OGH 6Ob137/02v

OGH6Ob137/02v11.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Erich F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen 26.888,95 EUR (Revisionsinteresse 11.627,65 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht von 18. Jänner 2002, GZ 17 R 269/01f-75, womit das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 28. Mai 2001, GZ 5 Cg 9/98s-58 abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit Ausnahme der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Teilbetrags von 210.000 S (das sind 15.261,30 EUR), also im Umfang der Abweisung des restlichen Teilbetrages von 160.000 S (das sind 11.627,65 EUR) aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger hatte die von der Beklagten von März bis November 1996 durchgeführte Ausstellung "Als Österreich die Welt benannte" erdacht, mitgeplant und wissenschaftlich geleitet. Für diese Ausstellung stellte er diverse Kunstgegenstände aus seinem eigenen Besitz zur Verfügung. Darunter befand sich ein tibetischer Thangka, ein Rollbild, das im liturgischen Gebrauch je nach Feiertag oder der bestimmten Meditation entrollt wird. Der Thangka stammt aus dem 18. Jahrhundert, ist ohne Brokateinfassung 178 x 128 cm groß und stellt die Gottheit Yamantaka, umgeben von vielen hinduistischen Gottheiten dar.

Der Kläger begehrte 370.000 S (das sind 26.888,95 EUR) sA an Schadenersatz. Der Thangka sei in gutem Zustand zum Ausstellungsort geliefert und - als Vorbedingung der Leihgabe - mit einem Versicherungswert von 500.000 S versichert worden. Die Rückstellung sei am 17. 11. 1996 unmittelbar vor einem längerem Spitalsaufenthalts des Klägers in unsachgerechter unprofessioneller Weise erfolgt. Der Kläger habe sofort schon im eingerollten Zustand lange Risse im Malgrund erkannt, habe den Thangka jedoch nicht ausgerollt, um seine Ersatzansprüche zu wahren und eine Begutachtung durch Sachverständige zu ermöglichen. Die Beweissicherung habe nach einem längerem Spitalsaufenthalt stattgefunden; sie habe durch unsachgemäßes Rollen entstandene Risse ergeben. Die Behebung der Schäden koste 120.000 S (das sind 8.720,74 EUR), der dadurch bewirkte Wertverlust betrage 250.000 S (das sind 18.168,21 EUR).

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Beschädigung habe weder während der Ausstellung noch im Zuge des Rücktransports stattgefunden. Der Thangka sei nach Beendigung der Ausstellung ordnungsgemäß eingerollt, in die Wohnung des Klägers zurückgebracht worden. Der Kläger habe erst nahezu vier Monate danach eine Beweissicherung veranlasst.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 160.000 S (das sind 11.627,65 EUR); das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte noch fest, der Thangka sei von einem Mitarbeiter der Beklagten und einem Taxifahrer aus der Wohnung des Klägers abgeholt worden. Dabei sei er nach den Anweisungen des Klägers noch an der Wand hängend von unten nach oben auf eine Rollstütze gerollt und in eine alte Weltkarte eingerollt zum Ausstellungsort gebracht worden. Im Zeitpunkt der Abholung sei er nahezu unbeschädigt gewesen. Er sei von der Beklagten nicht versichert worden, obwohl dies ihre Aufgabe gewesen wäre und der Kläger eine Liste der von ihm bereitgestellten Gegenstände und deren Wert einer Mitarbeiterin der Beklagten übergeben hätte. Zur Abnahme des Thangkas nach Beendigung der Ausstellung sei der Kläger entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch nicht beigezogen worden. Das Erstgericht konnte zwar keine Feststellungen über die Vorgangsweise bei der Abnahme des Thangka treffen, stellte aber fest, dass die später festgestellten Schäden bei dieser Abnahme und dem Aufrollen entstanden seien. Zwei Mitarbeiter der Beklagten, darunter auch jener, der den Thangka in der Wohnung des Klägers nach dessen Anweisungen abgenommen, aufgerollt und verpackt hatte, hätten den Thangka am 15. 11. 1996 zum Kläger gebracht. Er sei von oben nach unten auf die Rollstütze aufgerollt und in eine Decke und Luftpolsterfolie eingewickelt worden. Der Kläger habe einen Zettel mit dem Vermerk "in Ordnung übernommen" unterfertigt und - nach Entfernung von Decke und Folie - den Thangka unverändert in aufgerolltem Zustand in der Bibliothek seiner Wohnung gelagert. Am 19. 11. 1996 habe er ein Schreiben an die Mitarbeiterin der Beklagten mit dem Hinweis verfasst, er habe noch keine Zeit gefunden, den Thangka zu inspizieren und könne dies wegen eines längeren Spitalsaufenthalts auch in nächster Zeit nicht tun. Eine Begutachtung könne erst danach mit Hilfe anderer Personen stattfinden. Nahezu vier Monate später habe der Kläger den Thangka in Gegenwart eines Sachverständigen ausgerollt und dabei acht Risse am unteren Ende sowie Falten festgestellt. Diese Schäden seien durch die unsachgemäße Abnahme und den unsachgemäßen Rücktransport durch Mitarbeiter der Beklagten entstanden. Konkret seien die Falten durch unvorsichtiges Zusammenrollen unter Missachtung des dauerhaften Straffhaltens während des Aufrollvorgangs entstanden. Keiner dieser Schäden sei durch die Lagerung in gerolltem Zustand nach der Rücklieferung verursacht oder verschlimmert worden. Der Wert des Thangka ohne die Schäden betrage 180.000 S (das sind 13.081,11 EUR), die Restauration koste 70.000 S (das sind 5.087,10 EUR); die Kostenminderung betrage 50 % des Schätzwertes.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht einen vertraglichen Schadenersatzanspruch des Klägers nach § 982 ABGB wegen Fristablauf. Die Beklagte hafte jedoch aus Delikt, weil sie es unerfahrenen und hiezu nicht ausgebildeten Helfern überlassen habe, Abnahme und Aufrollen vor dem Rücktransport vorzunehmen. Die Teilabweisung blieb unbekämpft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Von den Feststellungen des Erstgerichtes ausgehend verneinte es einen Anspruch des Klägers wegen ungenützen Verstreichenlassens der 30-tägigen Ausschlussfrist des § 982 ABGB. Der Zweck dieser Regelung - Beweisschwierigkeiten vorzubeugen - verbiete die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen sowohl aus dem Vertrag als auch aus der Verletzung von Eigentum. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob § 982 ABGB jeden Schadenersatzanspruch ausschließe, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Kläger macht erstmals in der Revision geltend, der Beklagte hafte ihm als (Mit-)Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts; die der Überlassung von Kunst- und Kulturgegenständen zugrundeliegende Vereinbarung sei als Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, allenfalls als Vertrag sui generis mit Inhalten eines Gesellschaftsvertrags und eines Leihvertrags zu verstehen. Er entfernt sich damit von seinem bisherigem Vorbringen, worin er ausdrücklich auf die dem Beklagten "zur Verfügung gestellten Leihgegenstände" Bezug genommenen und Schadenersatz wegen Beschädigung einer der "Leihgaben" begehrt hatte. Die Ausführungen in der Klage, er habe die Ausstellung erdacht, geplant und wissenschaftlich betreut, lassen weder für sich allein, noch im Zusammenhang mit den als "Leihgaben" bezeichneten Ausstellungsstücken erkennen, dass der gegen die Beklagte erhobene Anspruch auch auf das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses gestützt wird. Auf die nun in der Revision aufgeworfenen Fragen der Haftung eines Mitgesellschafters für aufgetretene Beschädigungen an einer der Gesellschaft bürgerlichen Rechts übergebenen geliehenen Sache ist daher nicht einzugehen (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 vor § 461 Rz 4).

Dass der aus dem Leihvertrag abgeleitete Schadenersatzanspruch wegen Beschädigung der geliehenen Sache zufolge ungenützen Verstreichens der 30 Tagefrist des § 982 ABGB erloschen ist, bestreitet auch der Revisionswerber nicht. Er meint aber, die Beklagte habe für ihre untüchtigen und unkundigen Helfer auch ex delicto einzustehen und die im Eigentum des Klägers eingetretenen Schäden zu ersetzen. Schon einmaliges Versagen des Gehilfen führe zur habituellen Untüchtigkeit, wobei das Verschulden im vorliegenden Fall darin liege, dass die Gehilfen der Beklagten weder den Kläger noch einen anderen Sachkundigen für die heikle Abnahme und Aufrollprozedur beigezogen, sondern das Ausstellungsstück wie einen Wandteppich behandelt hätten. Dieses Vorbringen, wie auch die weiteren Ausführungen der Revision zur Erfüllungsgehilfenhaftung machen deutlich, dass - geht man vom vorliegenden Sachverhalt aus - kein Ansatzpunkt für eine Haftung des Beklagten aus deliktischem Verhalten gefunden werden kann. Eine Haftung nach § 1315 ABGB scheidet schon wegen des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen aus, zu dessen Erfüllung der Beklagte die den Schaden verursachenden Gehilfen verwendet hatte; auch von einer zufälligen Beschädigung im Sinn des § 1311 ABGB kann im hier gegebenen Zusammenhang keine Rede sein. Der Umstand, dass der Verleiher selbst auch Eigentümer der verliehenen Sache ist, ändert daran nichts. Der Beklagte hat dem Verleiher und Eigentümer der beschädigten Sache für den durch das Fehlverhalten ihrer Gehilfen bei Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten (zu denen auch die Rückstellung der geliehenen Sache gehört) aufgetretenen Schaden einzustehen. Die Geltendmachung der durch Verschulden ihrer Gehilfen bei der Vertragserfüllung eingetretenen Beschädigung unterliegt jedoch der Ausschlussfrist des § 982 ABGB. Der Revisionswerber macht schließlich noch geltend, der Beklagte wäre vertraglich verpflichtet gewesen, die Leihgabe zu versichern, er sei daher dem Kläger für den aus dieser Pflichtverletzung entstandenen Schaden verantwortlich. Schon in erster Instanz hatte der Kläger im Zusammenhang mit dem in seinem Vermögen eingetretenen Schaden auf die fehlende Versicherung hingewiesen. Den Feststellungen der Vorinstanzen ist wohl zu entnehmen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Leihgaben zu versichern, dass er dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen ist. Welche weitere Folgen sich aus dem vertragswidrig unterlassenen Versicherungsabschluss ergeben und ob durch den Abschluss einer Versicherung der im Vermögen des Klägers eingetretene Schade gedeckt gewesen wäre, haben die Vorinstanzen jedoch nicht geprüft, insbesondere mit den Parteien auch nicht erörtert. Zu dieser Frage ist das Verfahren daher noch ergänzungsbedürftig. Hat nämlich der Beklagte entgegen der vertraglich übernommenen Verpflichtung eine Versicherung nicht abgeschlossen und wäre der im Vermögen des Klägers eingetretene Schade durch diese Versicherung gedeckt gewesen, könnte der Beklagte aus der ihm zur Last fallenden Unterlassung in Anspruch genommen werden. Er hätte dem Kläger jenen Betrag zu ersetzen, der durch die Versicherung gedeckt gewesen wäre. Dieser Haftungsgrund wird durch § 982 ABGB nicht berührt, weil sich die darin geregelte Ausschlussfrist auf Ersatzansprüche aus "Missbrauch oder übertriebener Abnutzung" der Leihgabe bezieht.

Zur Klärung der Frage, ob der dem Kläger entstandene Schaden dann vermieden worden wäre, wenn der Beklagte das Leihstück vereinbarungsgemäß versichert hätte, ist die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang und Rückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz erforderlich. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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