OGH 10ObS171/02y

OGH10ObS171/02y17.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gustav Liebhart und Peter Schönhofer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elisabeth H*****, Pensionstin, *****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Werner P*****, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Februar 2002, GZ 9 Rs 298/01m-16, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Jänner 2001, GZ 5 Cgs 170/00i-10, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum vom 1. 7. bis 31. 12. 1999 eine monatliche Ausgleichszulage von EUR 134,83 (S 1.855,30) zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin zum Rückersatz der von der beklagten Partei im Zeitraum 1. 7. bis 31. 12. 1999 als jederzeit verrechenbarer Vorschuss geleisteten Ausgleichszulage nicht verpflichtet ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 664,47 (S 9.143,28, darin EUR 110,74 = S 1.523,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit EUR 243,20 (darin EUR 40,53 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 166,66 (darin EUR 27,78 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei eine Pensionsleistung, die im Jahr 1999 eine Höhe von monatlich S 5.856,70 hatte. Am 20. 9. 1999 hat die beklagte Partei der Klägerin mitgeteilt, dass die Ausgleichszulage ab 1. 7. 1999 noch nicht feststellbar sei und daher aus dem Titel Ausgleichszulage als jederzeit verrechenbarer Vorschuss ein Betrag von S 1.855,30 monatlich angewiesen wird. Die Klägerin hat demnach im Zeitraum 1. 7. 1999 - 31. 12. 1999 folgende monatliche Leistung von der beklagten Partei erhalten:

Pension S 5.856,70

Ausgleichszulage (Vorschuss) S 1.855,30

S 7.712,00

abzüglich Krankenversicherungsbeitrag S 289,20

monatlicher Anweisungsbetrag S 7.422,80

Die Klägerin ist Eigentümerin der mit einer fideikommissarischen Subsitution zugunsten ihrer Cousine belasteten Liegenschaft EZ 21 KG G*****. Diese Liegenschaft besteht aus landwirtschaftlichen Flächen im Ausmaß von 5,7023 ha mit einem Einheitswert von S 14.666,--, forstwirtschaftlichen Flächen von 9.0510 ha mit einem Einheitswert von S 11.766,-- sowie unproduktiven Flächen von 0,2013 ha ohne Einheitswert. Vom Gesamteinheitswert von gerundet S 26.000,-- entfallen 44,51 % auf die forstwirtschaftlichen Flächen. Die Grundsteuer und die Finanzabgaben für die Liegenschaft betragen jährlich S 787,--, wovon ein Betrag von S 304,-- auf die landwirtschaftlichen Flächen entfällt. Die landwirtschaftlichen Flächen sind seit 1980 verpachtet; im Jahr 1999 betrug der Pachtschilling S 4.300,-- jährlich.

Die Klägerin hat seit 1995 keinerlei Bewirtschaftungsmaßnahmen hinsichtlich der forstwirtschaftlichen Flächen gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Nutzbare im Raubbau gerodet. Wiederaufforstungen wurden mangels verfügbarer Geldmittel nicht durchgeführt. Die Heranziehung fremder Personen zu Verrichtungen im Wald wurde seitens des Sachwalters der Klägerin aufgrund einer durch den Altbaumbestand gegebenen Gefahrenlage verboten.

Mit Bescheid vom 17. 4 2000 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass der Klägerin die Ausgleichszulage vom 1. 7. 1999 bis 31. 12. 1999 mit monatlich S 894,30 gebührt, dass der Vorschuss gegen die Nachzahlung aufgerechnet wird und dass der zu viel bezogene Vorschuss von insgesamt S 9.443,50 mit der zu erbringenden Leistung verrechnet wird.

Diesem Bescheid liegt folgende Berechnung der Ausgleichszulage für

den Zeitraum 1. 7. - 31. 12. 1999 zugrunde:

Pension S 5.856,70

pauschale Anrechnung von Einkünften

aus den forstwirtschaftlichen Flächen

(§ 149 Abs 5 GSVG) S 1.028,00

Anrechnung von (tatsächlichen) Einkünften

aus den landwirtschaftlichen Flächen S 333,00

S 7.217,70

Richtsatz S 8.112,00

Ausgleichszulage S 894,30

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. 7. 1999 bis 31. 12. 1999 eine monatliche Ausgleichszulage von S 1.391,30 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von S 464,-- (monatlich) ab. Bei der Berechnung der Ausgleichszulage sei hinsichtlich der landwirtschaftlichen Flächen ein tatsächliches Einkommen von monatlich S 333,-- anzurechnen. Werde die Bewirtschaftung eines land(forst-)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, so sei bei der Ermittlung des Einkommens vom Einheitswert der Fläche auszugehen. Als monatliches Einkommen gelte bei alleinstehenden Personen bei einem Einheitswert von S 54.000,-- und darüber ein Betrag von 30 % des jeweiligen Richtsatzes nach § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG, gerundet auf volle Schilling. Für Einheitswerte unter S 54.000,-- verminderten sich diese Beträge im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswerts zu den genannten Einheitswerten, gerundet auf volle Schilling (§ 149 Abs 7 GSVG). Die bloße Aufgabe der Bewirtschaftung eines land(forst-)wirtschaftlichen Betriebes bewirke grundsätzlich die Pauschalanrechnung nach § 149 Abs 7 GSVG. Der Anrechnungsbetrag

errechne sich somit mit S 531,-- (S 8.112,-- x 0,3 = S 2.433,60 :

54.000,-- x 11.766,-- = S 530,25). Die Anwendung des § 149 Abs 8 GSVG

komme nicht in Betracht. Die Voraussetzungen dafür seien nur dann gegeben, wenn der land(forst-)wirtschaftliche Betrieb (die Betriebsführung) dem Betriebsinhaber gegen dessen Willen entzogen worden sei (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung), wenn der Betrieb durch höhere Gewalt (Feuer oder sonstige Elementarereignisse) zerstört worden sei oder wenn örtliche Verhältnisse (Grenzlandgebiet) bzw sonstige Gegebenheiten (ungünstige Produktionsverhältnisse) zur Betriebseinstellung gezwungen hätten, ohne dass die Fortsetzung der Betriebsführung durch andere Personen als zumutbar gewertet werden könne. Diese Voraussetzungen lägen im gegenständlichen Fall nicht vor, da die Klägerin den nunmehrigen Zustand der Flächen durch Unterlassung der erforderlichen Maßnahmen selbst verursacht habe und die Begünstigung nur jenen Pensionsbeziehern zuteil werden solle, die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hätten, vom Bezug jeglicher Naturalleistungen aus einem aufgegebenen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb ausgeschlossen seien.

Ausgehend vom Richtsatz von S 8.112.-- ergebe sich somit abzüglich der Pension von S 5.856,70, abzüglich der Einkünfte der aus den landwirtschaftlichen Flächen von S 333,-- und abzüglich der pauschal anzurechnenden Einkünfte aus den forstwirtschaftlichen Flächen von S 531,-- eine Ausgleichszulage der Klägerin von S 1.391,30 monatlich. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung beider Parteien dieses Urteil mit der Maßgabe, dass es um einen Ausspruch ergänzt wurde, wonach die Aufrechnung mit den von der beklagten Partei vorschussweise erbrachten Leistungen im Umfang von S 6.461,50 (EUR 469,58) zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die von beiden Seiten bekämpfte Rechtsansicht des Erstgerichts treffe zu, dass für die Anrechnung von Einkünften aus den forstwirtschaftlichen Flächen § 149 Abs 7 GSVG maßgeblich sei. Unter „Aufgabe" eines land(forst-)wirtschaftlichen Betriebes - worunter auch ein einzelnes Grundstück zu subsumieren sei - sei auch die bloße Einstellung der Bewirtschaftung ("Brache") zu verstehen. Die Klägerin habe den Beweis dafür erbracht, dass sie im Jahr 1995 die Bewirtschaftung der bis dahin forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf Dauer eingestellt habe; für die Anwendung einer gesetzlichen Vermutung (§ 2 Abs 1 Z 1 Satz 2 BSVG) oder die Heranziehung einer aus § 12 ForstG abgeleiteten Verpflichtung des Waldbesitzers zur Bewirtschaftung bleibe daher kein Raum. Für das Ausgleichszulagenrecht sei allein die tatsächliche Aufgabe der Bewirtschaftung maßgeblich.

Andererseits würden die Voraussetzungen für die Begünstigung des § 149 Abs 8 GSVG auf die Klägerin nicht zutreffen. Weder ein Mangel an finanziellen Mitteln noch die über sie verhängte Sachwalterschaft stellten eine berücksichtigungswürdige Härtesituation dar. Die ob der Liegenschaft angeordnete fideikommissarische Substitution schränke zwar ihre Rechtsstellung in Bezug auf die Substanz der Liegenschaft ein, hindere sie jedoch nicht, daraus Erträge zu erzielen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig (RIS-Justiz RS0115428); sie ist auch berechtigt.

Nach § 149 Abs 8 GSVG idF der 16. GSVG-Novelle, BGBl 1989/643, hat eine Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (Verpächters) zu unterbleiben, wenn die Gewährung von Gegenleistungen (Ausgedingsleistungen) aus einem übergebenen (aufgegebenen) land(forst-)wirtschaftlichen Betrieb in Geld oder Güterform (landwirtschaftliche Produkte, unentgeltlich beigestellte Unterkunft) aus Gründen, die der Einflussnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, am Stichtag zur Gänze ausgeschlossen oder später unmöglich geworden ist. Diese Nichtanrechnung hat so lange zu geschehen wie die angeführten Voraussetzungen zutreffen und die Unterlassung der Erbringung von Ausgedingsleistungen dem Ausgleichszulagenwerber nicht zugerechnet werden kann. Die Regierungsvorlage führt dazu aus, dass in jenen Fällen, in denen aus Gründen, die der Einflussnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, die Erbringung von Ausgedingsleistungen unmöglich (geworden) ist, eine Pauschalanrechnung überhaupt unterbleiben soll. Nach den Vorstellungen der Regierungsvorlage sind diese Voraussetzungen dann gegeben, wenn der Betrieb (die Betriebsführung) dem Betriebsinhaber gegen seinen Willen entzogen worden (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung), wenn der Betrieb durch höhere Gewalt (Feuer bzw sonstige Elementarereignisse) zerstört worden ist oder wenn örtliche Verhältnisse (Grenzlandgebiet) bzw sonstige Gegebenheiten (ungünstige Produktionsverhältnisse) zur Betriebseinstellung gezwungen haben, ohne dass die Fortsetzung der Betriebsführung durch andere Personen als zumutbar gewertet werden kann. Im Vordergrund hat daher immer die Tatsache zu stehen, dass eine Ermittlung des Einkommens (Anrechnung) zur Feststellung des Ausgleichszulagenanspruchs nur in jenen Fällen zu unterbleiben hat, in denen das Fehlen jeglicher Naturalversorgung aus dem Betrieb dem ehemaligen Betriebsinhaber nicht zugerechnet werden kann. Nach den weiteren Vorstellungen der RV wird etwa eine Betriebsauflösung durch freihändige Veräußerung ohne zwingende Gründe die genannten Voraussetzungen ebensowenig erfüllen können wie eine Betriebseinstellung trotz möglicher Bewerber für eine Fortführung; auch ein Verzicht des Ausgleichszulagenwerbers auf Ausgedingsleistungen kann die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Begünstigung soll daher, um den notwendigen Mehraufwand in vertretbaren Grenzen zu halten, ausschließlich jenen Pensionsbeziehern zuteil werden, die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, vom Bezug jeglicher Naturalleistungen ausgeschlossen sind, und zwar solange, wie diese Voraussetzungen zutreffen (1101 BlgNR 17. GP; siehe auch SSV-NF 5/84 und 8/117).

Bei der Prüfung, ob der Einflussnahme des Ausgleichszulagenbeziehers entzogene Gründe vorliegen, die die Gewährung von Gegenleistungen aus einer Verwertung des Betriebes bzw Betriebsaufgabe unmöglich machten, ist auf den Zeitpunkt der Verwertung bzw Aufgabe des Betriebes abzustellen. Wie die Anführung des Beispiels Zwangsversteigerung in den Gesetzesmaterialien zeigt, verhindern wirtschaftliche Fehlleistungen, die zur Betriebsaufgabe gezwungen haben, die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 149 Abs 8 GSVG nicht, weil dieser Bestimmung kein pönaler Charakter bezüglich wirtschaftlicher Fehlleistungen zukommt (in diesem Sinn SSV-NF 8/117 zur Verwertung des Betriebes). Vielmehr soll das Mindesteinkommen eines Pensionisten gesichert werden, der im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe außer Stande ist, ein Einkommen aus Ausgedingsleistungen zu erzielen. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen sind auf dieser Grundlage die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 149 Abs 8 GSVG im vorliegenden Fall zu bejahen, ist doch festgestellt, dass bis zu der von der beklagten Partei nicht weiter bekämpften Betriebsaufgabe im Jahr 1995 das Nutzbare aus den forstwirtschaftlichen Flächen im Raubbau gerodet wurde und Wiederaufforstungen mangels verfügbarer Geldmittel nicht durchgeführt wurden. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt (Aufgabe der Nutzung der forstwirtschaftlichen Liegenschaften) und auch für die darauffolgende Zeit die Erzielung von (Ausgedings-)Leistungen aus dem aufgegebenen Betrieb nicht möglich war. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SSV-NF 8/117 ausgesprochen, dass es der Gesetzgeber in Kauf genommen hat, dass auf diese Weise ein schlecht wirtschaftender

Land- und Forstwirt gegenüber einem gut Wirtschaftenden hinsichtlich

der Ausgleichszulage bevorzugt wird. Die Frage, ob eine Substanzverwertung den Anspruch auf Ausgleichszulage entgegensteht, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da die Liegenschaft nur einer fideikommissarischen Subsumtion zugunsten der Cousine der Klägerin belastet ist.

Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 149 Abs 8 GSVG sind bei der Ermittlung der Einkünfte nur die Erträge aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen heranzuziehen. Die Höhe der Ausgleichszulage ist im maßgeblichen Zeitraum wie folgt zu berechnen:

Pension S 5.856,70

Anrechnung von (tatsächlichen) Einkünften aus den landwirtschaftlichen Flächen S 333,00

S 6.189,70

Richtsatz S 8.112,00

Fiktive Ausgleichszulage monatlich S 1.922,30

Ausgleichszulage laut Klagebegehren S 1.855,30

EUR 134,83

Da die entsprechend dem Klagebegehren zustehende Ausgleichszulage genau dem vorschussweise gezahlten Betrag entspricht, scheidet eine Verrechnung aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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