OGH 4Ob65/02s

OGH4Ob65/02s28.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** KG, *****, vertreten durch Hule & Heinke Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Jutta B*****, 2. H*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Martin Stoissier und Dr. Hans Leitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.870,98 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Jänner 2002, GZ 3 R 178/01w-8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. August 2001, GZ 10 Cg 134/01p-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.617,56 EUR (darin 602,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin gestaltet, produziert und vertreibt Kalender, darunter auch den Schreibtischkalender Modell 3601 (desk date mit Ringmechanik) in den Farben schwarz/rot. Dieser Tischkalender besteht aus einem gefalteten Karton, der mit einer Nylonschnur zusammengehalten wird. Zwei vertikal angebrachte Metallringe halten die einzelnen Blätter des Kalenders nach Art eines Ringbuchs und bewirken, dass der Kalender horizontal umzublättern ist. Die grafische Gestaltung der Kalenderblätter entspricht dem Üblichen und ist nicht besonders signifikant.

Die Zweitbeklagte, deren Geschäftsführerin die Erstbeklagte ist, hat einem steirischen Energieunternehmen auf Grund dessen Bestellung einen Tischkalender für das Jahr 2001 unter der Bezeichnung "Modell 30" verkauft und geliefert, der im Wesentlichen die gleiche Gestaltung und Aufmachung wie das von der Klägerin vertriebene Modell 3601 aufweist und sich von letzterem nur durch die gelbe Farbe des Kartons, des Deckblatts und der Bezeichnung der Monate sowie der Sonn- und Feiertage unterscheidet.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Schreibtischkalender herzustellen, anzubieten und/oder zu vertreiben, die dem Schreibtischkalender "desk date Modell 30 (später 3601)" verwechselbar ähnlich oder mit diesem ident sind. Der Kalender Modell 3601 sei als Werk der bildenden Kunst urheberrechtlich geschützt. In Kenntnis der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der Klägerin habe die Zweitbeklagte einen bis ins letzte Detail sklavisch dem Modell 3601 nachgeahmten Schreibtischkalender vertrieben und greife damit nicht nur in die Werknutzungsrechte der Klägerin ein, sondern handle sittenwidrig iSd § 1 UWG. Die Beklagten beuteten fremde Leistung schmarotzerisch aus und begründeten infolge deren sklavischer Nachahmung Verwechslungsgefahr mit dem gut auf dem Markt eingeführten Kalendermodell der Klägerin.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Schreibtischkalender der Klägerin sei kein Werk der bildenden Kunst. Sklavische Nachahmung liege nicht vor. Die Zweitbeklagte habe den Kalender ausschließlich nach den gestalterischen Vorgaben ihrer Kundin produziert.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Tischkalender der Klägerin sei kein Werk der bildenden Künste, weil die verwendeten gestalterischen Elemente (Aufbringen eines Ringbuchs auf einer Stehvorrichtung aus klappbarem Karton, Gestaltung der einzelnen Kalenderblätter) allgemein gebräuchlich seien. Ein Urheberrechtseingriff liege daher nicht vor. Bei einem Massenprodukt wie dem zu beurteilenden Kalender führe schon die markant vom Produkt der Klägerin abweichende farbliche Gestaltung in Verbindung mit der eindeutigen Herstellerbezeichnung auf dem zweiten Blatt aus der behaupteten sklavischen Nachahmung und Herkunftstäuschung heraus.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Sicherungsantrag Folge gab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Mangels individueller eigentümlicher Leistung, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebe, sei der Kalender nicht als urheberrechtliches Werk zu beurteilen. Es bestehe aber kein Zweifel, dass der von der Zweitbeklagten vertriebene Tischkalender "Modell 30" aufgrund der Übereinstimmungen in Größe und Gestaltung eine sklavische Nachahmung des Kalenders der Klägerin sei; daran ändere auch die unterschiedliche Farbgebung nichts. Die Zweitbeklagte hätte - auch bei Verwendung eines quer zu blätternden Ringbuchs - leicht eine Verwechslungsfähigkeit ausschließen können, wofür sich eine Vielzahl an gestalterischen Elementen aufdrängten, die ohne besondere Kosten hiefür geeignet wären. Der auch auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsanspruch sei deshalb berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Beklagten vertreten die Auffassung, das Rekursgericht habe ihnen deshalb zu Unrecht eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung zu Last gelegt, weil der von ihnen hergestellte Kalender auf Bestellung des Abnehmers gefertigt worden sei, dieser also über dessen Herkunft genau Bescheid gewusst habe. Dazu ist zu erwägen:

Die Klägerin hat sich darauf berufen, das Urheberrecht an dem der Erstbeklagten als Vorbild dienenden Schreibtischkalender zu besitzen. Voraussetzung dafür ist, dass der Kalender eine eigentümliche (also persönliche) geistige Schöpfung ist, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt und zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt hat (stRsp ua ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel; weitere Nachweise bei Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 1 Rz 45). Eigentümlich ist eine Schöpfung dann, wenn sie den Stempel der persönlichen Eigenart des Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note, die ihr die geistige Arbeit des Schöpfers verliehen hat, von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt (Peter, Urheberrecht 38). Persönliche Züge kommen durch visuelle Gestaltung und gedankliche Bearbeitung zur Geltung.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Der in Frage stehende Tischkalender der Klägerin hebt sich nämlich nicht so weit von sonst üblichen Schreibtischkalendern ab, dass er den Charakter einer eigentümlichen geistigen Schöpfung besitzt. Das einzige originelle und individuelle Gestaltungselement, die vertikal angebrachte Ringbuch-Mechanik, die ein horizontales Umschlagen der Kalenderblätter ermöglicht, reicht nicht aus, den Kalender als Werk der bildenden Künste iSd § 3 UrhG zu beurteilen.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche auch auf § 1 UWG gestützt. Das Nachahmen eines fremden Produkts, das keinen Sonderrechtsschutz - etwa nach dem MSchG, dem UrhG oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, ist an sich nicht wettbewerbswidrig; ein Verstoß gegen § 1 UWG ist aber dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (stRsp ua ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel; MR 1997, 222 = ÖBl 1998, 17 - Schokobananen mwN). Das ist (ua) dann der Fall, wenn der Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft (ÖBl 2001, 116 - Norwegerpullover). Die vermeidbare Herkunftstäuschung ist demnach - ebenso wie die unmittelbare Übernahme eines Arbeitsergebnisses (ecolex 1993, 825 = ÖBl 1993, 156 = WBl 1994, 29 - Loctite) oder ein Vertrauensbruch (ÖBl 1998, 225 - Haftgel) - einer jener Fälle, in denen das Nachahmen eines fremden Arbeitsergebnisses sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist (ecolex 2000, 733 < Schanda > = wbl 2000, 578 = ÖBl 2001, 66 - Minamax).

Der Nachahmer muss von dem nachgeahmten Erzeugnis im Rahmen des Möglichen, vor allem dann, wenn ihm eine große Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, angemessenen Abstand halten. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung setzt voraus, dass eine bewusste Nachahmung vorliegt, die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre, sofern nur dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt (ÖBl 2001, 116 - Norwegerpullover mwN).

Der erkennende Senat hat allerdings schon wiederholt ausgesprochen, dass eine Herkunftstäuschung fehlt, wenn der Abnehmer über die Herkunft der nachgeahmten Muster deshalb genau Bescheid weiß, weil der Nachahmende auf Bestellung des Abnehmers gearbeitet hat und demnach bei den Abnehmern keine unrichtige Vorstellung über die Herkunft der Musterstücke hervorgerufen werden konnte (ÖBl 1994, 58 - Makramee-Spitzen; ÖBl 1996, 23 - Hotelpässe; ÖBl 1999, 12 - Gamma; ÖBl 1999, 14 - Longarone).

Die Beklagten haben eingewendet, den von der Klägerin beanstandeten Kalender im Auftrag einer Mitbewerberin ausschließlich nach den gestalterischen Vorgaben einer Kundin der Auftraggeberin produziert zu haben. Bescheinigt ist, dass die Zweitbeklagte den beanstandeten Tischkalender auf Bestellung eines steirischen Energieunternehmens erzeugt und vertreibt. Damit kann aber beim bestellenden Unternehmen als offensichtlich einzigem Abnehmer dieses Kalenders keine unrichtige Vorstellung über dessen Herkunft entstehen.

Soweit die Klägerin den Beklagten die Ausbeutung fremden Rufs vorwirft, kommt nach dem bescheinigten Sachverhalt hier nur jene Fallvariante in Betracht, bei der sich ein Wettbewerber die Sogkraft solchen Rufs durch Nachahmung fremder Erzeugnisse zunutze machen möchte. Da Rufausbeutung insoweit faktische Irreführungseignung voraussetzt, liegt in solchen Fällen ausnahmslos zugleich auch unerlaubte Nachahmung im Sinne der zuvor behandelten wettbewerbswidrigen Herkunftstäuschung vor (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht § 33 Rz 80). Auch in diesem Zusammenhang gilt dann aber, dass eine unrichtige Herkunftsvorstellung bei einer Lieferung auf Bestellung nicht in Betracht kommen kann.

Das Unterlassungsgebot findet somit - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - auch in § 1 UWG keine Stütze. Dem Revisionsrekurs ist deshalb Folge zu geben und der - im seinem Ergebnis richtige - abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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