OGH 1Ob199/02z (1Ob211/02i)

OGH1Ob199/02z (1Ob211/02i)25.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Rene W*****, geboren am *****, und der mj Sara W*****, geboren am *****, infolge der Revisionsrekurse des Vaters Ing. Herbert W*****, vertreten durch Offer & Partner KEG, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht

a) vom 7. Juni 2002, GZ 53 R 31/02a-108, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 8. Mai 2002, GZ 4 P 130/00m-96, aufgehoben wurde, und

b) vom 19. Juli 2002, GZ 53 R 37/02h-116, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 4. Juni 2002, GZ 4 P 130/00m-105, abgeändert wurde,

in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 7. 6. 2002 (ON 108) wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 19. 7. 2002 (ON 116) wird hingegen Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Eltern der beiden Minderjährigen leben getrennt; ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Beide Elternteile beantragten zunächst die Übertragung der alleinigen Obsorge jeweils an den Antragsteller. In der Folge zog die Mutter ihren Antrag in Ansehung ihres Sohnes zurück, was sie damit begründete, dass dieses (Adoptiv-)Kind bereits mehrere Trennungen habe verkraften müssen, und sie ihm eine abermalige Trennung von seinem heimatlichen Wohnsitz ersparen wolle. Daraufhin sprach das Erstgericht unter Bezugnahme auf einem Bericht der Jugendwohlfahrt aus, dass die Obsorge für den mj Rene in Hinkunft dem Vater allein zustehe (Punkt 1 in ON 10). Den von der Mutter gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht zurück, weil die Mutter der Übertragung der Obsorge für den mj Rene an den Vater zugestimmt habe und es ihr deshalb an der für die Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels erforderlichen Beschwer mangle. Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs gab der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. 3. 2001 (ON 46) Folge, weil im Rahmen der Obsorgezuteilung auch die von der Mutter nach erstinstanzlicher Beschlussfassung vorgebrachten Neuerungen beachtlich seien, zumal ihnen die Eignung nicht abgesprochen werden könne, die Entscheidungsgrundlage zu verändern. Demnach wurde die Obsorgeentscheidung aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Mit Beschluss vom 7. 2. 2001 (ON 30) wies das Erstgericht den Antrag der Mutter, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, ab und sprach aus, dass der Vater berechtigt sei, dieses Kind umgehend von der Wohnung der Mutter abzuholen, und die Mutter verpflichtet sei, das Kind dem Vater herauszugeben. Die Mutter sei Ende November 2000 zu ihren Eltern ins Burgenland verzogen. Anfang Jänner 2001 habe sie den Antrag gestellt, die beim Vater verbliebenen Kinder für zwei Wochen zu sich nehmen zu können. Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts sei ihr für die Zeit vom 20. 1. bis 3. 2. 2001 ein Besuchsrecht für beide Kinder eingeräumt worden. Sie habe die Minderjährigen am 20. 1. 2001 beim Vater abgeholt; diesem sei aufgetragen worden, die Kinder nach Ablauf der zwei Wochen wieder zu sich zu nehmen. Bei der Abholung habe die Mutter die Übergabe der mj Sara verweigert. Am 2. 2. 2001 habe sie die Übertragung der einstweiligen Obsorge beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass das Kind eine äußerst enge Bindung zur Mutter entwickelt habe und bei einer Trennung sein Wohl massiv gefährdet sei. Die Übertragung der einstweiligen Obsorge an die Mutter sei jedenfalls nicht möglich, ohne den psychischen und physischen Gesundheitszustand der Mutter abgeklärt zu haben. Es sei unglaubwürdig, dass ein 14-tägiger Aufenthalt des Kindes bei der Mutter derartige Änderungen hervorgerufen habe, die eine massive Gefährdung des Kindeswohls vermuten ließen. Die Mutter habe das Kind, das seit der Trennung der Eltern überwiegend beim Vater gewesen sei, herauszugeben.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 23. 2. 2001 (ON 33) insoweit auf, als der Antrag der Mutter auf Übertragung der einstweiligen Obsorge für die mj Sara abgewiesen worden war, und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht seine Entscheidung ohne Beweisaufnahme und lediglich nach Einholung einer Äußerung des Vaters getroffen habe. Es bestätigte aber die Entscheidung des Gerichts erster Instanz insoweit, als die Herausgabe des Kindes angeordnet worden war. Es entspreche nicht dem Kindeswohl, wenn das Kind während eines behängenden Obsorgeentscheidungsverfahrens zwischen den Eltern hin- und hergerissen werde. Seit ihrer Geburt habe sich Sara in der vormaligen Ehewohnung in Tirol aufgehalten, und ein Pflegeplatzwechsel würde das Kindeswohl gefährden. Überdies sei eine Trennung der Kinder nicht wünschenswert.

Dem gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs der Mutter gab der erkennende Senat nicht Folge. Sara befinde sich seit ihrer Geburt in Tirol und sei nach Trennung der Eltern beim Vater verblieben. Der rechtmäßig begründete Pflegeplatz sei nach wie vor beim Vater, und ein Wechsel wäre nur dann vorzunehmen, wenn dies infolge besonders wichtiger Gründe im Interesse des Kindes angebracht erschiene (ON 46).

Mit Beschluss vom 8. 6. 2001 (ON 63) übertrug das Erstgericht die einstweilige Obsorge für die mj Sara der Mutter und setzte diese Verfügung gemäß § 12 Abs 1 AußStrG sofort in Vollzug. Entgegen seiner dem Pflegschaftsrichter erteilten Zusage habe der Vater die mj Sara am 16. 4. 2001 zurück nach Tirol gebracht. Seit dieser Zeit werde sie tagsüber von einer Tagesmutter betreut. Der Vater habe - bis auf Widerruf - ab 1. 5. 2001 eine Reduktion seiner wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 30,5 Stunden erreicht, und kümmere sich in verantwortungsvoller Weise um seine Kinder. Die Mutter bewohne seit 1. 3. 2001 (im Burgenland) eine möblierte Mietwohnung, die sehr sauber gehalten und zweckmäßig eingerichtet sei. Die monatliche Miete betrage S 5.300. Seit April 2001 erhalte sie von der Bezirksverwaltungsbehörde zur Sicherung ihres Lebensbedarfs eine monatliche Unterstützung von S 5.000. Für den Fall der Annahme einer Halbtagsarbeit stehe ihr in ihrem Wohnort ein Ganztagskindergarten zur Verfügung. Bis September 2001 würde ihre 60-jährige Mutter die Betreuung des Kindes übernehmen, ab September 2001 könne auch der Kindergarten besucht werden. Mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern habe die Mutter begonnen, ihr Leben neu zu ordnen. Bei der Mutter liege eine "reaktive Störung" (Erschöpfungsdepression oder Anpassungsstörung) in klarem situativem Zusammenhang mit einer Überforderungssituation vor. Es könne prognostiziert werden, dass mit Konsolidierung der familiären Situation (Rückkehr ins Elternhaus mit Unterstützung der Großfamilie) eine Besserung und Stabilisierung der Psyche der Mutter eintreten werde, auch wenn neue Probleme auftauchen sollten. Sie zeige sich einsichtig gegenüber ihrer Krankheit, und der psychische Status der Mutter stelle auch bei bestehender Rückfallsmöglichkeit dann kein Hindernis gegen eine Übertragung der Obsorge für die mj Sara dar, wenn eine ausreichende Ersatzbetreuung in der Familie gesichert sei und die Behandlungsbereitschaft der Mutter weiterhin bestehe. Sie könne mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern und Geschwister rechnen. Seit der Trennung von ihrem Ehemann gehe es der Mutter psychisch wieder gut. Beide Kinder seien aber immer wieder in das elterliche Spannungsfeld hineingezogen. In der Vergangenheit hätten beide Elternteile nach Maßgabe der jeweiligen Situation für die beiden Kinder gesorgt. Dass die Mutter im Verlauf ihrer psychischen Erkrankung nicht als vollwertige Bezugsperson der Kinder zur Verfügung stand, könne ihr nicht vorgeworfen werden. Mittlerweile sei ihre Erziehungsfähigkeit wieder gegeben. Der Vater sei ein guter und flexibler Organisator, er sei den Kindern ein guter und verantwortungsbewusster Vater gewesen. Beide Kinder fühlten sich sowohl mit der Mutter wie auch mit dem Vater eng und loyal verbunden. Beim Vater sei - im Gegensatz zur Mutter - ein "Mehr an Fremdbetreuung" für die mj Sara nötig. Zwischen Rene und Sara bestehe eine "qualitativ bedeutsame Bindung". Würden beide Kinder bei einem Elternteil aufwachsen, hieße dies, "auf die Ressourcen des anderen Elternteils zu verzichten und der Geschwisterbeziehung zuviel an Dynamik und Kraft zuzumuten". Dazu käme, dass die Kinder bisher immer wieder voneinander getrennt gewesen seien. Die Bindung an einen Elternteil sei wichtiger als die geschwisterliche Bindung. Deshalb habe der vom Gericht bestellte Kinder- und Jugendpsychologe angeregt, die Obsorge für die mj Sara auf die Mutter und jene für den mj Rene auf den Adoptivvater zu übertragen. Damit werde beiden Elternteilen ermöglicht, ihre Ressourcen besser in die Erziehung einzubringen. Kleinkinder sollten der Erfahrung nach möglichst bei der Mutter untergebracht werden. Kleine Mädchen wiesen in der Regel eine besondere Bindung zur Mutter auf. Da die Obsorge für die mj Sara im Sinne dieser Ausführungen an die Mutter zu übertragen sein werde, liege es im Interesse dieses Kindes, schon jetzt zu seiner Mutter zu kommen, die sich zumindest derzeit noch ausschließlich um das Kind kümmern könne. Es sei dem Wohl des Kindes entsprechend, dass es der Mutter "nicht länger vorenthalten" werde. Das Wohl des Kindes sei dann gefährdet, wenn es nur im Rahmen des vom Vater gestatteten Kontakts Zugang zur Mutter hätte, auch wenn dem Vater nicht abzusprechen sei, dass er für seine Tochter ein ausgezeichneter Vater gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit Beschluss vom 23. 11. 2001 (ON 83). Beide Elternteile hätten durch eigenmächtige Vorgangsweise zur Verunsicherung der mj Sara beigetragen. Seit der Vorentscheidung des Rekursgerichts vom 23. 2. 2001 habe sich die Sachlage geändert. Es sei zum Wohle der mj Sara, die einstweilige Obsorge für sie der Mutter zu übertragen. Dies ergebe sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten, das bereits eine endgültige Obsorgeentscheidung rechtfertige. Die grundsätzlich nicht erwünschte Trennung der Geschwister müsse in Kauf genommen werden, weil der dreijährigen Tochter "nicht die Mutter genommen werden sollte". Ein Kleinkind bedürfe ganz besonders der mütterlichen Obsorge und des ständigen Kontakts mit seiner Mutter. Dem Grundsatz der Erziehungskontinuität käme nur untergeordnete Bedeutung zu, weil mit der Trennung der Eltern ohnehin ein Bruch dieser Erziehungskontinuität verbunden gewesen sei. Es stehe zwar nicht fest, bei welchem Elternteil infolge beruflicher Verpflichtungen ein größerer Fremdbetreuungsanteil notwendig sein werde, müsse doch auch die Mutter in Hinkunft einer Berufstätigkeit nachgehen. Dies sei aber nicht entscheidungswesentlich. Aus psychiatrischer und kinderpsychiatrischer Sicht bestehe kein Einwand gegen eine Übertragung der Obsorge an die Mutter, sofern eine ausreichende Ersatzbetreuung in deren Familie gesichert sei und die Behandlungsbereitschaft der Mutter weiterhin bestehe. Sie könne mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern und Geschwister rechnen, es liege eine "gute Krankheitseinsicht und ein adäquates Störungsbewusstsein" bei ihr vor. Derzeit sei sie jedenfalls erziehungsfähig und habe ausreichend Rückhalt und Kontrolle durch ihre Familie, weshalb insgesamt die Zuweisung der Obsorge für die mj Sara an deren Mutter gerechtfertigt sei.

Der erkennende Senat änderte diese Entscheidung des Rekursgerichts mit Beschluss vom 2. 4. 2002 (ON 93a) dahin ab, dass der Antrag der Mutter, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, abgewiesen wurde. Bereits in der Entscheidung vom 27. 3. 2001 (ON 46) habe der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass ein Wechsel des rechtmäßig begründeten Pflegeplatzes - beim Vater in Tirol - nur dann vorzunehmen wäre, wenn dies infolge besonders wichtiger Gründe im Interesse des Kindes angebracht erschiene. Solche besonders wichtige Gründe lägen nicht vor. Bis zur endgültigen Entscheidung über die Obsorgezuteilung habe das Kind - auf Basis des derzeit ermittelten Sachverhalts - beim Vater Aufenthalt zu nehmen. "Der Vollständigkeit halber" hielt der erkennende Senat fest, dass er das Verfahren über die endgültige Zuteilung der Obsorge bereits für entscheidungsreif halte. Unter Darstellung der im Obsorgeverfahren maßgeblichen Grundsätze wurde klargestellt, dass - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die besseren Pflege- und Erziehungsverhältnisse beim Vater vorlägen und vieles dafür spreche, die Obsorge für beide Kinder dem Vater zu übertragen. Es sei ehestens eine Entscheidung über die endgültige Zuteilung der Obsorge für die beiden Kinder zu treffen.

Nach Abhaltung einer Tagsatzung am 7. 5. 2002 übertrug das Erstgericht mit Beschluss vom 8. 5. 2002 (ON 96) dem Vater die endgültige Obsorge für die beiden Kinder. Das Erstgericht sei an die vom Obersten Gerichtshof in dessen Beschluss vom 2. 4. 2002 geäußerte Rechtsansicht gebunden. Die vom Höchstgericht ins Treffen geführten Argumente seien "nicht zu kritisieren". Dass sich die mj Sara zwischenzeitig bei der Mutter gut eingelebt habe, sei angesichts des langen Zeitraums als selbstverständlich zu betrachten. Die Vorlage eines (psychologischen) Sachverständigengutachtens durch die Mutter habe keine Änderung der Entscheidungsgrundlagen bewirkt. Der rechtmäßig begründete Pflegeplatz der mj Sara befinde sich beim Vater in Tirol, weshalb die Mutter das Kind bis zur endgültigen Obsorgeentscheidung nicht bei sich hätte behalten dürfen. Es gehe nicht an, nunmehr damit zu argumentieren, dass "ein Herausnehmen aus dieser Situation" für die weitere Entwicklung des Kindes risikoreich sei. In Ansehung der Obsorge für den mj Rene habe die Mutter die gutachterliche Empfehlung des Sachverständigen akzeptiert und sich damit einverstanden erklärt, dass der Vater die Obsorge für dieses Kind erhalte.

Das Rekursgericht hob mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 7. 6. 2002 diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es mangle an Feststellungen über die im Zeitpunkt der Entscheidung vorherrschende tatsächliche Situation. Diese Feststellungen ließen sich durch den Verweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 2. 4. 2002 nicht ersetzen, weil das Höchstgericht keine Rechtsansicht überbunden, vielmehr nur eine solche im Verfahren über die Zuteilung der einstweiligen Obsorge geäußert habe.

In der Folge beantragte der Vater - gemäß § 19 Abs 1 AußStrG -, die Mutter durch "umgehende Setzung entsprechender Maßnahmen zur sofortigen Herausgabe" der mj Sara an den Vater, bei dem der rechtmäßig begründete Pflegeplatz bestehe, zu verhalten. Die Mutter weigere sich nämlich beharrlich, das Kind herauszugeben bzw zur Abholung bereit zu stellen.

Daraufhin trug das Erstgericht der Mutter mit Beschluss vom 4. 6. 2002 (ON 105) auf, dem Vater binnen einer Woche die mj Sara zu übergeben und den Übergabetermin telefonisch zu vereinbaren. "Sollte die Mutter dieser Anordnung" nicht entsprechen, so sei dieses Kind gemäß § 19 AußStrG der Mutter abzunehmen und dem Vater zu übergeben; die zwangsweise Abnahme habe durch geeignete Organe des Jugendwohlfahrtsträgers zu erfolgen, und die Amtshandlung nötigenfalls durch Inanspruchnahme von Beamten des zuständigen Gendarmeriepostens zu sichern. Es begründete diese Entscheidung damit, dass der rechtmäßig begründete Pflegeplatz des Kindes nach wie vor beim Vater sei und die Mutter das Kind nicht freiwillig herausgebe. Dem Argument der Mutter, die Wegnahme des Kindes sei mit massivsten negativen Folgen für das Kind verbunden, könne nicht nähergetreten werden, weil die Mutter selbst einen rechtswidrigen Zustand geschaffen und beibehalten habe.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung vom 19. 7. 2002 (ON 116) dahin ab, dass es den Antrag des Vaters, die Mutter durch umgehende Setzung entsprechender Maßnahmen zur sofortigen Herausgabe der mj Sara an den Vater zu verhalten, abwies; es sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Beschluss des Erstgerichts vom 8. 5. 2002 (ON 96), mit dem dem Vater die Obsorge für die mj Sara übertragen worden sei, sei vom Rekursgericht aufgehoben worden, sodass die Verfügung des Gerichts, zu deren Durchsetzung das Erstgericht Maßnahmen nach § 19 Abs 1 AußStrG angeordnet habe, nicht mehr bestehe. Auf diese Veränderung der Verhältnisse habe Rücksicht genommen werden müssen. Die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in dessen Entscheidung vom 2. 4. 2002, wonach das Kind bis zur endgültigen Entscheidung über die Obsorgezuteilung beim Vater Aufenthalt zu nehmen habe, stellten keine "Verfügung im Sinne des § 19 Abs 1 AußStrG" dar, und daher sei eine Vollstreckung auf Grund dieser Ausführungen nicht möglich.

Der Revisionsrekurs des Vaters gegen den Aufhebungsbeschluss vom 7. 6. 2002 (ON 108) ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Hingegen ist der Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 19. 7. 2002 (ON 116) sowohl zulässig wie auch berechtigt.

A) Zum Beschluss vom 7. 6. 2002 (ON 108):

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht stellte zutreffend dar, dass das Erstgericht an die "der Vollständigkeit halber" beigefügten Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in dessen Beschluss vom 2. 4. 2002, soweit es um die Übertragung der endgültigen Obsorge für die beiden Kinder geht, nicht im Sinne des (analog anzuwendenden) § 511 Abs 1 ZPO gebunden war. Die zitierte Vorentscheidung betraf die Übertragung der einstweiligen Obsorge für die mj Sara und nicht die endgültige Zuweisung dieses Kindes an einen Elternteil. Die Frage, ob der Mutter die einstweilige Obsorge für die mj Sara zukomme, wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 2. 4. 2002 endgültig und abschließend erledigt. Über die endgültige Obsorge befand der Oberste Gerichtshof nicht; er äußerte, um die Entscheidung über diese tunlichst zu beschleunigen, lediglich seine Rechtsansicht, wie - auf Basis des zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Sachverhalts (siehe S 9 in 1 Ob 50/02p) - die Obsorgeentscheidung auszufallen hätte. Damit war aber keine "Zurückverweisung der Sache" in der Frage nach der endgültigen Obsorge verbunden, sodass eine Bindung im Sinne des § 511 Abs 1 ZPO nicht eintreten konnte. Lediglich an eine in einem Aufhebungsbeschluss im Verfahren zur Entscheidung über die endgültige Obsorge ausgesprochene Rechtsansicht wären die Vorinstanzen - und im Übrigen auch der Oberste Gerichtshof selbst - gebunden (9 ObA 183/98x; 1 Ob 574/84; 4 Ob 83/72); lediglich in diesem Fall erübrigte sich die Wiederholung der bereits im vorherigen Rechtsgang getroffenen Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen (RZ 1982/56). Die Entscheidung über die vorläufige Obsorge für ein Kind ist der Sache nach eine Provisorialentscheidung, so dass die Vorinstanzen, aber auch der Oberste Gerichtshof selbst im Hauptverfahren mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmung - selbst wenn sich die Sachlage nicht änderte - an die im Provisorialverfahren geäußerte Rechtsansicht nicht gebunden sind (6 Ob 2155/96x; 4 Ob 168/89; JBl 1977, 156).

Das bedeutet, dass das Gericht erster Instanz auf die mittlerweiligen Vorbringen und Beweisanbote der Eltern Bedacht zu nehmen, entsprechende Tatsachenfeststellungen zu treffen und diese einer (eigenen) rechtlichen Beurteilung zu unterziehen hat.

Dem Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 7. 6. 2002 (ON 108) ist daher ein Erfolg zu versagen.

B) Zum Beschluss des Rekursgerichts vom 19. 7. 2002 (ON 116):

Zwar kann die Anwendung angemessener Zwangsmittel im Sinne des § 19 Abs 1 AußStrG nicht auf den in zweiter Instanz kassierten Beschluss des Erstgerichts vom 8. 5. 2002 (ON 96) gestützt werden, und die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 2. 4. 2002 (ON 93a), nach denen das Kind bis zur endgültigen Entscheidung über die Obsorge beim Vater Aufenthalt zu nehmen haben werde, sind auch keine "ergangene Verfügung" im Sinne des § 19 Abs 1 AußStrG, die die Anwendung angemessener Zwangsmittel rechtfertigte, das Rekursgericht übersieht aber, dass die Mutter nach wie vor verpflichtet ist, die mj Sara dem Vater "umgehend" herauszugeben: Der das anordnende erstinstanzliche Beschluss (ON 30) ist nach Erschöpfung des Instanzenzugs (ON 33 und 46) in Rechtskraft erwachsen. Dennoch befolgt die Mutter diese Verfügung des Gerichts nicht, obwohl der Oberste Gerichtshof in der Folge abermals dargelegt hat, dass der rechtmäßig begründete Pflegeplatz nach wie vor beim Vater sei (1 Ob 50/02p = ON 93a).

Diese Anordnung ist bereits Ende April 2001 - durch Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 27. 3. 2001 - wirksam geworden, sodass seither bereits etwa 1 ½ Jahre verstrichen sind. Auf eine Änderung der Verhältnisse ist im Interesse des Kindeswohls stets Bedacht zu nehmen. In Anbetracht des Vorbringens der Mutter, dass die Trennung der Minderjährigen von ihr für jene immens nachteilig wäre und dem Kindeswohl zuwiderliefe, ist eine sofortige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich. Das Erstgericht wird unter Bedachtnahme auf die allenfalls zwischenzeitig eingetretenen Änderungen im Hinblick auf das Kindeswohl neuerlich zu beurteilen haben, ob ein Zwangsmittel im Sinne des § 19 Abs 1 AußStrG in Anwendung zu bringen ist.

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