Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Michael K***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 2. März 2000 in Wien als Portfolio-Manager und Kundenbetreuer der Bank G***** AG die ihm durch Angestelltendienstvertrag, somit durch ein Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, nämlich im Namen der Bank G***** AG Wertpapiere anzukaufen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er im Namen dieser Bank auf Rechnung der G*****-Anstalt 2000 Palm-Aktien im Wert von je 135 US-Dollar, 1000 Palm-Aktien im Wert von je 110 US-Dollar und 1000 Palm-Aktien im Wert von je 105 US-Dollar bei der F***** orderte, obwohl er wusste, dass das Konto der G*****-Anstalt bereits im Betrag von 38.179,73 US-Dollar überzogen war, die G*****-Anstalt sohin über keine "Kreditlinie" und keine Depotwerte in der Höhe des Kaufpreises verfügte sowie einen allfälligen Schaden aus dieser hochspekulativen Wertpapiertransaktion aus ihrem Vermögen nicht abdecken können würde, und dadurch der Bank G***** AG einen den Betrag von 500.000 S übersteigenden Schaden in der Höhe von 6,988.952,80 S zugefügt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit nicht geltend gemachten Feststellungsmängeln behaftet ist, welche sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Das Erstgericht hat im Wesentlichen folgende Konstatierungen getroffen:
Mag. Michael K***** gründete im Jahre 1995 zusammen mit Ing. Hansjörg S***** die G*****-Anstalt nach liechtensteinischem Recht. Diese Anstalt unterhielt seit Mai 1995 bei der Bank G***** AG in Wien ein Wertpapierdepot sowie dazugehörige Verrechnungskonten, für die kein Kreditrahmen eingeräumt, jedoch die grundsätzliche Möglichkeit einer Kreditgewährung besprochen worden war. Der Angeklagte trat am 17. August 1998 als Angestellter bei der Bank G***** AG ein. Ihm wurde gestattet, Dispositionen über das Depot und die Konten der G*****-Anstalt selbst zu treffen, was er in den folgenden Jahren auch tat. Durch interne Richtlinien war er sowohl bei der Kreditgewährung als auch bei der Belastung des Depots an gewisse Grenzen gebunden, für börsennotierte Aktien war ein Belehnungssatz von 50 % einzuhalten. In den folgenden Jahren kaufte und verkaufte Mag. K***** laufend Aktien und sonstige Wertpapiere namens der genannten G*****-Anstalt über die Bank G***** AG. Am 1. März 2000 belief sich der Belehnungssatz des Depots auf 28 %. Am 2. März 2000 erwarb der Angeklagte zunächst 2000 Stück M *****-Papiere um 561.258,56 S, sodann 2000 Stück Palm-Aktien um 3,503.684,30 S (Kurs pro Aktie 135 US-Dollar). Obwohl er realisierte, dass der Kurs dieser Aktie, welche an diesem Tag erstmals gehandelt wurde, stark fiel, kaufte er noch am gleichen Tag weitere 1000 Stück dieser Aktien zum Kurswert von 110 US-Dollar pro Aktie und dann nochmals 1000 Stück zum Kurswert von 105 US-Dollar pro Aktie. Der Kaufpreis für diese weiteren insgesamt 2000 Stück betrug insgesamt 3,485.268,50 S. Der Belehnungssatz am 2. März 2000 belief sich unter Einschluss dieser Transaktionen auf 84 %. Am 7. März 2000 betrug er schließlich 104 %. Vom 30. September 1998 bis inklusive 2. März 2000 war der Gesamtvermögensstand der G*****-Anstalt zu jedem Transaktionstag positiv. Erst ab 6. März 2000 war der Gesamtvermögensstand negativ. Sowohl der Kaufpreis als auch die Begleitkosten der Palm-Aktien-Ankäufe wurden aus Mitteln der Bank G***** AG beglichen und den Konten der G*****-Anstalt angelastet, welche dafür allerdings keine Deckung aufwiesen. Beide (Verrechnungs-)Konten der G*****-Anstalt wiesen sowohl am Tag vor, am Tag der Transaktion und am Tag danach Negativsalden auf. Weder am 2. März 2000 noch danach verfügten die G*****-Anstalt und der Angeklagte über weiteres, nicht am Depot erliegendes Vermögen, um allfällige Kursverluste des Wertpapierdepots ausgleichen zu können (US 3, 7 f). Zur Verwirklichung des (Grund-)Tatbestandes der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB ist erforderlich, dass der Täter durch sein treuwidriges Handeln seinem Machtgeber einen Vermögensnachteil zufügt. Der Schaden besteht (unter wirtschaftlicher Betrachtung) in einem effektiven Verlust an der Vermögenssubstanz. Ob ein solcher eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der Vermögenslage des Machtgebers vor und nach dem Befugnismissbrauch im Wege der Gesamtsaldierung zu ermitteln (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 28). Bei Missbrauch einer Befugnis zur Kreditvergabe (durch Bankangestellte) hängt der Vermögensnachteil von der Einbringlichkeit der Rückforderung im Zeitpunkt der Kreditschuldentstehung ab. Bonität des Schuldners lässt keinen Schaden entstehen, wogegen wirtschaftliche Unvertretbarkeit der Kreditzuzählung zu einem Nachteil in der Höhe der Kreditsumme führt, selbst wenn Rückzahlungen erfolgen, die dann den Charakter bloßer nachträglicher Schadensminderung haben. Die Annahme teilweiser Einbringlichkeit der Kreditforderung reduziert die Schadenshöhe auf den uneinbringlichen Forderungsteil (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 41).
Das Erstgericht hat dem Nichtigkeitswerber einen durch konsenswidrigen Ankauf von insgesamt 4000 Palm-Aktien am 2. März 2000 für die von ihm vertretene G*****-Anstalt bewirkten Schaden seines Dienstgebers, der Bank G***** AG, von insgesamt 6,988.952,80 S angelastet (US 1 und 2). Dieser Betrag ist offensichtlich der tatsächlich bezahlte Kaufpreis der Aktien (US 7). Sowohl der Kaufpreis als auch die Begleitkosten wurden zunächst aus Mitteln der Bank G***** AG beglichen und dann dem (Verrechnungs-)Konto der G*****-Anstalt angelastet, welches dafür keine Deckung aufwies (US 8). Der Gesamtvermögensstand der G*****-Anstalt (Wert der Aktien minus Kontostände auf den Verrechnungskonten) war aber am 2. März 2000 positiv. Erst ab dem 6. März 2000 wurde er negativ. Der Belehnungssatz zum 2. März 2000 war 84 %, dh die Schulden der G*****-Anstalt gegenüber der Bank G***** AG betrugen 84 % der zwar im Eigentum der Anstalt stehenden, aber im Depot der Bank G***** AG liegenden Aktien (US 7 und 8).
Daraus ergibt sich zunächst rein rechnerisch, dass durch die - allenfalls treuwidrigen - Transaktionen von Mag. K***** am Tag der ihm angelasteten Tat bei der Bank G***** AG kein Schaden entstanden wäre.
Rechtliche Beurteilung
Zur endgültigen rechtlichen Beurteilung, ob ein Vermögensnachteil iSd § 153 StGB für die Bank gegeben war, wären jedoch Feststellungen dahin erforderlich gewesen, wie die am Depot erliegenden Wertpapiere für die auf den Verrechnungskonten entstandenen Schulden hafteten, insbesondere ob die Bank jederzeit Zugriff auf dieses Depot zur Abdeckung der Schulden gehabt hätte. Wenn es beim Verkauf der im Depot erliegenden Wertpapiere der ausdrücklichen Zustimmung eines Vertreters der G*****-Anstalt bedurft hätte, läge lediglich ein präsenter Deckungsfonds vor, der die Strafbarkeit nicht beseitigen würde (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 28). Hat aber die Bank jederzeit auch ohne Einverständnis des Kontoinhabers Zugriff auf das Depot, so wären die darauf erliegenden Werte - unter den im Folgenden angeführten Prämissen - grundsätzlich schadensvermindernd oder -beseitigend in Anrechnung zu bringen.
Weiters wäre zu klären, ob und in welcher Höhe die im Depot erliegenden (nach der Aktenlage mit den Anschaffungspreisen bewerteten) Aktien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise für die allenfalls verwertungsberechtigte Bank realisierbare Vermögenswerte darstellten, das heißt ob und mit welchem Erlös sie innerhalb angemessener Frist (beginnend ab Kenntnis des durch den Befugnissmissbrauch drohenden Vermögensnachteils) tatsächlich schadensmindernd hätten verwertet werden können (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 79).
Daraus ergibt sich, dass infolge von Feststellungsmängeln der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vorliegt, welcher sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Da sich zu deren Beseitigung eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, war das angefochtene Urteil in einer nichtöffentlichen Sitzung sofort aufzuheben.
Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht an Hand der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank und des abgeschlossenen Depotvertrages die Rechtsnatur des Depots zu überprüfen, Beweise zur Frage der Werthaltigkeit der Aktien im aufgezeigten Sinn - erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen - aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu diesen Komplexen zu treffen haben. Erst dann wird es den Sachverhalt neu rechtlich zu beurteilen haben. Auf diese kassatorische Entscheidung waren der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.
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