OGH 12Os46/02

OGH12Os46/0226.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard R***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 3. April 2002, GZ 8 Hv 9/02s-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und dessen Verteidigerin, Rechtsanwältin Mag. Scheed, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gerhard R***** wurde auf Grund des stimmeneinhelligen Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er am 11. Oktober 2001 in Mantrach versucht, Franz G***** zu töten, indem er dem Schlafenden mit einem sogenannten Rückspalter (Braxe) einen wuchtigen Schlag auf den Kopf versetzte, wobei die Vollendung der Tat nur wegen der raschen und sachkundigen ärztlichen Hilfe unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO mit der lapidaren Behauptung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, wonach "die Verantwortung des Angeklagten und das Beweisverfahren ausreichende Gründe und Tatsachen (bis 3,5 %o Blutalkoholgehalt zur Tatzeit) für die Stellung einer Eventualfrage nach § 287 Abs 1 StGB zu Tage gebracht hätten", hält einer Überprüfung nicht stand:

Der Beschwerdeführer verantwortete sich in der Hauptverhandlung bei nach wie vor detailreicher Beschreibung der Ereignisse vor und bei der Tat (47 f, 73 f, 303 f) im Wesentlichen damit (320 f), er habe das Tatopfer wegen eines vorangegangenen Streites im Gegensatz zu seiner bis dahin gewählten Einlassung zwar nicht töten, aber ihm dennoch in Verletzungsabsicht einen Denkzettel verpassen wollen. Dass er sich dabei der in einem Nebenraum verwahrt gewesenen "Braxe", nicht aber, wie ursprünglich angegeben (49), einer Hacke bedient habe, erklärte der Angeklagte damit, dass er damals, anders als nach der üblicherweise täglich getrunkenen Alkoholmenge von vier bis fünf Flaschen Bier und einer Flasche Most, die für ihn "gar nichts" sei und er "alkoholmäßig praktisch nichts spüre" (325), "rauschig" gewesen sei, andernfalls hätte er dieses Werkzeug nicht verwendet. Ob eine Behauptung als Vorbringen im Sinne der §§ 313, 314 StPO zu werten ist, ist anhand der gesamten Verantwortung zu prüfen. Bei Anlegung dieses Beurteilungsmaßstabes ist der Verantwortung des Angeklagten ungeachtet seiner Wortwahl, er "müsse rauschig", "damisch", "besoffen" (326 f) oder "voll besoffen" (333) gewesen sein, sonst hätte er keine "Braxe" genommen, kein Tatsachensubstrat zu entnehmen, das eine Verteidigungslinie in Richtung Volltrunkenheit erkennen ließe und bei Unterstellen von deren Richtigkeit Raum für eine mildere Beurteilungsvariante eröffnet hätte (vgl Mayerhofer StPO4 § 313 E 29). Aus dem Kontext seiner Angaben folgt vielmehr deutlich, dass der Beschwerdeführer die angeblich höhere als übliche Alkoholisierung lediglich als Argument dafür benützte, der Verwendung des außergewöhnlich brutalen Tatwerkzeuges die Eignung zur tragfähigen Grundlage für die Schlussfolgerung auf eine gezielte (von dolus directus geleitete) Opfertötung abzusprechen, während er sich niemals, weder ausdrücklich noch sinngemäß, auf eine alkoholbedingte Aufhebung seiner Zurechnungsfähigkeit berief.

Damit bestand zur Stellung einer Eventualfrage nach § 287 StGB auch dann kein gerechtfertigter Grund, wenn das - nicht als Tatsachenvorbringen im Sinne der §§ 313, 314 StPO zu wertende (Mayerhofer StPO4 § 313 E 13c) - Sachverständigengutachten einen (fallspezifisch als höhergradigen Berauschungszustand qualifizierten) Blutalkoholgehalt von 3,3 bis 3,5 %o annahm (351 f, 354 f). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht drei einschlägige Vorstrafen und die heimtückische Tatbegehung erschwerend, die geistige Retardierung des Angeklagten und den Umstand, dass die Tat beim Versuch geblieben ist, demgegenüber als mildernd.

Davon ausgehend verhängte es über Gerhard R***** eine Freiheitsstrafe von achtzehn Jahren.

Darüber hinaus beschloss das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO, die im Verfahren AZ 6 Vr 3044/99, Hv 26/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 21. Dezember 1999 gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die Strafe von acht Monaten zu vollziehen.

Die gegen den Sanktionsausspruch gerichtete Berufung des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Da der Sachverständige die intellektuellen Fähigkeiten des Angeklagten lediglich als leicht vermindert einstufte (366), fehlt der geforderten mildernden Gewichtung eines angeblich erheblich unterdurchschnittlichen Geisteszustandes die aktenmäßige Deckung. Dies gilt auch für den behaupteten wesentlichen Beitrag der Verantwortung von Gerhard R***** zur Wahrheitsfindung. Die Tatwaffe wurde mit menschlichen Blutspuren bei der Betretung des Angeklagten am Tatort sichergestellt (11); die heimtückische Begehungsweise folgt aus dem gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachten (353). Damit liegt keine Einlassung vor, die trotz des Leugnens des Mordvorsatzes nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB milderndes Gewicht hätte. Dass der Angeklagte dem Tatopfer "nur" einen Schlag versetzte, ist angesichts dessen Intensität über den ohnehin berücksichtigten Milderungsgrund des Versuches hinaus evidentermaßen nicht mildernd. Der immer wieder zur Straffälligkeit führende jahrelange Alkoholmissbrauch des Angeklagten hat zur Konsequenz, dass die alkoholbedingte Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit im Sinne des § 35 StGB durch den im Alkoholgenuss liegenden Vorwurf aufgewogen wird.

Somit bestand kein Grund, die im Übrigen auch zutreffend gewichteten Strafzumessungsgründe zu korrigieren.

Auch der nicht explizit angefochtene Widerrufsbeschluss war fallspezifisch sachgerecht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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