OGH 14Os68/02

OGH14Os68/026.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 2002 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Schmucker, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang L***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 14. Jänner 2002, GZ 20 Hv 1.092/01d-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen

Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang L***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Tullnerbach

A) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer

unmündigen Person, nämlich an der am 20. Dezember 1986 geborenen Daniela S***** vorgenommen, indem er

1. im Sommer 1997 seine Hand unter ihre Unterhose führte und ihre Scheide intensiv "betastete" und

2. sie zwischen Sommer 1997 und Sommer 1998 mehrmals auf die Brüste küsste; ferner

B) durch die unter Punkt A bezeichneten Taten die seiner Aufsicht

unterstehende Minderjährige zur Unzucht missbraucht.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Der nominell auf Z 4, 5a und 10, der Sache nach auch Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Ungeachtet des Unterbleibens (§ 238 Abs 1 StPO) einer Entscheidung über den in der Hauptverhandlung am 12. Dezember 2001 gestellten - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (US 4) nach Vertagung auf den 14. Jänner 2002 mangels Zurückziehung oder Vorliegens eines in § 276a StPO genannten Falles aufrechten - Antrag auf "Einholung eines Gutachtens eines Kinderpsychologen zum Thema, ob die Aussagen der Zeugin Daniela S***** eine Projektion von einem Missbrauch durch andere Personen auf den Angeklagten ist" (S 153), wurden keine Verteidigungsrechte (Z 4) verletzt, weil bloß ein unzulässiger Erkundungsbeweis angestrebt wurde (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 330 f). Mit Spekulationen über die "Möglichkeit einer Projektion" auf den Angeklagten und dazu vorgebrachten Hinweisen auf angeblich wahrheitswidrige Angaben der Belastungszeugin in tatfremden Zusammenhängen ("Notlügen" im Kinderheim, Unwahrheiten gegenüber der Schwester), Äußerungen des Mädchens betreffend künftigen Kontakt mit dem Angeklagten, längere Zeit unveränderten Schulerfolg, eine Kalendereintragung ohne sinnfälligen Tatbezug und mögliche Einflüsse aus dem Freundeskreis der Zeugin wird mangels Erheblichkeit der genannten Umstände weder eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall) aufgezeigt, noch ergeben sich hieraus für den Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen. Gleiches gilt für den auf die uneingeschränkte und solcherart nicht nachvollziehbare These, dass sich missbrauchte Kinder ihrem Tagebuch anvertrauen, gestützten Einwand, das Erstgericht hätte sich mit dem (nichts über sexuellen Missbrauch durch den Angeklagten enthaltenden) Tagebuch des Mädchens befassen müssen. Der Angeklagte, dessen Verantwortung demnach mängelfrei und unbedenklich als unglaubwürdig verworfen wurde, übergeht zudem die Verfahrensergebnisse betreffend Angaben des Opfers beim Schularzt (S 163, 168 iVm 39 und 142).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt eine aus dem Gesetz entwickelte Ableitung der Argumente, Idealkonkurrenz "von § 207 StGB und § 212 StGB" sei ausgeschlossen, weil kein Fall denkbar sei, in dem neben § 212 nicht auch § 207 verwirklicht sei, und damit eine prozessordnungsgemäße Ausführung vermissen (§ 74 Z 1 und 3 StGB; Schick in WK2 § 212 Rz 1 f, 7 f, 15).

Die teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte, teils offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Stichworte