OGH 10ObS308/02w

OGH10ObS308/02w22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Claudia M*****, vertreten durch DDr. Manfred Walter, Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 2002, GZ 12 Rs 77/02h-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. November 2001, GZ 18 Cgs 89/01y-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 22. 11. 1946 geborene Klägerin war bis 1989 als Sekretärin in der Anwaltskanzlei ihres verstorbenen Ehegatten beschäftigt. Anschließend war sie in einem Modemarkt als Angestellte in der Information tätig. Seit 1996 arbeitete sie in demselben Unternehmen als Verpackerin. Sie ist noch in der Lage, leichte Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen 8 Stunden täglich ohne überdurchschnittliche Arbeitspausen zu verrichten. Alle 30 Minuten ist ein Wechsel der Körperhaltung erforderlich. Das Heben und Tragen von Lasten ist bis zu einem Gewicht von 5 kg möglich. Zu vermeiden sind insbesondere Arbeiten mit häufigen Bückbelastungen und in länger vorgebeugter Körperhaltung sowie Arbeiten mit dem rechten Arm über Schulterhöhe. Ebenfalls zu vermeiden sind Arbeiten unter ständigem Zeitdruck, wie zB Akkord- und Fließbandarbeiten; ein durchschnittliches Arbeitstempo ist aber möglich. Ausgeschlossen sind weiters Nacht-, Schicht- und Wechseldienste sowie eine ständige stärkere Lärmbelastung am Arbeitsplatz. Unmöglich sind auch Arbeiten, die ein besonderes Feingefühl der ersten drei Finger (Daumen bis Mittelfinger) der rechten Hand erfordern. Diese Funktionseinschränkung geht auf ein Carpaltunnel-Syndrom zurück, das jedoch behandelbar ist, sodass innerhalb weniger Monate eine entsprechende Besserung erwartet werden kann. Unter Berücksichtigung dieses Leistungskalküls sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Krankenstände im Ausmaß von 5 bis 6 Wochen jährlich anzunehmen.

Mit Bescheid vom 9. 2. 2001 hat die beklagten Partei den Antrag der Klägerin vom 24. 7. 2000 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung der Berufsunfähigkeitspension ab 1. 8. 2000 gerichtete Klagebegehren mangels Berufsunfähigkeit der Klägerin ab. Die Klägerin sei imstande, die bis 1996 ausgeübte Tätigkeit in der Informationsaufnahme auszuüben.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht als gegeben an, verneinte eine Aktenwidrigkeit, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich die Frage, ob der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten sei, im Fall der Klägerin nach § 273 Abs 1 ASVG richte, weil sie zur Pensionsversicherung der Angestellten leistungszugehörig sei und während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht überwiegend oder zumindest in gleichem Ausmaß Versicherungsmonate aufgrund einer Beschäftigung als Arbeiterin erworben habe; nur in diesem Fall käme aber die sinngemäße Anwendung des § 255 ASVG in Betracht. Ein Versicherter, der überwiegend eine Angestelltentätigkeit verrichtet habe, dürfe nämlich nicht auf eine (Arbeiter-)Tätigkeit verwiesen werden, durch deren Ausübung er den Berufsschutz nach § 273 ASVG verlieren würde. Eine - wenn auch zuletzt, aber nicht überwiegend ausgeübte - Tätigkeit als Arbeiter habe daher bei der Bestimmung des Verweisungsfeldes nach § 273 ASVG außer Betracht zu bleiben. Zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei der unmittelbar vor der Arbeitertätigkeit ausgeübte Beruf einer Angestellten in der Informationsaufnahme heranzuziehen. Da die Klägerin nach dem festgestellten Leistungskalkül noch in der Lage sei, diese Tätigkeit zu verrichten, könne sie nicht berufsunfähig sein. Auf die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt komme es nach ständiger Rechtsprechung nicht an.

Soweit die Klägerin schließlich ihren Ausschluss vom Arbeitsmarkt aufgrund jährlicher Krankenstände von zumindest 7 Wochen geltend mache, gehe sie nicht von der festgestellten Prognose (Krankenstände im Ausmaß von lediglich 5 bis 6 Wochen jährlich) aus. Erst mit hoher Wahrscheinlichkeit und trotz zumutbarer Krankenbehandlung zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von mindestens 7 Wochen jährlich würden einen Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschießen. Ergebe sich eine Krankenstandsprognose nur innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite, sei der niedrigste der möglichen Zeitwerte zugrunde zu legen.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). In der Revision wird zusammengefasst der Standpunkt vertreten, die Klägerin dürfe nicht auf eine seit sechs Jahren nicht mehr ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden. Außerdem sei sie aufgrund der Krankenstandsprognose vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Diesen Revisionsausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Pensionsversicherung der Angestellten stellt eine Berufs-(gruppen-)versicherung dar, deren Leistungen einsetzen, wenn der (die) Versicherte in Folge seines (ihres) körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner (ihrer) Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann; dabei ist im Allgemeinen von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der (die) Versicherte zuletzt ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, also die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (SSV-NF 2/92; RIS-Justiz RS084904). Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht dargestellt, dass für die Beurteilung des Verweisungsfeldes von der letzten nicht bloß vorübergehend ausgeübten Angestelltentätigkeit auszugehen ist (siehe etwa SSV-NF 6/135 bei einer zuletzt zwanzig Jahre vor dem Stichtag als Buchhalterin beschäftigt gewesenen Versicherten). Dies wird auch von Grillberger (Österreichisches Sozialrecht5 74 f) und Brodil/Windisch-Graetz (Sozialrecht in Grundzügen3 133) nicht in Zweifel gezogen; sie weisen lediglich auf die Ansicht hin, nach der eine Beurteilung von einer früher ausgeübten (Angestellten-) Tätigkeit zuzulassen sei, sofern dafür höhere Qualifikationen notwendig waren und die zuletzt ausgeübte (Angestellten-) Tätigkeit nicht aus freier Entscheidung aufgenommen worden ist (siehe näher SSV-NF 8/45 und 12/123).

Sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Krankenstände im Ausmaß von 5 bis 6 Wochen jährlich anzunehmen, liegt darin kein Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt (SSV-NF 12/79; RIS-Justiz RS0113471; RIS-Justiz RS0084429 [T18]).

Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Berufsunfähigkeitspension verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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