OGH 9ObA144/02w

OGH9ObA144/02w26.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hötzl und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Lenka H*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Landestheater ***** vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert EUR 2.180,19), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. März 2002, GZ 12 Ra 40/02t-12, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Oktober 2001, GZ 19 Cga 25/01y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die ordentliche Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, da im vorliegenden Fall der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die maßgebliche Rechtsfrage, ob die schriftliche "Nichtverlängerungserklärung" der beklagten Partei der Klägerin noch vor dem 1. 11. 2000 zugegangen ist, rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung der Berufungsentscheidung zu verweisen.

Ergänzend ist den Ausführungen in der Revision entgegenzuhalten:

Nach herrschender Judikatur und Lehre geht ein Einschreibbrief dem zum Zeitpunkt des Zustellversuchs abwesenden Empfänger nicht schon mit der Hinterlassung des Benachrichtungszettels zu. Vielmehr kommt es für den Zugang auf den Beginn der Abholungsmöglichkeit beim Hinterlegungspostamt an (SZ 58/79, Rummel in Rummel3 I, Rz 3 zu § 862a ua). Steht der Abholung kein (objektives) Hindernis entgegen, kann der Empfänger den Zugang der eingeschriebenen Briefsendung daher nicht dadurch verhindern, dass er sich noch vor dem ersten möglichen Abholtermin von seinem Wohnort entfernt. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kommt es auch nicht darauf an, ob der Absender des Briefes damit rechnen musste, dass sich der Empfänger die Sendung allenfalls wegen eines Urlaubs nicht sogleich abholen werde. Hat der Empfänger ungeachtet eines bereits angekündigten Auslandsaufenthalts dennoch die Möglichkeit, die Sendung beim Postamt zu beheben, so tritt die Zugangswirkung auch dann ein, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht.

Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin erstmals am 27. 10. 2000 um 8 Uhr die Möglichkeit gehabt, das Schreiben der beklagten Partei beim Hinterlegungspostamt abzuholen. Wenn sie sich statt dessen bereits um 5 Uhr dieses Tages auf eine Auslandsreise begeben hat, hat sie dadurch zwar eine positive Kenntnis vom Inhalt des Schreibens verhindert, den Zugang im rechtlichen Sinne jedoch nicht ungeschehen machen können. Darauf, dass sie in Kenntnis des Absenders und angesichts des wenige Tage vorher geführten Gesprächs mit dem Intendanten ohnehin wissen musste, welchen Inhalt der Brief im Wesentlichen aufweist, kommt es nicht an. Ebensowenig ist es erforderlich, eine Zugangsfiktion oder die Figur der "Zugangsvereitelung" zu bemühen, da der Zugang im rechtlichen Sinn eben bereits durch die objektive Möglichkeit, sich vom Inhalt des Schriftstücks Kenntnis zu verschaffen, erfolgt.

Schließlich könnte die Klägerin eine "Unmöglichkeit" (oder zumindest Unzumutbarkeit) einer unverzüglichen Abholung auch nicht mit dem Argument begründen, dass sie die sittliche Pflicht getroffen hätte, ihrer Mutter im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Operation beizustehen. Dazu hat die Klägerin nämlich in erster Instanz vorgebracht, dass sie ihre Mutter unbedingt vor der für den 30. 10. 2000 festgesetzten Operation habe aufsuchen wollen. Dieser Wunsch wäre mit einer Abholung des Einschreibebriefs am 27. 10. 2000 ohne weiteres vereinbar gewesen; das Zusammentreffen mit ihrer Mutter hätte sich dann höchstens um einen Tag, nämlich auf den 28. 10. 2000, verschoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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