OGH 15Os99/02

OGH15Os99/0228.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kubina als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ljubisa S***** wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 38 Hv 41/02x des Landesgerichtes Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Juli 2002, AZ 23 Bs 207/02 (= ON 65 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ljubisa S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Ljubisa S***** befindet sich im oben bezeichneten Strafverfahren seit 3. Jänner 2002 (nunmehr nur) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO in Untersuchungshaft. Inhaltlich der Anklage (und des mittlerweile am 27. 2. 2002 ergangenen nicht rechtskräftigen Urteils des Einzelrichters des Landesgerichtes Wiener Neustadt) ist er dringend verdächtig, die Vergehen (1) des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1, (2) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB sowie

(3) nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG begangen zu haben, weil er am 2. Jänner 2002 in Eggendorf Gruppeninspektor B*****, Revierinspektor E*****, Revierinspektor L***** und Revierinspektor S*****, somit Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versucht habe, indem er mit seinem Fahrzeug losfuhr und den bei der geöffneten Fahrertür stehenden Revierinspektor E***** gegen die Hausmauer drückte, sodann den Retourgang einlegte, zurückfuhr und damit Revierinspektor S*****, der im Bereich der geöffneten Beifahrertüre Aufstellung genommen hatte, zum unverzüglichen Verlassen des Türbereiches nötigte, um seine Erfassung und Mitschleifen zu verhindern, wobei Revierinspektor E***** von der geöffneten Fahrertür am rechten Schienbein erfasst und zur Seite geschleudert wurde;

am 2. Jänner 2002 in Eggendorf durch die zuvor genannten Tathandlungen Revierinspektor E***** im Zug einer Festnahme, mithin einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben, vorsätzlich am Körper verletzt habe, wobei die Tat eine etwa drei Zentimeter lange und 0,5 Zentimeter breite blutende Schürfwunde am rechten Schienbein zur Folge hatte, und

bis zum 2. Jänner 2002, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Faustfeuerwaffe besessen und zumindest am 2. Jänner 2002 geführt habe.

Ljubisa S***** wurde nach § 269 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt, unter einem wurde die bedingte Nachsicht einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen. Der Angeklagte hat Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss angemeldet und zwischenzeitig auch ausgeführt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der gegen die Abweisung eines Enthaftungsantrages (ON 62) erhobenen Beschwerde des Angeklagten nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem bezeichneten Haftgrund an (ON 65).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der eine unrichtige Beurteilung der Voraussetzungen des dringenden Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr sowie die Nichtanwendung gelinderer Mittel moniert wird, kommt keine Berechtigung zu. Die Beschwerdeargumentation zur Dringlichkeit des Tatverdachtes verkennt, dass im Haftprüfungsverfahren kein Schuldbeweis in Rede steht, sondern ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit genügt, dass der Angeklagte die ihm angelastete Straftat begangen habe (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 14, 17), und bei einem, wenngleich nicht rechtskräftigen Schuldspruch der Tatverdacht jedenfalls der vom Gesetz geforderten Dringlichkeit entspricht (aaO § 2 E 19). Das Oberlandesgericht konnte daher seine diesbezüglichen Annahmen mängelfrei und den Grundsätzen logischen Denkens nicht zuwiderlaufend auf diesen Umstand stützen. Demgemäß gehen auch die - weitwendig nach Art einer Schuldberufung vorgebrachten - Argumente fehl, mit denen die Beschwerde bestimmten, für den Angeklagten sprechenden Umständen einen höheren Stellenwert zuerkannt haben will. Denn ob die der Anklage zugrunde liegenden Verfahrensergebnisse ausreichen, den Beschwerdeführer der ihm angelasteten strafbaren Handlung zu überführen, ist für die Prüfung einer (bloßen, wenngleich qualifizierte) Verdachtslage ohne Bedeutung und darf demnach auch nicht vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geprüft werden, sondern muss nach den Verfahrensgrundsätzen dem erkennenden Gericht überlassen bleiben.

Soweit die Beschwerde den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit d StPO bekämpft, übersieht sie, dass dieser nicht mehr angenommen wurde.

Die Bestreitung des Vorliegens schwerer Folgen betreffend die Prognosetat bezüglich der Annahme der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO verkennt zum einen, dass hiezu keine schweren, sondern nicht bloß leichte Folgen der strafbaren Handlungen vorausgesetzt werden, zum anderen vernachlässigt sie mit der Behauptung, die Verletzung des Sicherheitswachebeamten stamme nicht vom Beschwerdeführer, die aus den Akten hervorgehende Tatsachengrundlage.

Mit dem Hinweis auf die gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers (Fortbewegung auf Krücken) vermag sie den Ausführungen des Oberlandesgerichtes zur Prognosetat, insbesondere der sich - auch im Vorleben - dokumentierenden Aggressionsbereitschaft des Angeklagten, nichts Substanzielles entgegenzusetzen.

Die Kritik an der Ablehnung der Anwendung gelinderer Mittel zur Vermeidung der Untersuchungshaft wiederum ist unbegründet, weil die in der Beschwerde aufgezeigten Mittel nach Lage des Falles nicht geeignet sind, dem angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr zu begegnen.

Ljubisa S***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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