OGH 12Os49/02 (12Os50/02)

OGH12Os49/02 (12Os50/02)3.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Strafsache gegen Natascha R***** wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB, AZ 1 U 81/00t des Bezirksgerichtes Güssing, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Güssing vom 2. Juli 2001, GZ 1 U 81/00t-21, und des Landesgerichtes Eisenstadt vom 12. November 2001, AZ 10 Bl 21/01 (ON 26 des Aktes AZ 1 U 81/00t des Bezirksgerichtes Güssing), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl und des Verteidigers Dr. Tobler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Güssing vom 2. Juli 2001, GZ 1 U 81/00t-21, wurde Natascha R***** des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie vom 13. bis 20. Juni 2000 und vom 1. bis 10. August 2000 in Rauchwart zur Abhaltung eines Spiels veranstaltete Zusammenkünfte gefördert, um sich aus diesen Zusammenkünften einen Vermögensvorteil zuzuwenden, indem sie die Räumlichkeiten ihres Lokals "Natis Sun Pub" für das Aufstellen verbotener Glücksspielautomaten zur Verfügung stellte.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen wurden in den Betriebsräumlichkeiten der Verurteilten insgesamt vier verbotene Spielapparate mit darin eingebauten Spielen sichergestellt, deren Ausgang vom Spieler mit einer nicht über 50 Prozent liegenden Wahrscheinlichkeit zu beeinflussen war. Die Höchsteinsätze pro Spiel betrugen je nach Gerät zwischen 5 S und 50 S. Eine Gewinnauszahlung an die Spieler erfolgte nicht, vielmehr konnten allfällige Gewinne allein durch Verrechnung als Spieleinsatz zum Weiterspielen verwendet werden. Eine Retournierung nicht verbrauchter Spieleinsätze war ausgeschlossen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Bezirksgericht Güssing davon aus, dass der Umstand, ob die Gewinne tatsächlich an die Spieler ausbezahlt würden, rechtlich nicht von Bedeutung sei. Im Hinblick darauf, dass die Teilnehmer zu Serienspielen veranlasst wurden, könne auch nicht davon gesprochen werden, dass lediglich um geringe Beträge gespielt worden sei.

Der gegen dieses Urteil von Natascha R***** erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld gab das Landesgericht Eisenstadt als Berufungsgericht mit Urteil vom 12. November 2001, AZ 10 Bl 21/01 (ON 26 des Aktes AZ 1 U 81/00t des Bezirksgerichtes Güssing) keine Folge. Dem Berufungseinwand, ein Glücksspiel liege mangels Auszahlung der Gewinnsumme nicht vor, begegnete auch das Rechtsmittelgericht mit dem Hinweis, dass für die Frage der Bejahung eines Glücksspiels iSd § 168 Abs 1 StGB allein entscheidend sei, ob bei den angebotenen Spielen Gewinn oder Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen. Ob hingegen die Gewinne an die Spieler bar ausbezahlt oder als Spieleinsatz verrechnet würden, sei nur unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsbegrenzung in Form eines Spieles bloß zum Zeitvertreib von Relevanz.

Die Generalprokuratur vertritt in ihrer deshalb gegen die bezeichneten Urteile erhobenen Beschwerde gemäß § 33 StPO die Auffassung, dass die dargelegte Auslegung das Gesetz in § 168 StGB verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist zwar, dass die von dieser Bestimmung umfassten Spiele die durch den Spieler nicht entscheidend beeinflussbare Möglichkeit voraussetzen, einen in einem Vermögenswert bestehenden Gewinn zu erzielen (arg.: "es sei denn, dass ... bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird").

Daraus folgt jedoch nicht die von der Beschwerde vertretene These, dass der Gewinn in einer vom Spielgeschehen unabhängigen Leistung, "die der Spieler nach Beendigung des Spiels auch mit sich nehmen oder sonst konsumieren kann", bestehen müsse und somit das Gewähren von Freispielen ohne Ablösemöglichkeit insoweit nicht genüge. Davon, dass eine derartige Gewinnverrechnung keinen Vermögenswert darstellt, geht ersichtlich auch die Generalprokuratur nicht aus. Ein derartiger Standpunkt ließe sich angesichts dessen, dass sich der Spieler in diesem Fall den Aufwand eines dem Gewinn entsprechenden Spieleinsatzes erspart, auch nicht mit Erfolg vertreten. Andere Gründe für die Rechtsmeinung der Generalprokuratur sind ihrer Beschwerdeargumentation nicht zu entnehmen. Dass es sich bei der hier in Rede stehenden Konstellation um keine Ausspielung iSd § 2 GSpG handelt (Erlacher, Glücksspielgesetz2, S 13), ist aufgrund des unterschiedlichen Regelungsinhaltes dieses Gesetzes bedeutungslos. Maßgebender Zweck des § 168 StGB ist der Schutz des Vermögens des Spielers (RV 313), weshalb ein Glücksspiel im Gegensatz zum strafrechtlich nicht verpönten Geschicklichkeits- oder (harmlosen) Unterhaltsspiel dann vorliegt, wenn ausschließlich oder vorwiegend der Zufall über den Spielausgang als eine für den Verlierenden zu einem Vermögensverlust führende Tatsache entscheidet (Höpfel, Probleme des Glücksspielsstrafrechts, ÖJZ 1978, 421, 422). Diese Kriterien sind auch dann erfüllt, wenn der Gewinn nicht bar oder in Sachwerten ausgezahlt sondern als weiterer Spieleinsatz verrechnet wird.

Gerade in diesem Fall führt - anders als bei der, wenn auch geringen, Chance auf Erzielung eines Geldgewinnes - jedes verlorene Spiel bei gleichzeitig daraus resultierendem Vermögensvorteil für den Spielveranstalter unwiderbringlich zum Vermögensverlust des Spielers. Relevanz kann der von der Beschwerde angesprochenen Form der Gewinnverrechnung - wie vom Erst- und Berufungsgericht richtig erkannt - demnach nur unter den Gesichtspunkt eines Spieles bloß zum Zeitvertreib zukommen.

Diese Voraussetzung ist bei der Beschränkung des Gewinns auf Freispiele zwar durchaus zu bejahen; eine Straffreiheit käme jedoch in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn überdies nur um geringe Beträge gespielt worden wäre.

In dieser Richtung wurde von der Generalprokuratur keine Beschwerde erhoben.

Auch eine Vorgangsweise nach § 290 Abs 1 StPO scheidet im vorliegenden Fall aus.

Mag auch die Frage, ob ein Spiel um geringe Beträge vorliegt, im Allgemeinen nach der Höhe des jeweiligen einzelnen Einsatzes zu beurteilen sein (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 12 und 13), kommt eine derartige Sicht dann nicht in Betracht, wenn - wie hier - vom Spielveranstalter Rahmenbedingungen geschaffen wurden, etwa dadurch, dass am Spielautomaten für die Höhe des Einzeleinsatzes zugunsten von Beträgen außerhalb der Geringfügigkeitsgrenze nicht einmal eine Einwurfsmöglichkeit vorgesehen ist (ON 15, S 17 f des Aktes AZ 1 U 81/00t des Bezirksgerichtes Güssing), die insgesamt ein Serienspiel sowohl auf Veranstalter- als auch auf Spielerseite als objektiv sicher und auch so gewollt erscheinen lässt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

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