OGH 9ObA174/02g

OGH9ObA174/02g4.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Szongott und Univ. Doz. Mag. Dr. Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rudolf A*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, ***** vertreten durch Kunz Schima Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert EUR 72.672,83) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 2002, GZ 8 Ra 344/01v-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. April 2001, GZ 21 Cga 225/00m-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird als verspätet zurückgewiesen.

2. Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Aufhebung der am 7. 8. 1997 zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarung. Er sei bis 31. 3. 1995 bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei beschäftigt gewesen; mit Vereinbarung vom 22. 5. 1995 sei das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden. Dabei sei vereinbart worden, dass der Kläger ab 1. 1. 1996 Leistungen aus einem abgeschlossenen Sozialplan erhalte. In diesem sei unter Punkt 12 festgelegt worden, dass eine monatliche Zuschussleistung bis zu dem Zeitpunkt gebühren sollte, zu dem frühestens eine ASVG-Pension in Anspruch genommen werden könne. Ab diesem Zeitpunkt solle der Kläger einen Firmenpensionszuschuss erhalten. Über Initiative der beklagten Partei sei es am 7. 8. 1997 zwischen den Parteien zu einer Vereinbarung gekommen, nach der die Leistungen aus dem Sozialplan einschließlich des Firmenpensionszuschusses mit einem Betrag von brutto S 4,874.282 oder netto S 3,709.207 abgefunden werden sollten. Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung sei gewesen, dass der Kläger mit 30. 6. 2005 einen Anspruch auf ASVG-Alterspension haben werde. Dies sei auch die Basis für eine Kapitalisierung der genannten Leistungen gewesen. Zwischenzeitig sei aber das Pensionsalter nach dem ASVG um eineinhalb Jahre hinaufgesetzt worden, sodass der Kläger frühestens mit 31. 12. 2006 die Alterspension in Anspruch nehmen könne. Vor diesem Hintergrund würde die Berechnung der Zuschussleistung einen um ca S 1,050.000 brutto höheren Betrag ergeben. Daher sei die zwischen den Parteien vorausgesetzte Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 7. 8. 1997 weggefallen. Der Kläger erklärte überdies, die Vereinbarung vom 7. 8. 1997 wegen Irrtums anzufechten und stützte das Klagebegehren im Übrigen auf jeden möglichen Rechtsgrund.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, dass die Voraussetzungen für die Annahme des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht gegeben seien, insbesondere eine Gesetzesänderung vorhersehbar gewesen und auch keine schwere Äquivalenzstörung eingetreten sei. Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung seien von der klagenden Partei nicht behauptet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kläger nicht vorgebracht habe, dass ein möglicher Irrtum von der beklagten Partei veranlasst worden sei, dieser offenbar hätte auffallen müssen oder rechtzeitig aufgeklärt worden sei. Auch von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne nicht die Rede sein. Änderungen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters seien einerseits vorhersehbar gewesen und andererseits geschäftstypische Risiken hinsichtlich der Vereinbarung über eine Abfindung, deren Höhe vom Eintritt des Pensionsalters abhängig sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und wies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es vertrat im Wesentlichen folgende Rechtsauffassung: Der Fortfall individueller Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage sei im § 901 ABGB geregelt und nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäftes von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht hätten. Hingegen sei eine Partei an das Geschäft nicht gebunden oder könne dessen Anpassung begehren, wenn eine Voraussetzung nicht zutreffe, die einem Geschäft von der Art des geschlossenen stets und somit typischerweise zugrunde gelegt werde. Die Änderung der Gesetzeslage sei wegen eindeutiger Risikosphäre grundsätzlich nicht beachtlich und bedeute für sich allein noch nicht den Wegfall einer typischen Voraussetzung. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Bestand eines Gesetzes oder eine Rechtslage offensichtlich zur Geschäftsgrundlage gemacht worden sei oder gar ein Rechtsverhältnis auf ein bestimmtes Gesetz aufbaue. Gerade diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Das Erstgericht habe insoweit auch ausreichende Erörterungen mit den Parteien gepflogen, sodass der hier geltend gemachte Rechtsgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht wieder aufgerollt werden könne. Als unzutreffend erweise sich hingegen die Ansicht des Erstgerichtes, auch das zur Irrtumsanfechtung erstattete Vorbringen des Klägers reiche nicht aus. Im Vorbringen des Klägers sei ausreichend substantiiert ein wesentlicher, von der beklagten Partei veranlasster Geschäftsirrtum des Klägers zu entnehmen; hiezu bedürfe es aber der Klärung des Sachverhaltes durch entsprechende Feststellungen.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch gesetzliche Änderung des Pensionsantrittsalters bei Vereinbarungen über die Abfindung von Leistungen aus einem Sozialplan und einer Betriebspensionszusage keine Rechtsprechung existiere. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger eingebrachte Rekursbeantwortung ist verspätet: Der Beschluss des Berufungsgerichtes wurde der klagenden Partei am 6. 3. 2002 zugestellt, die Rekursbeantwortung wurde - verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag - erst am 9. 4. 2002 überreicht. Das Erstgericht gab dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursbeantwortungsfrist nicht statt. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes, welches sich auf Fasching (Lehrbuch2 Rz 1785, 2000) stützt, ist eine verspätete Rechtsmittelbeantwortung nach jüngerer und völlig einhelliger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0043688, insbesondere T 3) zurückzuweisen.

Der Rekurs der beklagten Partei erweist sich als nicht zulässig:

Da hier kein nach § 46 Abs 3 ASGG privilegierter Fall vorliegt, bedürfte es für die Zulässigkeit eines Rekurses einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG (siehe Kuderna ASGG2 286 f). Im vorliegenden Fall richtet sich der Rekurs der beklagten Partei ausdrücklich nicht gegen die Ausführungen des Berufungsgerichtes zum Wegfall der Geschäftsgrundlage; diesbezüglich verweist die Rechtsmittelwerberin auf die "völlig zutreffende Würdigung" des Berufungsgerichtes. Die Rekurswerberin wendet sich daher nicht gegen die den Zulässigkeitsausspruch begründende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, sondern tritt dieser Rechtsansicht ausdrücklich bei. Damit zeigt sie aber insoweit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Ihre Ausführungen könnten nämlich diesbezüglich zu keiner Korrektur der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes führen, sodass der Rekurs den Gesetzeszweck des § 46 Abs 1 ASGG verfehlt (RIS-Justiz RS0107971, insbesondere 9 ObA 231/00m).

Auch sonst vermag die Rekurswerberin, die eine weitere Erörterung der Irrtumsproblematik für entbehrlich hält, eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufzuzeigen. Ob und inwieweit eine Klage ausreichend schlüssig ist, ist im Allgemeinen - vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen - eine solche des Einzelfalls und berechtigt für sich nicht zur Anrufung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0116144 ua). Das Berufungsgericht, welches die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Geschäftsirrtums nicht verkennt, legt somit seinem Aufhebungsbeschluss eine vertretbare und damit unüberprüfbare Rechtsauffassung zugrunde. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die beklagte Partei ankündigt, im fortgesetzten Verfahren einer Irrtumsanfechtung den bisher nicht erhobenen Einwand der Verjährung entgegenhalten zu wollen.

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