OGH 1Ob252/02v

OGH1Ob252/02v26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Brigitte J*****, und 2) Peter J*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Reinhard L*****, wegen 11.123,62 EUR sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2002, GZ 39 R 337/01z-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 23. Juli 2001, GZ 10 C 1826/99p-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Kläger sind Eigentümer einer Liegenschaft mit Haus in Wien. Dort hatte ein Rechtsanwalt aufgrund eines Hauptmietvertrags aus dem Jahr 1977 bestimmte Räume für seine Rechtsanwaltskanzlei gemietet. Dieser Rechtsanwalt wurde am 30. 9. 1998 emeritiert und verhandelte in der Folge mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, über den Erwerb der Rechtsanwaltskanzlei. Ende Dezember 1998 einigten sich die Verhandlungspartner und errichteten am 2. 1. 1999 einen Übergabevertrag. Seither wird die Rechtsanwaltskanzlei im Bestandobjekt vom Beklagten betrieben. Mit Schreiben vom 4. 1. 1999 informierte der Beklagte die Hausverwaltung der Kläger über die Unternehmensveräußerung und die Fortführung der Rechtsanwaltskanzlei in den Bestandräumen. Dieses Schreiben wurde auch vom bisherigen Bestandnehmer unterfertigt. Am 7. 1. 1999 beantragten der Beklagte und der bisherige Bestandnehmer bei der zuständigen Schlichtungsstelle die Festsetzung des gemäß § 12a Abs 2 MRG zulässigen Hauptmietzinses mit folgendem Wortlaut:

"Der Erstantragsteller war Hauptmieter der Geschäftsräumlichkeiten ... und hat dort seine Rechtsanwaltskanzlei betrieben. Er hat dieses Unternehmen mit Wirkung vom 1. 1. 1999 an den Zweitantragsteller veräußert, der somit gemäß § 12a MRG in die Hauptmietrechte eingetreten ist. Die Hausinhabung wurde davon verständigt.

Im Sinne der Vorschrift des § 12a MRG wird um Festsetzung des gemäß § 16 Abs 1 und § 12a Abs 2 MRG zulässigen Hauptmietzinses beantragt".

Die Hausverwaltung der Kläger beantragte im Schreiben vom 25. 1. 1999 an die Schlichtungsstelle die Anberaumung eines Verhandlungstermins und die Erlassung eines Auftrags zur Vorlage von Urkunden an die Verfahrensgegner. Nachdem im Verfahren vor der Schlichtungsstelle der angemessene monatliche Hauptmietzins in einem Gutachten der MA 40 mit 6.600 S eingeschätzt worden war, zogen die Antragsteller ihr Begehren auf Mietzinsfestsetzung am 30. 8. 1999 zurück. Die Liegenschaftseigentümer als Antragsgegner versuchten erfolglos, das Verfahren zu Gericht abzuziehen. Auch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof scheiterte. Erstmals mit Schreiben vom 6. 9. 1999 begehrten die Kläger vom Beklagten die Erhöhung des Mietzinses wegen der Unternehmensveräußerung.

Die Kläger begehrten zuletzt den Zuspruch von 11.123,62 EUR sA an Bestandzins für die Monate Jänner bis Oktober 1999 und brachten vor, der Beklagte habe nach dem Übergang der Mietrechte nur 444,53 EUR monatlich an Mietzins gezahlt. Der angemessene Bruttohauptmiezins betrage 1.456,17 EUR monatlich. Der Klageanspruch sei die Differenz der beiden Beträge. Der Beklagte habe den Anspruch auf Erhöhung des Hauptmietzinses durch seinen Antrag an die Schlichtungsstelle, den angemessenen Hauptmietzins festzusetzen, "dem Grunde nach jedenfalls anerkannt".

Der Beklagte wendete ein, ein Anspruch der Kläger auf Erhöhung des Hauptmietzinses sei präkludiert. Eine solche Erhöhung sei erst mit Schreiben vom 6. 9. 1999 - somit erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist gemäß § 12a Abs 2 MRG - geltend gemacht worden. Er habe ein Erhöhungsrecht der Kläger durch den Antrag auf Festsetzung des angemessenen Hauptmietzinses an die Schlichtungsstelle nicht anerkannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dessen Ansicht begehrten die Vermieter die Erhöhung des Hauptmietzinses erst nach Ablauf der sechsmonatigen Präklusivfrist gemäß § 12a Abs 2 MRG. Der Antrag des Beklagten an die Schlichtungsstelle sei nicht als Anerkenntnis eines Rechts der Kläger auf Erhöhung des Hauptmietzinses zu werten. Das Verhalten des Beklagten lasse die Deutung zu, "ein bis zur Stellung des Anhebungsbegehrens aufschiebend bedingtes Anerkenntnis" zu erklären.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zunächst nicht zu. Mit Beschluss vom 20. 8. 2002 sprach das Berufungsgericht aus, die Revision sei doch zulässig. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Mangels eines Erhöhungsbegehrens der Kläger vor und während des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle habe es der Bereinigung eines Streits bzw Zweifels über das Bestehen eines Erhöhungsanspruchs nicht bedurft. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof das Verhalten des Beklagten im Verfahren vor der Schlichtungsstelle in der Entscheidung vom 11. 6. 2002 zu 5 Ob 79/02g - also bereits nach Ergehen des Berufungsurteils vom 30. 1. 2002 - als Anerkenntnis beurteilt habe. Die gegenteilige Ansicht im Berufungsurteil beruhe daher auf einer gravierenden Fehlbeurteilung.

Die Revision ist zulässig; sie ist - im Rahmen des Aufhebungsantrags - auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof erkannte zu 5 Ob 79/02g über einen Antrag der Kläger im außerstreitigen Mietrechtsverfahren, den vom Beklagten monatlich zu leistenden Hauptmietzins mit - wertgesichert - 1.050,85 EUR zuzüglich der Betriebskosten und der jeweils geltenden Umsatzsteuer als angemessen festzustellen. Die Kläger stützten den Antrag auf ihr Recht zur Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 1 und 2 MRG. Der Beklagte hatte auch dort die Präklusion des Erhöhungsanspruchs wegen Versäumung der Frist nach § 12a Abs 2 MRG eingewendet. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs beruhte - abgesehen von dem auch hier maßgebenden Sachverhalt - noch auf folgenden weiteren Tatsachen: Parallel zu dem durch den Antrag des Alt- und des Neumieters eingeleiteten Schlichtungsstellenverfahren wurde ein Zivilprozess geführt, in dem der nunmehrige Beklagte die Feststellung seiner Eigenschaft als Hauptmieter anstrebte, weil die nunmehrigen Kläger dessen Eintritt in die Mietrechte des Altmieters mit Schreiben vom 17. 2. 1999 bestritten hatten. Diesen Standpunkt hatten die Kläger bis zum 26. 8. 1999 aufrechterhalten. Seither ruht der Feststellungsprozess.

Der 5. Senat erzielte dort folgendes Ergebnis:

Nach der neueren Lehre und Rechtsprechung seien die Regeln über die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung auf Präklusivfristen - unter Bedachtnahme auf deren Zweck - analog anzuwenden. Für die Präklusivfrist nach § 16 Abs 8 MRG sei bereits ausgesprochen worden, dass die für die Verjährung geltenden Vorschriften analog heranzuziehen seien. Gleiches gelte für die Präklusivfrist nach § 12a Abs 2 MRG, weil auch diese Frist der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs durch eine rasche Bereinigung offener Streitfragen diene. Sie werde daher unterbrochen, wenn derjenige, der sich auf sie berufen wolle, das Recht des Anderen vor dem Fristablauf ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt habe. Als Anerkenntnis gelte jede, wenn auch nicht ausdrückliche Rechtshandlung des Schuldners, die ein Anerkenntnis des Gläubigerrechts notwendig voraussetze oder die Absicht, die Schuld anzuerkennen, nach dem objektiven Erklärungswert der Willensäußerung deutlich erkennen lasse. Ein solches Verhalten müsse gegenüber dem Berechtigten gesetzt worden und von dem ausgegangen sein, zu dessen Gunsten die Präklusion einträte. Der (nunmehrige) Beklagte habe im Antrag an die Schlichtungsstelle gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG begehrt, den angemessenen und daher zulässigen Hauptmietzins der Höhe nach festzustellen. Er habe die Tatsachenbehauptung einer Unternehmensveräußerung aufgestellt und daraus die Rechtsfolge eines Rechts der Hauseigentümer auf Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 2 MRG iVm § 16 Abs 1 MRG abgeleitet. Das sei als schlüssiges Anerkenntnis des Rechts der Hauseigentümer zur Anhebung des Hauptmietzinses aufgrund der Unternehmensveräußerung zu werten, habe doch das Begehren auf Feststellung des zulässigen Hauptmietzinses in Verbindung mit dem Antragsvorbringen notwendigerweise ein Anhebungsrecht des Vermieters dem Grunde nach, das der Höhe nach durch die Angemessenheit begrenzt sei, vorausgesetzt. Die Antragstellung und Verfahrensführung sei nicht so zu verstehen, dass der Mieter im Verhältnis zu den Vermietern auf eine Anhebungserklärung verzichtet habe und einen erhöhten Hauptmietzins auch ohne Anhebungserklärung zahlen werde. Nur im umgekehrten Fall sei ein dem Mieter zugestellter Sachantrag im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, mit dem der Vermieter eine Mietzinserhöhung begehrt habe, zugleich als fristgerechte Mietzinsanhebung durch den Vermieter zu beurteilen. Das Schuldanerkenntnis setzte die ursprüngliche Frist neuerlich in Gang. Beschränkte man die Wirkung des Anerkenntnisses auf den Erklärungszugang - also auf die Verständigung der Hauseigentümer vom verfahrenseinleitenden Antrag des Mieters am 11. 1. 1999 -, so wäre die Frist des § 12a Abs 2 MRG mit Ablauf des 11. 7. 1999, demnach noch während des vom Mieter eingeleiteten Schlichtungsstellenverfahrens abgelaufen. Dessen deklaratives Anerkenntnis beziehe sich jedoch als Dauertatbestand nicht nur auf die Verfahrenseinleitung, sondern auch auf die Aufrechterhaltung des Mietzinsüberprüfungsantrags bis zum 30. 8. 1999. Das Anerkenntnis ergebe sich aus der Verfahrensführung, die das "nun bestrittene Recht in seinem Bestand" vorausgesetzt habe. Somit sei aber die Präklusivfrist gemäß § 12a Abs 2 MRG bis zur Beendigung des Schlichtungsstellenverfahrens durch Zurückziehung des Antrags unterbrochen gewesen und danach neu in Gang gesetzt worden. Daher sei das Anhebungsbegehren der Vermieter unmittelbar nach der Antragszurückziehung rechtzeitig. Die Vermieter könnten die Rechtsfolgen des durch die Unternehmensveräußerung herbeigeführten Eintritts des Erwerbers in das Hauptmietverhältnis ab dem der Unternehmensveräußerung folgenden Zinstermin, somit ab dem 1. 1. 1999 geltend machen. Da der angemessene Hauptmietzins noch nicht feststehe, sei eine Aufhebungsentscheidung unumgänglich.

Der erkennende Senat tritt der soeben referierten Rechtsansicht des 5. Senats bei. Auf deren Grundlage wurde das Klagebegehren zu Unrecht abgewiesen, weil nicht feststeht, dass der angemessene Mietzins die Leistungen des Beklagten nicht übersteigt. Der Beklagte sieht zwar seinen Antrag an die Schlichtungsstelle und das daran anknüpfende Verfahren weiterhin nicht als deklaratives Anerkenntnis des Rechts der Kläger auf Mietzinsanhebung gemäß § 12a Abs 1 und 2 MRG dem Grunde nach an, dieser Standpunkt wurde jedoch bereits in der Entscheidung 5 Ob 79/02g widerlegt. Soweit der Beklagte als Stütze für seine Ansicht auch jenen Prozess ins Treffen führt, in dem er die Feststellung seiner Stellung als Hauptmieter begehrte, ist er darauf zu verweisen, dass der Entscheidung 5 Ob 79/02g auch schon dieser Sachverhalt zugrunde lag.

Der Revision ist somit Folge zu geben. Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht ist unvermeidlich, weil sich die Berechtigung des Klagebegehrens nicht abschließend beurteilen lässt, ehe feststeht, welcher Mietzins für das Bestandobjekt des Beklagten angemessen ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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