OGH 5Ob207/02f

OGH5Ob207/02f5.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Friedrich B*****, vertreten durch Dr. Alexandra Mayr, Österreichischer Mieter- und Wohnungseigentümerbund, Landesgruppe Wien, Biberstraße 7, 1010 Wien, wider den Antragsgegner Maria Theresia W*****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 10 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juni 2002, GZ 38 R 71/02a-11, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. Februar 2002, GZ 46 Msch 27/01s-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller war bis zum 30. 6. 2000 Mieter der Wohnung top Nr 12 im Haus ***** in *****, das im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Am 19. 4. 2000 erklärte der Antragsteller gegenüber dem Hausverwalter der Antragsgegnerin eine außergerichtliche Aufkündigung des Mietverhältnisses per 30. 6. 2000.

Mit Telefax vom 18. 5. 2000 zeigte der Antragsteller dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin an, dass er während der letzten 10 Jahre Aufwendungen im Umfang von ca S 1 Mio getätigt habe und hiefür einen Aufwandersatz von S 250.000 begehre. In diesem Faxschreiben schildert der Antragsteller den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses 1988, insbesondere, dass die Wohnung nur mit zwei 8 Ampere-Sicherungen ausgestattet war, einem den damaligen Vorschriften nicht mehr entsprechenden Stromzähler, keine einzige Steckdose geerdet war, Gasanschlüsse an den Decken vorhanden waren, alte Gasrohre Oberputz verlegt, ein unbrauchbares Badezimmer, die Böden völlig desolat, insbesondere in Bad und Küche etc. Das Faxschreiben trägt die eigenhändige, ebenfalls fernkopierte Unterschrift des Antragstellers.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2000 nahm der Vertreter der Antragsgegnerin die außergerichtliche Aufkündigung des Antragstellers per 30. 6. 2000 an. Unter anderem verwies er darauf, dass sämtliche Investitionsersatzansprüche präkludiert seien, der Antragsteller wurde aber aufgefordert, sämtliche Rechnungen über die von ihm getätigten Investitionen vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller dann mit Schreiben vom 26. 5. 2000 nach. Er legte eine detaillierte Aufstellung der durchgeführten Arbeiten samt Rechnungen vor.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Zahlung von S 230.951,50 sA zu verpflichten. Dies für die vom Antragsteller während der letzten 10 Jahre durchgeführten Investitionen gemäß § 10 MRG.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab. Im Falle einer einvernehmlichen Auflösung des Bestandverhältnisses habe der Mieter dem Vermieter den Ersatzanspruch nach § 10 Abs 4 MRG spätestens im Zeitpunkt des Zustandekommens der außergerichtlichen Auflösungsvereinbarung schriftlich anzuzeigen. Mit der Anzeige dürfe also bei sonstigem Anspruchsverlust nicht bis zum vereinbarten Auflösungstermin zugewartet werden.

Im vorliegenden Fall habe der Mieter in dem in Frage stehenden Zeitpunkt, nämlich vor dem 22. 5. 2000 dem Vermieter am 18. 5. 2000 ein Faxschreiben übersendet, in dem er seine Ansprüche beziffert habe. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung werde jedoch durch ein Telefax dem Schriftlichkeitsgebot des § 886 ABGB nicht entsprochen. Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass der 22. 5. 2000, nämlich die Annahme der außergerichtlichen Aufkündigung durch die Vermieterin der maßgebliche Zeitpunkt sei, bis zu dem eine formgemäße Anzeige des Ersatzanspruches erfolgen hätte müssen. So weit Aufwendungen nach Inkrafttreten des 2. WÄG getätigt worden seien, fehle jedenfalls die Vorlage von Rechnungen, sodass diesbezügliche Ersatzansprüche präkludiert seien. Das gelte nicht für alle jene Investitionen, die nach dem 31. 12. 1981 und vor dem 1. 3. 1991 vorgenommen worden seien. Doch auch für Investitionen, die bis zum 1. 3. 1991 durchgeführt worden seien, sei der Anspruch präkludiert. Unter Berufung auf die in WoBl 1994, 70/13 veröffentlichte höchstgerichtliche Entscheidung teilte das Rekursgericht die Ansicht des Erstgerichtes, dass dem Schriftlichkeitsgebot des § 10 Abs 4 MRG im Zusammenhang mit § 886 ABGB durch ein Telefax - selbst mit kopierter eigenhändiger Unterschrift - nicht entsprochen werde. Darüber hinaus hätte es der Antragsteller unterlassen, den geforderten Betrag und die Art der zu ersetzenden Investitionen bekannt zu geben. Auch bei Rechtslage vor dem 2. WÄG hätte der Mieter die Grundlage seines Ersatzanspruches, nämlich die Art und den Zeitpunkt der Aufwendungen und die damaligen Kosten bekannt geben müssen und den Betrag nennen, der als Wert verblieben sei. Diesem Bestimmtheitserfordernis entspreche die Anzeige im vorliegenden Fall nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig, weil von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgegangen worden sei.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Stattgebung des verfahrenseinleitenden Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Rekursbeantwortung zu erstatten Gebrauch gemacht und beantragt darin, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist schon deshalb zulässig, weil sich der vorliegende Sachverhalt von dem in der Entscheidung WoBl 1994/13 durch die eigenhändige Unterschrift des mit dem Formgebot Belasteten unterscheidet.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die bereits mehrfach zitierte Entscheidung WoBl 1994/13, 70 hatte ebenfalls das Formgebot des § 10 Abs 4 MRG und die Frage, ob die dort geforderte "Schriftlichkeit" auch "Unterschriftlichkeit" bedeute, zu beurteilen. Im dortigen Fall war jedoch der Name des Mieters im Anspruchsschreiben nur maschinschriftlich ausgeführt worden, das Anspruchsschreiben enthielt keine Originalunterschrift. Für einen Fall wie den hier gegenständlichen, nämlich dass dem Telefax eine Originalunterschrift - wenn auch fernkopiert - angefügt war, hat bereits Würth (in Kritik der Entscheidung WoBl 1994/13, 70 f) angeregt, die "überschießende Begründung" dieser Entscheidung zu überdenken. Gründe man die Ablehnung der Zulässigkeit eines Fax auf die größere Fälschungsgefahr gegenüber der Forderung nach Einhaltung einer Schriftform, dann müsste eine teleologische Reduktion dort einsetzen, wo nach menschlichem Ermessen keine Fälschungsgefahr bestehe. Wer sollte etwa die Geltendmachung der Ansprüche eines Mieters zu dessen Gunsten zu Lasten des Vermieters in einem an den Vermieter gerichteten Telefax fälschen (so Würth aaO)? Auch Rummel (in JBl 1994, 113) hat in Besprechung dieser Entscheidung zu bedenken gegeben, dass für gewisse Formvorschriften nach Maßgabe des Formzwecks doch demjenigen der Einwand des Formmangels zu versagen sei, der eine im Übrigen ordnungsgemäße schriftliche Erklärung statt im Original durch Fax übermittelt erhalten habe.

Auch Swoboda (in MR 1998, 4) spricht sich für einen Fall wie den des § 10 Abs 4 MRG dafür aus, der fehlenden Fälschungsgefahr doch (im Unterschied zu anderen Erklärungen) eine Bedeutung zuzuerkennen. Der erkennende Senat hat in 5 Ob 77/98d bei Prüfung des Erfordernisses der Schriftlichkeit einerseits bei Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages und andererseits bei der notwendigen Abgabe einer Verpflichtungserklärung des Vermieters, den Erhaltungsbeitrag in bestimmter Weise zu verwenden (§ 14d Abs 4 WGG iVm § 45 Abs 2 MRG), untersucht, "ob der Schutzzweck der Norm die pedantische Einhaltung der Schriftform im Sinn der Unterschriftlichkeit fordern lasse oder ob eine andere im Geschäftsleben gebräuchlich gewordene Mitteilungsform als ausreichend angesehen werden könne" (SZ 69/107). In jenem Fall hatte eine gemeinnützige Wohnungs-AG den Mietern zur erstmaligen Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag ein Schreiben zugesendet, das keine eigenhändige Unterschriften enthielt, sondern bloß eine Unterzeichnung mit "Dr. O. ... eh; Dr. M. ... eh". Im Folgenden wurde dahin differenziert, dass die in § 14d Abs 4 WGG vorgeschriebene "schriftliche Bekanntgabe" der Einforderung des EVB nicht eigenhändig vom Vermieter unterfertigt sein müsse. Der Zweck des Schriftlichkeitsgebots liege nämlich offenbar darin, dem Mieter eine Urkunde zukommen zu lassen, die ihm den genauen Inhalt der Entscheidung seines Vermieters vor Augen führe und ihn in die Lage versetze, die Zulässigkeit der begehrten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zu überprüfen bzw überprüfen zu lassen. Dazu genüge eine nicht unterfertigte Urkunde, wie etwa auch auf Formerfordernisse bei der Ausstellung einer Vollmacht verzichtet werden könne, wenn das für das Ausführungsgeschäft geltende Formgebot nur der Feststellung des genauen Inhalts des Rechtsgeschäftes diene (WoBl 1994/45, 188). Anders verhalte es sich allerdings mit der schriftlich abzugebenden Verpflichtungserklärung der gemeinnützigen Bauvereinbarung, die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bestimmungsgemäß zu verwenden. Hier solle das Formgebot offensichtlich den Mieter schützen, weshalb eine Schriftlichkeit wohl nicht aus Gründen der Übereilungsschutzes, wohl aber zu Beweissicherungszwecken zu fordern sei.

Der Gesetzgeber hat diese Entscheidung im Übrigen zum Anlass genommen, durch die WRN 1999 (Art II Abschnitt I Z 36) § 45 Abs 2 MRG dahin zu novellieren, dass für die einzuhaltende Schriftform einer erstmaligen Vorschreibung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen samt Verpflichtungserklärung geregelt wurde: Zur Erfüllung der Schriftform reicht bei automatisationsunterstützt hergestellten Erklärungen anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden auch die drucktechnische Ausfüllung von dessen Namen aus (vgl dazu den AB abgedruckt in Würth/Zingher WohnR 99 Anm 3 zu § 45 MRG). Diese Grundsätze, die der erkennende Senat betreffend die schriftliche "Bekanntgabe" der Einforderung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag entwickelt hat, sind auch für die schriftliche "Anzeige" eines Ersatzanspruchs für Aufwendungen nach § 10 Abs 4 MRG anzuwenden. Hier handelt es sich bloß um eine Anzeige zur Fristwahrung für eine spätere gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Eine Verpflichtung welcher Art auch immer oder Fälligkeit eines Anspruchs ergibt sich für den Vermieter daraus nicht. Dem Zweck der Anzeige, nämlich den Vermieter in die Lage zu versetzen, über künftige Forderungen des Mieters zu disponieren und sich über deren allfällige Berechtigung zu informieren, wird dadurch ausreichend genüge getan, dass der Vermieter schriftlich die Art der Aufwendungen und die Höhe des geforderten Betrags mitgeteilt erhält. Eine Fälschungsgefahr besteht nach der Lebenserfahrung nicht. Durch die telekopierte Unterschrift des Mieters, die dem Vermieter schon wegen des Charakters des Dauerschuldverhältnisses bekannt sein muss, kann bei letzterem auch kein Zweifel darüber aufkommen, dass in Zusammenhang mit der Auflösung des Bestandverhältnisses eine solche Erklärung tatsächlich vom Mieter stammt.

Für die in § 10 Abs 4 MRG geforderte schriftliche Anzeige ist daher die auch im privaten Schriftverkehr üblich gewordene Mitteilungsform durch Telefax ausreichend, um der drohenden Präklusion des Anspruchs zu begegnen.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes genügte es nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. WÄG, dass in einer Anzeige gemäß § 10 Abs 4 MRG Aufwendungen während der Mietdauer dargelegt und die Höhe des behaupteten Anspruchs genannt wird. Weitere, durch die gesetzliche Bestimmung nicht gedeckte Anforderungen würden zu einer Überspannung der Pflicht des Mieters führen. Ganz allgemein darf an eine solche Anzeige zur Wahrung eines Ersatzanspruchs keine über die gesetzlichen Anforderungen hinaus an ihren Inhalt ein zu strenger Maßstab angelegt werden (vgl MietSlg 37.273/42). Insoweit ist der Antragsgegnerin und der von ihr zitierten zweitinstanzlichen Rechtsprechung entgegenzutreten.

Das maßgebliche Telefaxschreiben Beilage ./A genügt diesen Anforderungen, weil aus der Gesamtheit der Schilderung des Zustands der Wohnung bei Anmietung und der Notwendigkeit der Mängelbehebung in Zusammenhang mit den behaupteten Sanierungsarbeiten eine Darlegung der Aufwendungen in diesem Sinn entnommen werden kann. Zutreffend haben die Vorinstanzen den Zeitpunkt des Zustandekommens der außergerichtlichen Auflösungsvereinbarung als maßgeblich angesehen (MietSlg 39.275/18).

Das hat, wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, zur Folge, dass der Ersatzanspruch des Antragstellers zwar insoweit präkludiert ist, als sie nach dem 1. 3. 1991 getätigt wurden. Für danach liegende Zeiträume wären nämlich zur Vermeidung einer Präklusion des Anspruchs Rechnungen anzuschließen gewesen.

Derzeit lässt sich aber mangels erstgerichtlicher Feststellungen noch nicht beurteilen, welche Investitionen davon umfasst sind, sodass eine Aufhebung zur Prüfung unumgänglich war.

Der Einwand der Revisionsrekurswerberin, eine Aufhebung sei infolge Unterlassung eines entsprechenden Antrags im Rekursverfahren unzulässig, steht die ständige Rechtsprechung entgegen, wonach jeder Abänderungsantrag auch einen Aufhebungsantrag enthält (vgl Kodek in Rechberger² Rz 4 zu § 471 ZPO mit Rechtsprechungshinweisen). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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