OGH 2Nd508/02

OGH2Nd508/025.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko und Dr. Tittel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Martin W*****, in Obsorge und vertreten durch die Mutter Eva W*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Deutschlandsberg an das Bezirksgericht Perg wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Der am 9. 4. 1992 geborene Minderjährige entstammt aus der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grein vom 14. 2. 1996, C 11/96 -4, geschiedenen Ehe der österreichischen Staatsbürger John Erhard D***** und der Eva Maria D*****. Das Kind besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft; die Obsorge steht der Mutter zu. Die Mutter ist wiederverheiratet und trägt den Familiennamen W*****, der auch dem Kind übertragen wurde (ON 32).

Das Pflegschaftsverfahren über den Minderjährigen wurde zunächst auf Grund des Wohnsitzes der Mutter und des Kindes vom Bezirksgericht Liesing, zufolge Wohnsitzwechsels anschließend vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien und letztlich nach neuerlicher Übersiedlung von Mutter und Kind nach Deutschlandsberg vom Bezirksgericht Deutschlandsberg geführt (ON 20).

Der Vater ist zuletzt zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 3.800,-- verpflichtet (ON 50). Die Mutter gab am 18. 12. 2001 (AS 259) zu Protokoll, dass sie mit ihrem nunmehrigen Ehemann und dem Kind nach S***** (Frankreich) übersiedeln werde, teilte in einem Schreiben vom 14. 2. 2002 die vollzogene Übersiedlung mit und sprach sich gegen eine allfällige Übertragung der Zuständigkeit bezüglich des Pflegschaftsverfahrens aus. Eine Rückkehr nach Österreich sei derzeit nicht absehbar. Mit Schreiben vom 6. 3. 2002 (ON 61) beantragte sie die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsbeiträge auf 20 % des Durchschnittseinkommens des Vaters.

Der Vater wohnt in L*****, 4320 Perg.

Mit Beschluss vom 8. 3. 2002 übertrug das bisherige Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Perg mit der Begründung, dass das Kind und die obsorgeberechtigte Mutter den gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hätten, während der Vater im Sprengel des Gerichtes, an das die Pflegschaftssache übertragen werde, wohne. Fehle ein Aufenthalt im Inland, sei nach § 109 Abs 2 JN das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der gesetzliche Vertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, mangels eines solchen im Inland, das Gericht, in dessen Sprengel ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Das Bezirksgericht Perg lehnte die Übernahme mit der Begründung ab, der Übertragungsbeschluss übersehe die perpetuatio fori und stütze sich irrtümlich auf § 109 JN. Im Übrigen fehlten relevante Gründe im Sinne des § 111 Abs 2 JN, weswegen durch die Übertragung die wirksame Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes verbessert werden sollte.

Das Bezirksgericht Deutschlandsberg legte die Akten gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht gerechtfertigt.

Zufolge ordentlichen Wohnsitzes des Minderjährigen in Deutschlandsberg wurde das Pflegschaftsverfahren zuletzt von dem hiefür zuständigen Bezirksgericht Deutschlandsberg geführt. Der Hinweis dieses Bezirksgerichtes auf die Bestimmung des § 109 Abs 2 JN geht fehl, weil es sich um eine - subsidiäre - Zuständigkeitsbestimmung bei Verfahrenseinleitung handelt und das Bezirksgericht Deutschlandsberg jedenfalls auch im Sinne des Grundsatzes der perpetuatio fori zuständig war.

Eine Durchbrechung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat zur Voraussetzung, dass diese im Interesse des Pflegebefohlenen liegt (stRspr EF 85.181 uva; Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 111 JN). Gemäß § 111 JN kann das zur Besorgung der vormundschafts- oder kuratelbehördlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oer auf Antrag seine Zuständigkeit zur Gänze oder die Aufsicht und die Fürsorge über die Person des Pflegebefohlenen zukommenden Obliegenheiten ganz oder zum Teile einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint und namentlich, wenn dadurch die wirksame Hndhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten vormundschafts- oder kuratelbehördlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

Im vorliegenden Fall hat die Mutter zwar kundgetan, eine Rückkehr nach Österreich sei nicht absehbar, aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, sie ersuche daher, bis zu einer Rückkehr das Verfahren vor dem Bezirksgericht Deutschlandsberg weiterzuführen, um dem Kind allfällige neuerliche Befragungen oder Gutachten zu ersparen.

Da die Rückkehr des Kindes nach Österreich jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint, und auch keine Umstände ersichtlich sind, weshalb von der Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Perg eine wirksamere Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes erwartet werden könnte, war die Übertragung nicht zu genehmigen.

Stichworte