OGH 13Os28/02

OGH13Os28/0216.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gottfried G*****, wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a Abs 1 StGB und weiterer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 29. Oktober 2001, GZ 612 Hv 307/01f-114, weiter über die Beschwerde gemäß § 494a Abs 4 (§ 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Gottfried G***** der Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a Abs 1 StGB (A.) und der Schlepperei nach § 104 Abs 1, Abs 3 und Abs 5 FrG (B.) schuldig erkannt.

Danach hat er unter Beibehaltung der Gliederung und Formulierung des (mit Beschluss ON 124 dem Wortlaut der mündlichen Verkündung angeglichenen) Ersturteils

"Spruch A

A.) sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der Schlepperei ausgerichtet war, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebte und die sich auf besondere Weise, durch ständigen Wechsel der zur Verständigung benutzten Mobiltelefone, durch Verwendung falscher Namen und unrichtiger Dokumente sowie unter Ausnützung ihrer schwierigen persönlichen Unterscheidbarkeit gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte, nämlich den nachgenannten, hierarchisch gegliederten, arbeitsteilig von China über Ungarn, die Slowakei und Tschechien in Österreich operativ tätigen Gruppen durch ihre unter Punkt B.) dargestellte Tätigkeit als Mitglieder beteiligt, und zwar:

Spruch A/1

1.) in jener mit der Bezeichnung "Vietnam Yong"

a.) der abgesondert Verfolgte Chi Dung T***** in der Zeit von Ende 1999 bis 4. Dezember 2000;

b.) der abgesondert Verfolgte Jian W***** in der Zeit von 1999 bis 13. Juli 1999 und in der Zeit von 12. November 1999 bis 4. Dezember 2000;

c.) der abgesondert Verfolgte Nhat Linh H***** in der Zeit von 11. Jänner 2000 bis 4. Dezember 2000;

d.) der abgesondert Verfolgte Xiao Fung C***** in der Zeit von 2. März 2000 bis 18. Oktober 2000;

e.) der abgesondert Verfolgte Pin F***** in der Zeit von 2. März 2000 bis 21. Oktober 2000;

f.) der abgesondert Verfolgte Guoqing L***** in der Zeit von 7. September 2000 bis 29. Oktober 2000;

g.) der abgesondert Verfolgte Yongjun H***** von Ende 1999 bis 27. November 2000;

h.) der abgesondert Verfolgte Jinming L***** in der Zeit von Ende 1999 bis 20. November 2000;

i.) der abgesondert Verfolgte Lan Y***** in der Zeit von Oktober 2000 bis 1. Dezember 2000;

j.) der abgesondert Verfolgte Xiaorong C***** in der Zeit von Ende 1999 bis 21. April 2000;

k.) der abgesondert Verfolgte Tianhu C***** in der Zeit von August 1999 bis 20. Jänner 2000 sowie

l.) der abgesondert Verfolgte G***** in der Zeit von Ende 1999 bis 1. November 2000;

m.) der abgesondert Verfolgte Xiaohai X***** in der Zeit von Ende 1999 bis 7. Juli 2000;

n.) der abgesondert Verfolgte Meiyun H***** in der Zeit von März 2000 bis 4. Dezember 2000;

o.) der abgesondert Verfolgte Andreas L***** in der Zeit von Oktober 2000 bis 4. Dezember 2000;

p.) der abgesondert Verfolgte Minh Bang T***** in der Zeit von 8. Juni 2000 bis Ende 2000;

q.) Gottfried G***** in der Zeit von April 2000 bis 7. September 2000;

r.) der abgesondert Verfolgte Helmut Josef V***** in der Zeit von

März 2000 bis August 2000.

Spruch B

B.) fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande die rechtswidrige Einreise von Fremden (chinesischen Staatsangehörigen), die aus ihrem Heimatland unter Verwendung falscher Dokumente in die Tschechische Republik und nach Ungarn und von dort nach Österreich und dann in andere Staaten Europas gebracht wurden, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringen Vermögensvorteil für ihn oder für einen anderen geschieht, nämlich

Spruch B/I

I.) Gottfried G*****, der in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur fortgesetzten Begehung der Schlepperei führend tätig war, hinsichtlich einer nicht mehr feststellbaren Gesamtzahl von ca. 300 chinesischen Staatsangehörigen dadurch, dass er gegen ein - der Höhe nach nicht bekanntes - Entgelt für jede Person, an deren Schleppung er unmittelbar beteiligt war, in der Zeit von April 2000 bis 2. Juli 2000 und am 7. September 2000

a.) mit der Aktivität in seiner Bande die Tätigkeit der in Österreich gleichzeitig agierenden weiteren Banden, die einander wechselseitig Hilfe gaben, unterstützte;

b.) unter Absprache mit den abgesondert verfolgten Ferdinand H*****, Dinh Du D***** (bekannt unter dem Namen "Jirka" - als Auftraggeber), Jiri S*****, Petr B*****, Milos F***** (bekannt unter dem Namen "David") sowie den rechtskräftig verurteilten Rudolf H*****, Helmut Josef V*****, Alexander K*****, Alfred A*****, Peter B*****, Robert P*****, Christian L***** und Stefan T***** durch Bereitstellung der Transporteure als Schlepper für den rechtswidrigen Grenzübertritt aus der Tschechischen Republik und die Übernahme u.a. durch Naht Linh H***** nach der Grenze (in Gmünd, Hardegg, Tulln, Göttelsbrunn, Großraum Wien) organisierte, in zwei Fällen auch die Schlepper zur Sicherung des Transportes begleitete;

c.) die Bezahlung der Fahrzeugschlepper in der Höhe von 100,-- USD vornahm."

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3, 5, 5a, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des (vor dem Schöffengericht im Wesentlichen nur die subjektive Tatseite bestreitenden) Angeklagten, welche jedoch fehl geht.

Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet eine fehlende Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Verfahrens dadurch, dass in der Hauptverhandlung "formell" Teile des Aktes vorgelesen worden wären, zufolge des Aktenumfanges jedoch "praktisch überhaupt nicht kontrolliert werden könne", was tatsächlich verlesen worden sei, so sei insbesondere hinsichtlich der Organisationen nichts erwähnt worden. Schließlich sei dem Angeklagten im Zuge dieser Verlesungen nicht die Möglichkeit geboten worden zu erklären, ob etwas hiezu zu bemerken wäre. Mit dem ersteren Vorbringen werden indes konkrete Tatumstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen, weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung angeführt; eine von Amts wegen vorzunehmende "Nachkontrolle" wie sie dem Rechtsmittelwerber ersichtlich vorschwebt, ist hiezu dem Nichtigkeitsverfahren fremd. Zur angeblich unterbliebenen Verlesung betreffend die Organisationen genügt es, auf das Hauptverhandlungsprotokoll insbesondere auf Seite 287/VIII zu verweisen (dessen Berichtigung nicht begehrt wurde), sodass sich die Beschwerde als aktenfremd erweist. Zur behaupteten mangelnden Gelegenheit zur Abgabe von Stellungnahmen zu den Verlesungen reicht der Hinweis, dass ein allfälliger Verstoß gegen § 252 Abs 3 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist (vgl Abs 4).

Soweit sich die unbegründete Verfahrensrüge auch als Mängelrüge (Z 5) wegen in der Hauptverhandlung nicht vorgekommener Beweise, nämlich betreffend die Organisationen und einer angeblich erst am 11. Dezember 2001 abgelegten Aussage des Rostisla M***** darstellt, genügt es, zu ersterem auf die bereits oben dargelegte Aktenwidrigkeit des Vorbringens sowie dessen mangelnde Prozessförmigkeit zufolge Fehlens der Behauptung, auf die tatsächliche Vorlesung oder Vorführung sei nicht verzichtet worden (WK-StPO § 281 Rz 460 f, 464), zu letzterem auf die mit Beschluss ON 124 diesbezüglich vorgenommene Urteilsberichtigung zu verweisen, wodurch der Beschwerde der Boden entzogen wird.

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft die Feststellung, dass der Angeklagte bei der Schlepperei führend tätig gewesen wäre (US 40) mit der Behauptung, dass die Begründung hiefür, nämlich die angebliche Auszahlung von Schlepperlohn durch den Angeklagten, vollkommen ins Leere gehe. Abgesehen von der fehlenden Logik dieser Erwägung finde sich nämlich "mangels eines entsprechenden Beweisverfahrens" hiefür kein Argument, wie auch die "gesamten Urteilsausführungen keinen Anhaltspunkt" hiefür geben würden.

Einmal mehr bleiben die Ausführungen, Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls und der Urteilsgründe US 40 f missachtend, teils aktenfremd, teils werden Argumente für die angeblich fehlende Denkrichtigkeit der von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse nicht dargelegt. Dass aus den formell einwandfrei ermittelten Prämissen allenfalls auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die ihm ungünstigeren entschieden haben, ist ein Ausfluss der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), die mit der Mängelrüge unbekämpfbar ist.

Die undifferenzierte, auch Elemente der Mängel (Z 5) und Rechtsrüge (Z 9 lit a bzw Z 10) enthaltende Tatsachenrüge (Z 5a) zeigt keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachenfeststellungen auf, sondern bekämpft unzulässig, nämlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung, die Beweiswürdigung der Tatrichter. Die inhaltlich eine Rechtsrüge nach Z 9 lit a darstellende Beschwerdemeinung, aus dem gemäß § 20 StGB bemessenen Abschöpfungsbetrag ergebe sich ein im Einzelnen bloß geringfügiger Vermögensvorteil, wodurch der Tatbestand der Schlepperei nicht erbracht sei, übersieht, dass der Schuldspruch auch wegen eines (nicht bloß geringfügigen) und unbestritten gebliebenen Vermögensvorteils für einen anderen erfolgte.

Ohne aktenmäßige Grundlage behauptet die Tatsachenrüge (als Mängelrüge) ein Unterbleiben des Beweisverfahrens für Tathandlungen des Angeklagten nach den 30. Juni 2000; inhaltlich als Rechtsrüge vermisst sie auch Feststellungen hiezu, übergeht jedoch prozessordnungswidrig, dass solche ohnedies getroffen wurden (US 29 f).

Der sowohl von der Rechtsrüge als auch nach Z 8 als Anklageüberschreitung bekämpfte Schuldspruch wegen nach dem 1. Juli 2000 (Inkrafttreten BGBl 2000/34), aber außerhalb des 1. und 2. Juli sowie 7. September 2000 und insbesondere nach dem 18. September 2000 begangener Taten, geht zufolge diesbezüglicher Urteilsangleichung (ON 127) ins Leere.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen und die (implizierte) Beschwerde das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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