OGH 1Ob248/02f

OGH1Ob248/02f25.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Carlton H*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 9.767,22 sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2002, GZ 5 R 88/02a-39, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Februar 2002, GZ 26 Cg 78/00v-32, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Für die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanzen war die Auslegung des § 35 der Auktionsbedingungen der klagenden Partei von entscheidender Bedeutung. Die klagende Partei vermeint nun, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liege deshalb vor, weil in Österreich mehr als 100 Unternehmen existierten, deren Geschäftsgegenstand die Versteigerung von beweglichen Gütern bildet, wobei deren Versteigerungsbedingungen einander weitgehend glichen und mehrere dieser Auktionsbedingungen Regelungen enthielten, die mit den Bestimmungen des § 35 der Auktionsbedingungen der klagenden Partei übereinstimmten.

Selbst wenn man von dieser Darstellung ausginge, könnte die von den Vorinstanzen gelöste Auslegungsfrage nicht als zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erheblich angesehen werden. Fragen der Vertragsauslegung haben regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl nur MR 1989, 210, RZ 1994/45, MietSlg 51.116 uva). Eine erhebliche Rechtsfrage kann nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht bei der Auslegung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (EFSlg 88.157 uva), insbesondere wenn die Auslegung von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung krass abweicht (MietSlg 50.547 ua). Dass allenfalls die Geschäftsordnungen anderer Unternehmer jenen der klagenden Partei "weitgehend gleichen" und "mehrere" dieser Auktionsbedingungen Regelungen enthielten, die mit der hier zu beurteilten Vertragsklausel in den Bedingungen der klagenden Partei übereinstimmten, ändert daran grundsätzlich nichts. Von einer krassen Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht kann aber keineswegs gesprochen werden. Dieses hat die Regelung "Wenn der Meistbietende nicht bereit ist, zumindest den vom Auktionshaus festgesetzten Mindestverkaufspreis zu bieten, kann der Auktionator einen Zuschlag" unter Vorbehalt "erteilen" dahin verstanden, dass damit nur jener Fall geregelt werde, bei dem dem Bietenden noch während der Auktion - also vor dem "Zuschlag unter Vorbehalt" - die Gelegenheit gegeben wird, sein Angebot so zu gestalten, dass er zumindest den vom Auktionshaus festgesetzten Mindestverkaufspreis bietet. Dieses Auslegungsergebnis erscheint insbesondere auch unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 915 ABGB keineswegs bedenklich. Dass dem Beklagten noch vor Erteilung des "Zuschlags unter Vorbehalt" die Möglichkeit gegeben worden wäre, sein Angebot zu erhöhen, behauptet die klagende Partei selbst nicht. Aber auch bei einer anderen, vernünftiger Weise vertretbaren Auslegung wäre für die klagende Partei nichts gewonnen. Soweit in § 35 Abs 1 der Auktionsbedingungen der klagenden Partei davon die Rede ist, dass der Meistbietende nicht bereit ist, zumindest den vom Auktionshaus "festgesetzten Mindestverkaufspreis" zu bieten, liegt es nahe, von dieser Regelung überhaupt nur jene Fälle zu erfassen, in denen dem Bieterpublikum - bzw zumindest dem einzelnen Bieter - spätestens vor Abgabe der Gebote bekanntgegeben wird, dass für das betreffende Versteigerungsobjekt ein Mindestverkaufspreis festgesetzt wurde. Entgegen der Auffassung der klagenden Partei wird keineswegs auf das zwischen dem Eigentümer und dem Auktionshaus vereinbarte Limit abgestellt, sondern vielmehr auf den "vom Auktionshaus festgesetzten" Mindestverkaufspreis. Die Auslegung der klagenden Partei liefe darauf hinaus, dass es ihr freistünde, gleichsam im Geheimen, einen Mindestverkaufpreis festzusetzen und dies erst nach dem letzten Gebot im Zuge der Versteigerung offenzulegen. Ein solches Verständnis kann der fraglichen Bestimmungen in den Auktionsbedingungen aber bei vernünftiger und redlicher Auslegung schon deshalb nicht beigemessen werden, weil sonst dem Missbrauch - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - Tür und Tor geöffnet wären.

Eine weitere erhebliche Rechtsfrage soll nach Auffassung der Revisionswerberin darin liegen, dass die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 862 ABGB auf (Kunst-)Auktionen vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden ist. Da die klagende Partei jedoch in keiner Weise aufzeigt, weshalb insoweit ein Abweichen von den allgemeinen Regeln des Vertragsschlusses bzw der Bindung an mündliche Anbote gerechtfertigt sein sollte, erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage. Ein sachlicher Grund für eine besondere Behandlung von Vertragsofferten in Form von Geboten bei einer Versteigerung ist auch nicht zu erkennen. Gerade dort geht der durchschnittliche Bieter - soweit in Versteigerungsbedingungen nichts anderes geregelt ist - typischerweise davon aus, dass er unmittelbar im Anschluss an sein Gebot erfährt, ob sein Kaufoffert (durch Zuschlag) angenommen wird. Eine Annahme "unter Vorbehalt" vermag die gesetzliche Bindungsfrist des § 862 ABGB nicht zu verlängern. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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