Spruch:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Ein PKW des Klägers wurde am 28. 1. 2000 von einem Bankräuber als Fluchtfahrzeug verwendet und im Zuge der Verfolgung durch Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion Salzburg durch Schüsse beschädigt. Der dadurch entstandene Sachschaden wurde dem Kläger von der beklagten Partei ersetzt.
Der Kläger begehrte unter Berufung auf die Bestimmungen des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes (der ursprünglich herangezogene Rechtsgrund des AHG wurde fallengelassen) Zahlung von weiteren 90.831 S samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, das Fahrzeug sei an insgesamt 37 Werktagen nicht einsatzfähig gewesen. Es wäre aufgrund der vorhandenen Aufträge im Fahrschulbetrieb eingesetzt worden, weil alle vorhandenen Fahrzeuge voll ausgelastet gewesen seien. Dem Kläger seien dadurch Einnahmen zumindest in Höhe des Klagsbetrags entgangen.
Die beklagte Partei wendete dagegen im Wesentlichen ein, das Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz gewähre den Ersatz des Sachfolgeschadens nicht. Es statuiere nur einen verschuldensunabhängigen Mindestschutz, der nicht alle nachteiligen Folgen für den Geschädigten ausgleiche. Das Klagebegehren sei auch überhöht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach § 1 des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes seien nur jene Schäden zu ersetzen, die von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die im Waffengebrauchsgesetz genannten Maßnahmen unmittelbar verursacht worden seien. Damit werde eine vom Verschulden unabhängige Haftung festgelegt, mit der nur - gleich dem Produkthaftungsgesetz - ein Mindestschutz gewährt werden solle. Dies habe zur Folge, dass nur der Sachschaden am beschädigten Fahrzeug zu ersetzen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Richtig sei, dass der Schaden, den ein Geschäftsmann in seinem Geschäftsbetrieb "durch die zeitweilige Unmöglichkeit der Verwendung seines beschädigten PKW erleidet", wirklicher Schaden und entgangener Gewinn sei, und dass das Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz den Ersatz eines solchen Schadens nicht von der Ersatzpflicht ausnehme. Eine reine Wortinterpretation und der Verweis in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage auf § 1323 ABGB könnten für die Auffassung ins Treffen geführt werden, dass die eigentliche Schadloshaltung - und damit auch ein Ersatz des vorliegenden Folgeschadens - zu leisten sei. Eine am Zweck des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes, aber auch an einer "wegen der zeitlichen und inhaltlichen" Nähe der "Gesetzgebungsakte anzustrebenden Harmonisierung" mit dem in der Regierungsvorlage ausdrücklich angesprochenen Produkthaftungsgesetz orientierte Auslegung der §§ 1 f des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes führe jedoch zu einer Beschränkung des Haftungsumfangs dahin, dass keine über den Wert der Sache hinausgehenden Schäden zu vergüten seien. Nach § 1 habe der Bund Ersatz für Schäden zu leisten, die unmittelbar verursacht worden sind. Nach den Materialien sollten als in diesem Sinne unmittelbar entstandene Schäden solche bezeichnet werden, die dem Betroffenen ohne Hinzutreten eines weiteren Grundes aus der Ausübung des Zwanges entstehen; Dritte, denen dadurch mittelbar ein Schaden zugefügt worden sei, hätten keinen Ersatzanspruch. Daraus folge aber noch nicht, dass einem unmittelbar Betroffenen jede Art von Schaden zu ersetzen wäre. Gemäß § 2 habe derjenige einen Anspruch auf Schadloshaltung in Geld, der einen Schaden iSd § 1 durch Verletzung am Körper oder durch Beschädigung einer körperlichen Sache erleide. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage komme der Ersatz ideellen Schadens (Schmerzengeld) und des entgangenen Gewinns nicht in Betracht, weil es sich bei der in diesem Gesetz normierten Haftung um keinen Schadenersatz im zivilrechtlichen Sinn handle, sondern lediglich um die Überwälzung einer Belastung, die einen "Unschuldigen" getroffen habe, auf die Allgemeinheit. Die durch die vorliegenden gesetzlichen Vorschriften normierte Durchbrechung des Grundsatzes, den Schaden, den jemand ohne Verschulden verursacht hat, sei er in der Regel zu ersetzen, nicht schuldig, und die in Fällen von Erfolgs- oder Eingriffshaftung häufig vorgesehene Beschränkung des Umfangs der zu ersetzenden Schäden sprächen dafür, dass auch hier nur der objektive Wert des unmittelbar beeinträchtigten Rechtsgutes zu ersetzen sei. Dies entspreche wohl auch den §§ 1 f des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes, weil nach diesen der Begriff "Schaden" nur die "Beschädigung einer körperlichen Sache" umfasse. Für einen solcherart eingeschränkten Ersatzanspruch spreche vor allem die Verweisung der Regierungsvorlage auf das Produkthaftungsgesetz. Nach diesem sei für "Sachfolgeschäden" kein Ersatz zu leisten. Eine aus Gründen des Schadensausgleichs eingeführte, vom Verschulden unabhängige Haftung des Bundes habe nicht die Aufgabe, alle nachteiligen Folgen auszugleichen. Dass der Umfang der zu ersetzenden Schäden größer sein sollte, als jener nach dem PHG, sei zurfolge des in den §§ 1 f des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes zum Ausdruck gebrachten mehrfach eingeschränkten Schadensbegriffs nicht anzunehmen. Auch Billigkeitserwägungen führten zu keinem anderen Ergebnis. Wenn weder eine Entschädigung für erlittene Schmerzen noch eine Haftung für Tötung in Frage komme, dann erscheine auch eine Beschränkung des Ersatzes auf die Kosten der Wiederherstellung der Sache für den, dessen PKW beschädigt wurde, nicht unangemessen.
Die dagegen erhobene Revision ist zulässig, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob nach den Bestimmungen des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes auch für den sogenannten Sachfolgeschaden Ersatz zu leisten ist, nicht vorliegt. Sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend verweist der Revisionswerber darauf, dass weder § 1 noch § 2 des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes den Ersatz jenes Schadens ausschließen, der im Zusammenhang mit der Beschädigung einer Sache des Geschädigten dadurch eingetreten ist, dass es diesem für eine gewisse Zeit (bis zur Reparatur) unmöglich gemacht wurde, aus der Sache im Rahmen seines Unternehmens den an sich zu erwartenden Nutzen zu ziehen.
Soweit § 1 dieses Gesetzes den Ersatz auf solche Schäden einschränkt, die bei der Ausübung von Zwangsbefugnissen durch Maßnahmen nach dem WaffengebrauchsG unmittelbar verursacht worden sind, so ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (722 Blg 17. GP, 7), dass damit Dritte, also andere Personen als der unmittelbar Geschädigte von Schadenersatzansprüchen ausgeschlossen werden sollten; die Gesetzesmaterialien nennen als (nicht ersatzberechtigte) Dritte, denen bloß "mittelbar" ein Schaden zugefügt wurde, Personen, in deren Vermögen derjenige, gegen den sich der von dem Organ ausgeübte Zwang richtete, durch eine Abwehrhandlung einen Schaden angerichtet hat, Versicherer oder Sozialversicherungsträger, die im Rahmen ihrer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung dem unmittelbar Geschädigten eine Leistung erbracht haben, sowie Angehörige, denen der unmittelbar Geschädigte unterhaltspflichtig ist. Dafür, dass an den Ausschluss eines Teils des dem primär Geschädigten entstandenen positiven Schadens gedacht gewesen wäre, ergeben sich auch aus den Materialien keine Anhaltspunkte. Der dort formulierte Hinweis, als unmittelbar entstandene Schäden sollten solche bezeichnet werden, die den Betroffenem - in der tatsächlichen oder rechtlichen Kausalitätskette - ohne Hinzutreten eines weiteren Grundes aus der Ausübung des Zwanges entstehen, deckt nicht nur den primären Sachschaden, sondern auch die daran anknüpfenden "Vermögensfolgeschäden", was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass zum Zweck der Abgrenzung dem unmittelbar Betroffenen solche geschädigte Dritte gegenübergestellt werden, denen bloß "mittelbar" ein Schaden zugefügt wird.
Auch wenn an der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die hier zu beurteilenden gesetzlichen Vorschriften nur einen gewissen "Mindestschutz" bezwecken, nicht zu zweifeln ist (in diesem Sinne auch Schauer, Zivilrechtliche Probleme des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes, JBl 1989, 763 ff), so ist doch zu beachten, dass die Grenzen einer Beschränkung der Ersatzpflicht gegenüber der allgemeinen Verschuldenshaftung nach dem ABGB dem Gesetz zu entnehmen sind und nicht durch eine Eigenwertung oder aufgrund von (vom Berufungsgericht erwähnten) Billigkeitserwägungen ermittelt werden können. Da § 2 Abs 1 des Gesetzes denjenigen, der einen Schaden im Sinne des § 1 durch Verletzung am Körper oder durch Beschädigung einer körperlichen Sache erleidet, Anspruch auf "Schadloshaltung" in Geld zubilligt, besteht keine Veranlassung, den Begriff der Schadloshaltung in einem anderen Sinn zu verstehen als in den §§ 1323 f ABGB. Dies ergibt sich bereits aus den Gesetzesmaterialien (EBRV, aaO 8), die ausdrücklich darauf hinweisen, dass der in § 1323 ABGB in diesem Sinne definierte Begriff der "Schadloshaltung" übernommen worden sei, weil der Ersatz ideellen Schadens (Schmerzengeld) ebensowenig in Betracht komme, wie der des entgangenen Gewinns. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe nur ZVR 1980/15 mwN) ist der Entgang eines Nutzens, den ein Kaufmann aus seinem Betrieb zieht, wirklicher (positiver) Schaden und nicht entgangener Gewinn, was etwa auch dann gilt, wenn ihm ein derartiger Nutzen deshalb entgangen ist, weil er ein beschädigtes Kraftfahrzeug während der Reparaturdauer nicht benützen konnte. Gerade ein solcher Fall eines über den eigentlichen Sachschaden hinausgehenden weiteren positiven Schadens liegt hier vor; der Kläger hat sich ausdrücklich darauf berufen, dass das beschädigte Fahrzeug im Fahrschulbetrieb wegen der vollständigen Auslastung tatsächlich gewinnbringend eingesetzt worden wäre.
Auch in der Anordnung des § 2 Abs 1 des Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetzes, dass jener Schaden zu ersetzen sei, der "durch Beschädigung einer körperlichen Sache" erlitten wird, kann keine Beschränkung auf den eigentlichen Sachschaden erblickt werden. Der Wortlaut dieser Bestimmung legt einerseits den Anknüpfungspunkt für einen Ersatzanspruch fest - womit etwa "reine Vermögensschäden" nicht zu ersetzen sind - und bestimmt andererseits die Person des - unmittelbar geschädigten - Ersatzberechtigten. Hätte der Gesetzgeber in der Tat allein den Ersatz des eigentlichen Sachschadens im Auge gehabt, wäre wohl eine Formulierung wie "Ersatz der beschädigten Sache" oder eine ähnliche verwendet worden; tatsächlich ordnet die Vorschrift aber im Falle der Beschädigung einer körperlichen Sache ganz undifferenziert die "Schadloshaltung" in Geld an. Daraus folgt nur der Ausschluss einer über die eigentliche Schadloshaltung, also den Ersatz des positiven Schadens, hinausgehenden Ersatzpflicht, etwa einer Verpflichtung (auch) zum Ersatz des den positiven Schaden übersteigenden Interesses.
Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass das Gesetz (§ 2 Abs 1 letzter Satz) im Falle der Körperverletzung lediglich den Anspruch auf Schmerzengeld ausschließt, die übrigen nach den ABGB bei Körperverletzung gebührenden Ansprüche hingegen nicht beschränkt. Es wäre aber wohl ein Wertungswiderspruch, erklärte ein Gesetz, auch wenn es - wegen der auf eine verschuldensunabhängige Eingriffshaftung zurückgehenden Ersatzpflicht - bloß einen beschränkten Schadenersatz gewähren will, Verdienstentgang zwar im Falle einer Körperverletzung als ersatzfähig, nicht aber einen ganz vergleichbaren Schaden, der im Gefolge einer Sachbeschädigung entsteht.
Der Annahme einer Ersatzpflicht für den gesamten positiven Schaden des unmittelbar Geschädigten steht auch ein Vergleich mit den im Produkthaftungsgesetz geregelten Rechtsfolgen nicht entgegen. Warum es sachgerecht sein sollte, in beiden Rechtsbereichen den Umfang des Schadenersatzes in gleicher Weise zu regeln, ist nicht zu erkennen; von gleichgestalteten Rechtsfolgen kann schon deshalb entgegen der Auffassung der beklagten Partei keine Rede sein, ist doch etwa im Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz ein dem § 2 Z 2 PHG entsprechender "Selbstbehalt" nicht vorgesehen und auch die Ersatzpflicht für Sachen nicht ausgeschlossen, die vom Geschädigten überwiegend in einem Unternehmen verwendet werden (§ 2 Z 1 PHG) ist zu beachten.
Da sich somit weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien oder aus dem Gesetzeszweck, der darin besteht, dem durch einen im Interesse der Öffentlichkeit vorgenommenen (gefährlichen) Waffengebrauch von Sicherheitsorganen Geschädigten kein vermögenswertes Sonderopfer aufzubürden, eine Beschränkung des Ersatzes des positiven Schadens ("Schadloshaltung") auf den reinen Sachschaden ableiten lässt, ist der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht zu folgen. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher Feststellungen zu dem vom Kläger behaupteten Verdienstentgang aufgrund des zeitweiligen Ausfalls des beschädigten Fahrzeugs zu treffen haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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