzung der monatlich zu leistenden Unterhaltsbeiträge mit 310 EUR für das Jahr 2000, mit 315 EUR für die ersten sechs Monate des Jahres 2001 und mit 350 EUR ab 1. 7. 2001 begehrte, ist teilweise berechtigt.

Bereits im Erkenntnis vom 27. 6. 2001 vertrat der VfGH die Ansicht, eine steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teils der Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe) auf den Unterhalt sei verfassungsrechtlich geboten (AZ B 1285/00).

In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim VfGH - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, GZ 7/02 ua, hob der VfGH die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom 27. 6. 2001 führte er aus, nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe müssten der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen.

Angesichts der vom VfGH definierten Verfassungsrechtslage muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder gegebenenfalls auch die Familienbeihilfe - neben ihrer Funktion als Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB, namentlich dessen Abs 2 Satz 2, muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 % oder 31 %) ist pauschal abzusenken, weil ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es ist sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den Satz von 31 auf 25 % abzusenken (1 Ob 79/02b mwN).

Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners ist hier demnach wie folgt vorzunehmen:

Vorerst ist der dem Unterhaltsberechtigten gebührende Unterhalt - so wie bisher - nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien zu ermitteln. Dem sind die Vorinstanzen auch nachgekommen. Für die Zeit ab 1. 1. 2002 ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Minderjährige das 10. Lebensjahr zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet hat und ihm daher ein höherer Anteil (20 %) an dem vom Vater erzielten Nettoeinkommen zusteht, sodass sich der ihm gebührende Unterhalt - nach unterhaltsrechtlichen Kriterien - für die Zeit ab 1. 1. 2002 mit 6.600 S (= 479,64 EUR) errechnet.

Um eruieren zu können, welcher Grenzsteuersatz anzuwenden ist, muss das Brutto-Jahreseinkommen des Geldunterhaltspflichtigen - ohne Sonderzahlungen (Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) - bekannt sein. Liegt dieses Einkommen im Bereich zwischen 21.800 EUR (oder 300.000 S) und 50.870 EUR (oder 700.000 S), so ist der auf 33 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 41 % anzuwenden. In diesem Fall ist der gesamte Unterhaltsbetrag mit 16,5 % steuerlich zu entlasten. Wenngleich das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters von den Vorinstanzen nicht festgestellt wurde, liegt es evidentermaßen in diesem Bereich, weil das festgestellte Jahresnettoeinkommen 381.880,70 S im Jahr 2000 bzw 397.533,41 S im Jahr 2001 betrug, zumal in diesen Nettobeträgen die beim Brutto-Jahreseinkommen nicht zu berücksichtigenden Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) enthalten sind. Der Unterhalt ist daher im vorliegenden Fall mit 16,5 % steuerlich zu entlasten.

Für das Jahr 2000 sind 841,50 S (16,5 % von 5.100 S) einer Entlastung zuzuführen. Für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 6. 2001 beträgt der zu entlastende Betrag 858 S. Die Entlastung erfolgt primär durch den dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zukommenden Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG). In der Zeit vom 1. 1. 2000 bis 30. 6. 2001 war der Vater für ein weiteres Kind sorgepflichtig, weshalb ihm Unterhaltsabsetzbeträge von insgesamt 63,70 EUR (oder 875 S) zukamen, je Kind daher 31,85 EUR (oder 437,50 S). Zieht man diesen Betrag von dem zu entlastenden Teil des Gesamtunterhalts ab, so errechnet sich für das Jahr 2000 ein Betrag von monatlich 404 S (= 29,36 EUR) bzw für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 6. 2001 ein solcher von 420,50 S (= 30,56 EUR), der einer weiteren steuerlichen Entlastung zuzuführen ist. Diese Entlastung ist durch Einbeziehung der Transferleistungen, die nach wie vor dem betreuenden Elternteil zukommen, nämlich den Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und die Familienbeihilfe, in die Entlastungsrechnung vorzunehmen. Demgemäß ist der Unterhaltsbetrag zu kürzen, woraus sich der vom Vater zu leistende monatliche Unterhalt von 4.696 S (= 341,27 EUR) für das Jahr 2000 bzw von 4.779,50 S (= 347,34 EUR) für die ersten sechs Monate des Jahres 2001 errechnen lässt.

Vom 1. 7. 2001 bis 31. 12. 2001 beläuft sich die steuerlich gebotene Entlastung auf 973,50 S (16,5 % von 5.900 S), und erhielt der Vater in diesem Zeitraum nur mehr den Unterhaltsabsetzbetrag für ein Kind (350 S monatlich oder 25,50 EUR), sodass ein Betrag von 623,50 S (= 45,31 EUR) verbleibt, um den der nach unterhaltsrechtlichen Kriterien bemessene Unterhalt in Anrechnung an die der Mutter zugekommenen Transferleistungen zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen zu kürzen ist. Dies ergibt letztlich für diesen Zeitraum einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.276,50 S (= 383,46 EUR).

Da der Unterhaltsanspruch des Kindes (nach unterhaltsrechtlichen Kriterien) ab 1. 1. 2002 mit 6.600 S (= 479,64 EUR) zu bemessen ist, beläuft sich die gebotene steuerliche Entlastung (16,5 %) auf 1.089 S; aus dem Titel des Unterhaltsabsetzbetrags sind ebenfalls nur 350 S (oder 25,50 EUR) anzurechnen. Zur weitergehenden steuerlichen Entlastung (739 S = 53,71 EUR) muss der Unterhalt in Anrechnung auf den Kinderabsetzbetrag und zum Teil auf die Familienbeihilfe gekürzt werden. Der Vater hat daher ab 1. 1. 2002 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.861 S (= 425,94 EUR) zu zahlen.

Den Ausführungen des Minderjährigen in seiner Äußerung zum Revisionsrekurs des Vaters, dass "allenfalls ein Viertel der Familienbeihilfe zur Abgeltung steuerrechtlicher Nachteile beider Kindeseltern heranzuziehen sei", ist Folgendes zu entgegen:

Die Familienbeihilfe ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ihrem Wesen nach (auch) als Betreuungshilfe gedacht, die die Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen soll. Soweit der Gesetzgeber die steuerliche Mehrbelastung eines Unterhaltspflichtigen durch (erhöhte) Transferleistungen kompensierte, hat er damit aber auch in Kauf genommen, dass diese Transferleistungen in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nicht (nur) für die Betreuung der Kinder bestimmt, sondern zum Teil (auch) Messgrößen für die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen sind. Der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs, der Gesetzgeber habe sich somit dafür entschieden, dass die Familienbeihilfe sowohl zur Familienförderung wie auch als Instrument steuerlicher Entlastung einzusetzen sei, kann nur mit dieser Maßgabe beigetreten werden. Der vom betreuenden Elternteil gereichte Naturalunterhalt wird - in aller Regel - aus dem vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Geldunterhalt finanziert. Der Geldunterhaltspflichtige erbringt seine Unterhaltsleistung ausschließlich in Form einer Geldleistung, der betreuende Elternteil erbringt sie im Regelfall durch persönliche Betreuungsleistungen. Der "Entfall der persönlichen Betreuungsleistung" durch den Geldunterhaltspflichtigen ist demnach nicht weiter in Rechnung zu stellen.

Im vorliegenden Fall verbliebe der Mutter die ihr ausgezahlte Familienbeihilfe, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch zur steuerlichen Entlastung des Vaters herangezogen werden kann, in den Jahren 2000 und 2001 ohnehin zur Gänze auch dann, wenn sie dem Kind der Unterhaltskürzung entsprechende Beträge aus den ihr zugekommenen Transferleistungen zuwendete. Lediglich der Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 EUR (oder 700 S) müsste sie in diesem Zeitraum zum Teil für die steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils verwenden. Dass der Kinderabsetzbetrag aber zur steuerlichen Entlastung herangezogen werden soll, ist unbestritten (1 Ob 79/02b). Lediglich ab 1. 1. 2002 wird der Unterhalt auch in einem, allerdings zu vernachlässigenden geringen Teil der Familienbeihilfe zwecks steuerlicher Entlastung des Vaters, nämlich um 2,81 EUR (53,71 EUR minus 50,90 EUR), gekürzt.

Die steuerliche Entlastung des Vaters durch Kürzung des Unterhaltsbetrags wegen der Auszahlung der Familienbeihilfe an die Mutter ist zufolge Art 140 Abs 7 B-VG nicht erst durch die (teilweise) Aufhebung des § 12a FamLAG durch den Verfassungsgerichtshof möglich geworden, sprach dieser doch im Erkenntnis vom 13. 9. 2002 aus, dass die "Zivilgerichte" schon nach seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001 (B 1285/00), berechtigt gewesen seien, die Familienbeihilfe bei der Kürzung der Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltspflichtigen im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß zu berücksichtigen. Deshalb habe er davon abgesehen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, sodass diese nicht mehr anzuwenden sei.

Damit sind aber auch die ab 1. 1. 2002 zu zahlenden Unterhaltsbeiträge um den gesamten Entlastungsbetrag von 53,71 EUR auf 425,94 EUR zu kürzen.

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