OGH 14Os105/02

OGH14Os105/0210.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kubina als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Eberhard C***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und anderer Straftaten über dessen Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. August 2002, AZ 11 Bs 325/02, GZ 10 Ur 180/02b-102 des Landesgerichtes Klagenfurt, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dr. Eberhard C***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom vom 1. August 2002, AZ 11 Bs 325/02, gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die vom Untersuchungsrichter mit Beschluss vom 12. Juli 2002, GZ 10 Ur 180/02-60, verfügte Aufhebung der am 7. Juni 2002 über Dr. Eberhard C***** verhängten Untersuchungsfhaft Folge und setzte diese aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO fort. Darnach richtet sich gegen den Beschuldigten der dringende Verdacht, er habe in V*****

1) als Facharzt für Gynäkologie von 1994 oder 1995 bis Juni 2002 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in 20.000 bis 25.000 Fällen Bedienstete von Krankenkassen durch Täuschung über die Tatsache, dass er in Rechnung gestellte Zellabstriche vom Gebärmutterhals keiner labortechnischen Untersuchung zuführte, zu deren Honorierung im Gesamtbetrag von 46.235,26 EUR verleitet;

2) indem er die Weitergabe dieser Zellabstriche zur labortechnischen Untersuchung unterließ, fahrlässig unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine bislang unbekannte Anzahl von Frauen am Körper verletzt, schwer verletzt, getötet oder eine Gefahr für deren Leben oder Gesundheit herbeigeführt;

3) am 4. Juni 2002 durch die telefonische Aufforderung an Dr. K*****, dem Dr. R***** auszurichten, dieser schwebe in Lebensgefahr, weil ein rumänischer Scharfschütze ihn töten werde, Dr. R***** mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und hiedurch

zu 1) das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB,

zu 2) mehrere Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB, der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 3 (§ 81 Z 1) StGB, der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall (§ 81 Z 1) StGB oder der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB und

zu 3) das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu.

Offenbar unzureichend nach § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO ist die Begründung des dringenden Tatverdachtes nur dann, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht und solcherart geradezu willkürlich erscheint. Auch im Fall bloßer Scheingründe hätte das Gericht den Rahmen des gesetzlichen Beweiswürdigungsermessens überschritten (13 Os 64/02). Für den (vorläufigen) Schluss von der unterlassenen labortechnischen Untersuchung einer Anzahl von 20.000 bis 25.000 Zellabstrichen auf jeweils zumindest mehrere solcherart fahrlässig getötete, (auch schwer) verletzte oder an Leben oder Gesundheit gefährdete Frauen trifft dies auch ohne gutächtlich belegten Kausalzusammenhang nicht zu (2).

Warum die vorgebliche (krankheitsbedingte) Selbsteinschätzung, "die Zellabstriche selbst hinsichtlich der Möglichkeit einer Erkrankung begutachten" zu können, der Täuschung über den Umstand, dass diese keiner labortechnischen Untersuchung zugeführt wurden (1), im Wege stehen soll, macht die Beschwerde nicht deutlich (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG). Mit der Behauptung, dass die Täuschung bei größerer Vorsicht hätte erkannt werden können, stellt sie keine entscheidende Tatsache in Frage.

Einen Schuldbeweis verlangt § 180 Abs 1 erster Satz StPO, der Beschwerdeauffassung zuwider, nicht.

Indem der Beschwerdeführer ausdrücklich vom dringenden Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betruges mit einem Strafrahmen von einem bis zu 10 Jahren "absieht", gesteht er die mangelnde Anwendbarkeit des § 180 Abs 3 erster Satz StPO selbst zu.

Der Beschwerdehinweis auf eine Zinsbelastung aus Bankschulden im Inland, die nach der Haftentlassung bislang unterlassene Flucht und Übertreibungstendenzen an manisch-depressivem Irresein Erkrankter können mit Blick auf die Tragfähigkeit der vom Oberlandesgericht dem Haftgrund der Fluchtgefahr zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen (Zeugenaussagen von Andeutungen des Beschuldigten, über Geld im Ausland zu verfügen im Verein mit den Angaben einer, wenngleich dem Gericht nicht namentlich bekannten Patientin, wonach dieses ihm dazu dienen sollte, nach seiner Arzttätigkeit im Ausland zu leben, die Aufforderung des Beschuldigten an Frau und Tochter, „alles Geld einzusammeln", da er so bald wie möglich nach Odessa flüchten wolle, soziale Ächtung durch mediale Berichterstattung, weitgehend fehlendes Inlandsvermögen, ins Haus stehende Schadenersatzforderungen und die mutmaßliche Strafe; Seiten 7 f des angefochtenen Beschlusses) als unerheblich dahinstehen. Zudem hat es Fluchtgefahr nicht bloß wegen der Größe der mutmaßlich bevorstehenden Strafe angenommen.

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