OGH 2Ob288/01v

OGH2Ob288/01v5.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg K*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwälte in Neusiedl/See, gegen die beklagten Parteien 1.) Reinhard K*****, und 2.) G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck/Leitha, wegen EUR 5.886,64 (= S 81.002) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2001, GZ 21 R 490/00g-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck/Leitha vom 11. August 2000, GZ 1 C 1195/99m-12 bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 20. 8. 1999 ereignete sich auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt in Bruck/Leitha ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger mit seinem PKW VW Golf und der Erstbeklagte mit dem bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW VW Passat beteiligt waren.

Der Kläger begehrt Schadenersatz; der Erstbeklagte sei gegen die durch Bodenmarkierungen vorgeschriebene Fahrtrichtung gefahren.

Die beklagten Parteien wenden dagegen ein, der Kläger habe den Vorrang des von rechts kommenden Erstbeklagten verletzt.

Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen.

Das Erstgericht traf zum Unfallshergang nachstehende Feststellungen:

Zum Unfallszeitpunkt regnete es, die asphaltierte Fahrbahn war daher nass. Bei dem Parkplatz handelt es sich um eine weitläufige Anlage, für die die Bestimmungen der StVO gilt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h.Rund um den Parkplatz führt ein "Ring", auf welchem durch entsprechende Verkehrszeichen (weisser Pfeil auf blauem Grund) eine bestimmte Fahrtrichtung vorgeschrieben ist. Innerhalb dieses "Ringes" liegen die Stellplätze, die entweder vom "Ring" oder von innerhalb des Ringes liegenden Zufahrtsstraßen erreicht werden können. Auf der Asphaltfahrbahn der Zufahrtswege sind auch noch verschiedene Bodenmarkierungen, und zwar Richtungspfeile schwach sichtbar. Diese Bodenmarkierungen sind im Sommer 1998 teilweise übermalt worden und "sollten offenbar nicht mehr gelten". Der Erstbeklagte fuhr auf einem dieser Zufahrtswege zwischen den Parkplätzen und wollte einen anderen rechtwinkelig kreuzenden Zufahrtsweg überqueren oder in diesen nach rechts einbiegen. Zum gleichen Zeitpunkt fuhr der Kläger mit seinem PKW in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen von links. In der Folge stieß der von rechts kommende PKW des Erstbeklagten mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h gegen die rechte Flanke des klägerischen Fahrzeuges, welches nach einer Fahrstrecke von 12 bis 15 m zum Stehen kam und an der rechten Seite beschädigt wurde.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, beide Fahrzeuglenker seien auf gleichrangigen Verkehrsflächen gefahren. Der Erstbeklagte sei nicht gegen eine vorgeschriebene Fahrtrichtung gefahren, weshalb ihm als Rechtskommenden der Vorrang zugestanden sei. Den von links kommende Kläger treffe das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach über Moniturantrag nach § 508 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Straßenverkehrszeichen und Bodenmarkierungen seien nach dem Eindruck eines objektiven Verkehrsteilnehmers zu beurteilen. Ein Verkehrsverbot im Sinne des § 43 StVO müsse ordnungsgemäß durch eine gut sichtbare Bodenmarkierung kundgemacht sein. Wenn Bodenmarkierungen teilweise bereits schwarz überpinselt und kaum mehr sichtbar seien, könne nicht von einer ordnungsgemäßen Kundmachung gesprochen werden. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass der objektive Eindruck an der Unfallstelle jedenfalls der gewesen sein müsse, dass die beiden befahrenen Straßen gleichrangig seien und der Rechtsvorrang gelte.

Zur Begründung seines Zulassungsausspruches führte das Berufungsgericht aus, seine Entscheidung stehe möglicherweise im Widerspruch mit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 277,326/70), was im Interesse der Rechtssicherheit eine erhebliche Rechtsfrage darstelle.

Der Kläger beantragt in seiner Revision die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend, dass seinem Klagebegehren zur Gänze, hilfsweise zur Hälfte stattgegeben werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht beachtet hat, und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Unbestritten sind auf die gegenständliche Verkehrsfläche (Parkplatz vor einem Supermarkt) die Bestimmungen der StVO anzuwenden. Nach § 9 Abs 6 StVO müssen Lenker von Fahrzeugen im Sinne der auf der Fahrbahn angebrachten Richtungspfeile fahren, falls solche auf der Fahrbahn aufgebracht sind. Notwendige Voraussetzung zur Beachtung von Bodenmarkierungen ist einerseits die rechtmäßige Anordnung, andererseits die Erkennbarkeit der Bodenmarkierungen (vgl Dittrich/Stolzlechner; Österreichisches Straßenverkehrsrecht3 Rz 6 zu § 9 StVO). Bei unbedeutenden Veränderungen, die die Erkennbarkeit lediglich unwesentlich beeinträchtigen, bleibt die Wirksamkeit von Bodenmarkierungen erhalten. Nur ausnahmsweise, nämlich wenn die Bodenmarkierung beseitigt/so stark beeinträchtigt ist, dass ein Lenker auch bei Aufbieten der nötigen Sorgfalt die Bodenmarkierung nicht wahrnehmen kann, entfällt die Pflicht zur Beachtung (Dittrich/Stolzlechner aaO Rz 8).

Der Oberste Gerichtshof hat in der in der Revision und auch vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 277,326/70 (= RIS-Justiz RS0073468) bereits ausgesprochen, dass "eine kaum sichtbare Sperrlinie noch sichtbar ist und auf ihre Beachtung durch andere Personen auch dann vertraut werden darf, wenn diese ortsunkundig sind". Bei dem dort zu beurteilenden Sachverhalt war das Verschulden eines überholenden Kraftfahrzeuglenkers zu beurteilen, der sich einer "kaum sichtbaren" Sperrlinie näherte. Dabei wurde festgehalten, dass eine "kaum sichtbare" Sperrlinie bedeute, dass sie jedenfalls nicht "unsichtbar" gewesen sei und er sich darauf verlassen dürfe, dass Lenker entgegenkommender Fahrzeuge den ihnen zugewiesenen Teil der Fahrbahn einhalten.

Andererseits wurde ebenfalls bereits ausgesprochen, dass "nicht wahrnehmbare Bodenmarkierungen nicht gelten sollen" (RIS-Justiz RS0044241; vgl insb 8 Ob 1020/84 [in dieser Entscheidung wurde allerdings eine aoRev begründungslos zurückgewiesen]).

Im hier zu beurteilenden Fall ist auf Grund der getroffenen Feststellung eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Das Erstgericht hat einerseits festgestellt, dass auf der (vom Erstbeklagten benützten Fahrbahn) verschiedene teilweise bereits sehr schwach sichtbare Bodenmarkierungen (Richtungspfeile) vorhanden waren, die im Sommer 1998 "teilweise" übermalt wurden und andererseits "offenbar nicht mehr gelten sollten".

Maßgebend ist aber nicht die Absicht des Straßenerhalters über die Geltung von Bodenmarkierungen, sondern wie diese von einem Fahrzeuglenker bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar waren. Diese Beurteilung kann auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen nicht getroffen werden.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die "schwach sichtbaren" Bodenmarkierungen für einen Kraftfahrzeuglenker bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar waren. Hiezu wäre aber der Kläger, der sich darauf beruft, der Erstbeklagte habe eine vorgeschriebene Fahrtrichtung missachtet, beweispflichtig.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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