OGH 6Ob155/02s

OGH6Ob155/02s29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dominik W*****, vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagte Partei G***** AG, ***** vertreten durch Dr. Karl G. Aschaber ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 26.173,12 EUR, über den ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 14. März 2002, GZ 2 R 46/02k-16, womit über den Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. Dezember 2001, GZ 15 Cg 202/01k-9, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.377,90 EUR (darin 229,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien waren im Jahr 2000 Aktionäre einer Holding Aktiengesellschaft (Obergesellschaft) eines Getränkekonzerns. Die Beklagte versuchte durch den Ankauf von Aktien der Holdinggesellschaft die für einen beherrschenden Unternehmenseinfluss maßgebliche Aktienmehrheit zu erreichen und stellte an Aktionäre Kaufanbote. Die Aktionäre der Holding AG waren (und sind) durch einen Syndikatsvertrag miteinander verbunden. Zweck des Syndikates ist seine Einflussnahme auf die Führung des Konzerns im Interesse der Aktionäre (P 1. des Syndikatsvertrags). Das Syndikat hat ähnlich einer Kapitalgesellschaft verschiedene Organe. Die Rechte und Pflichten der Syndikatsmitglieder sind im Syndikatsvertrag geregelt. Bei der Veräußerung von Aktien an Dritte besteht ein Aufgriffsrecht der Mitglieder des Syndikats. Der Syndikatsvertrag enthält eine Schiedklausel mit folgendem Wortlaut:

"Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag, einschließlich jener über das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Vertrages, entscheidet ein Schiedsgericht gemäß §§ 577 ff ZPO. Sitz dieses Schiedsgerichtes ist Linz".

Die Beklagte hatte auch dem Kläger den Kauf seiner Aktien angeboten. Sie verkaufte in der Folge (im April 2000) aber selbst ihre eigenen Aktien und schied damit aus dem Syndikat aus.

Mit der am 24. 9. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Zahlung von 360.150 S (26.173,12 EUR). Es sei zu einem wirksamen Kaufvertrag über den Verkauf seiner Aktien an die Beklagte gekommen. Die Beklagte habe sich aber mit einer konkurrierenden Aktionärsgruppe geeinigt und ihre Ankaufsabsicht fallen gelassen. Sie sei aus dem Syndikat ausgeschieden. Sie habe durch ihr Verhalten die Voraussetzungen für den vereinbarten Erwerb der Aktien des Klägers schuldhaft vereitelt.

Die Beklagte erhob die Einreden der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und der Unzulässigkeit des streitigen Zivilrechtswegs mit der Begründung, dass eine Schiedsklausel vereinbart worden sei. Den Streit über die Veräußerung von Aktien habe das Schiedsgericht zu entscheiden.

Der Kläger replizierte, dass die Schiedsklausel nicht anwendbar sei, weil keine Streitigkeit aus dem Syndikatsvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Syndikatsvertrages Inhalt der Klage sei. Die Beklagte sei auch nicht mehr Aktionärin der Holding AG und nicht mehr Mitglied des Syndikats. Auch aus diesem Grund könne die Beklagte sich nicht auf die Schiedsklausel berufen. Das Erstgericht verwarf (rechtskräftig) die Einrede der Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Der Schiedsvertrag enthalte detaillierte Regelungen über die Übertragung von Aktien. Verstöße gegen die Vertragsbestimmungen seien mit Konventionalstrafe sanktioniert. Der Verkauf von syndizierten Aktien falle in die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichtes.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen wurde. Bei der Auslegung des Schiedsvertrages seien die Auslegungsregeln des § 914 ABGB heranzuziehen, soweit Vorschriften des Prozessrechtes nicht ausreichten. Schiedsklauseln seien ausdehnend auszulegen. Die Weitergabe von syndizierten Aktien innerhalb der Mitglieder des Syndikats sei ohne weiteres möglich. Es sei daher rechtlich vertretbar, dass Streitigkeiten über einen Kaufvertrag unter Syndikatsmitgliedern unter die Schiedsklausel fielen. Dies gelte aber nur solange, als die Beziehung zwischen den Syndikatsmitgliedern aufrecht sei. Hier stehe aber unstrittig fest, dass die Beklagte bereits aus dem Syndikat ausgeschieden sei. Dies habe im Verhältnis zum Kläger die Wirkung, dass die ursprüngliche Syndikatsbindung weggefallen und die Schiedsklausel außer Kraft getreten sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen der einseitigen Beendigung eines Syndikatsvertrages mit Schiedsklausel nicht vorliege.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beklagte releviert ein Abweichen des Rekursgerichtes von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Aus der Entscheidung SZ 58/60 und den zahlreichen Entscheidungen der Rechtssatzkette RS0045295 sei klar abzuleiten, dass eine Schiedsklausel über die Geltungsdauer des materiellen Vertrages hinauswirke. Das Schiedsgericht habe auch nach dem Wegfall des Vertrages mit Wirkung ex nunc über die Sachverhalte zu entscheiden, die vor dem Wegfall des Vertrages - hier also während der aufrechten Syndikatsmitgliedschaft der Prozessparteien - verwirklicht wurden. Auch wenn diesem Rekursvorbringen - ohne nähere Prüfung der Rechtsfragen - gefolgt wird, ist damit für die Revisionsrekurswerberin noch nichts gewonnen, weil die Auslegung des Syndikatsvertrages ergibt, dass der Streit der Parteien nicht Vertragsbestimmungen, sondern nur außerhalb des Syndikatsvertrages liegende Sachverhalte und Rechtsgrundlagen betrifft, sodass keine "Streitigkeit aus diesem Vertrag" im Sinne der Schiedsklausel vorliegt.

Welche Streitigkeiten von einer Schiedsvereinbarung umfasst sind, ist auf Grund ihres nach dem Parteiwillen auszulegenden Inhalts zu ermitteln. Der Wortlaut der Vereinbarung bildet die Grenze der Auslegung, die nach dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln ist (RS0018023; SZ 71/82). Eine ausdehnende Auslegung ist unzulässig (RS0044997). Entgegen der im Verfahren erster Instanz von der Beklagten geäußerten Ansicht reicht aber der bloße Umstand, dass "syndizierte" Aktien das Kaufobjekt des strittigen Kaufvertrages darstellen, noch nicht aus, um die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes bejahen zu können. Zwischen den Prozessparteien ist völlig unstrittig, dass die Veräußerung von Aktien innerhalb des Getränkesyndikats an Syndikatsmitglieder ohne Einschränkungen jederzeit möglich ist. Der Schiedsvertrag sieht die jederzeitige Veräußerungsmöglichkeit ausdrücklich vor. Die Übertragung von Aktien an Syndikatsmitglieder muss lediglich der Syndikatsleitung mitgeteilt werden. Nur bei der Übertragung an Syndikatsfremde hat die Syndikatsleitung ein Zustimmungsrecht (P 8 lit a des Syndikatsvertrages). In diesem Fall haben die Syndikatsmitglieder ein Aufgriffsrecht. Die Vertragsbestimmung über die Konventionalstrafe (P 13 des Syndikatsvertrages) bezieht sich auf Verletzungen des im P 8 lit b geregelten Aufgriffsverfahrens. Eine Konventionalstrafe ist auch für Verstöße gegen Meldepflichten vorgesehen. Um all dies geht es im vorliegenden Rechtsstreit gerade nicht. Der Verkauf von Aktien unter Sydndikatsmitgliedern ist unstrittig zulässig und wird nicht schon dadurch zu einem "Syndikatsstreit", weil das Kaufobjekt aus syndizierten Aktien besteht. Der Syndikatsvertrag dient der Unternehmenspolitik der Gesellschafter. Eine Vertragsstreitigkeit läge zweifelsfrei dann vor, wenn es um Fragen der Unternehmensführung, also den Einfluss auf die Geschäftsführung des Konzerns ginge oder um die Rechte und Pflichten von Syndikatsmitgliedern, wenn also beispielsweise ein Syndikatsmitglied oder eine Gruppe von Syndikatsmitgliedern Vertragsverletzungen geltend machten. Ein Streit aus dem Syndikatsvertrag ist aber dort zu verneinen, wo der den Anspruch begründende oder widerlegende Sachverhalt außerhalb des Vertrages liegt. Hier geht es nach dem Vorbringen beider Parteien um die unbedingte oder bedingte Annahme eines Kauf- bzw Verkaufsanbots, den Eintritt oder den Nichteintritt von Kaufbedingungen und um die Vereitelung einer Bedingung. Für einen die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes begründenden entscheidungswesentlichen Konnex zum Syndikatsvertrag hat die Beklagte neben dem nicht ausreichenden Argument, es gehe um syndizierte Aktien, nur noch vorgebracht, dass die Erfüllung des Kaufvertrages mit rechtlichen Schwierigkeiten beim Eigentumserwerb von Einzelaktien wegen des Umstandes verbunden sei, dass nur eine unteilbare Sammelurkunde über 2,200.000 Stück Aktien in einem Aktiendepot einer Bank erliege. Mit diesem kursorischen Vorbringen, das auch im Revisionsrekurs nicht näher erläutert wird, kann die Beklagte den Einredetatbestand nicht begründen, weil die behauptete Eigenschaft des Kaufobjektes ebenfalls ein Sachverhaltselement des Kaufvertrages und nicht des Syndikatsvertrages ist. Eine aus dessen Bestimmungen abzuleitende Unmöglichkeit des Verkaufs von Aktien unter Syndikatsmitgliedern (dies stünde mit der zitierten Bestimmung des Syndikatsvertrages über eine jederzeitige Verkaufsmöglichkeit in unlösbarem Widerspruch) ist nach dem Parteivorbringen nicht Prozessgegenstand.

Die nach dem Prozessrecht und ergänzend nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB vorzunehmende Auslegung der Schiedsklausel (RS0018093) führt daher zum Ergebnis, dass Streitigkeiten aus dem Syndikatsvertrag nur dann vorliegen, wenn konkrete Regelungen des Vertrages strittig und für den Anspruch entscheidungswesentlich sind, nicht aber schon dann, wenn der Syndikatsvertrag nur ein Sachverhaltselement über unstrittige Vorfragen darstellt. Für die von der Revisionsrekurswerberin angestrebte umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichtes hätte es einer entsprechend weiter gefassten Schiedsklausel bedurft.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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