Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das auf Zahlung von 58.100 S sA lautende Klagebegehren zur Gänze ab und verpflichtete die Klägerin zur Tragung der mit 24.360,76 S bestimmten Prozesskosten der Beklagten. Noch vor Zustellung des Ersturteils an den Klagevertreter forderte das Erstgericht diesen am 6. 12. 2000 auf, die Urteilsausfertigung zur Berichtigung zurückzustellen. Der Klagevertreter kam dieser Aufforderung nach und stellte die ihm am 7. 12. 2000 zugekommene Urteilsausfertigung an das Erstgericht zurück. Dieses berichtigte daraufhin am 23. 7. 2001 seine Kostenentscheidung und verpflichtete die Klägerin zu einem Kostenersatz von 72.057,78 S. Die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses erfolgte am 27. 7. 2001 zugleich mit der berichtigten Urteilsausfertigung.
Am 7. 9. 2001 beantragte die Klägerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts. Das Erstgericht bewilligte die Verfahrenshilfe antragsgemäß und bestellte den bisherigen Klagevertreter zum Verfahrenshelfer; Bewilligungsbeschluss und Bestellungsbescheid wurden ihm am 29. 10. 2001 zugestellt, worauf der Verfahrenshelfer am 26. 11. 2001 die Berufung zur Post gab. Die Berufung bekämpft die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang eines Betrages von 16.750 S und damit im Zusammenhang auch die Kostenentscheidung.
Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Die Berichtigung der Entscheidung im Kostenpunkt habe keine neue Rechtsmittelfrist für die Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache eröffnet. Nach den Erhebungen des Berufungsgerichts sei der Klagevertreter nämlich aufgefordert worden, die Urteilsausfertigung an das Gericht zurückzusenden, weil dem Richter bei der Kostenberechnung ein Fehler unterlaufen sei. Dieser Fehler sei im Hinblick auf den Prozessaufwand und das gänzliche Obsiegen des Beklagten auch evident gewesen. Die vierwöchige Berufungsfrist habe daher bereits mit Zustellung der Urteilsausfertigung an den Klagevertreter (am 7. 12. 2000) zu laufen begonnen, sodass der am 7. 9. 2001 gestellte Verfahrenshilfeantrag verspätet gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Zurückweisung der Berufung gerichtete Rekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beginnt mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, es sei denn, der Rechtsmittelwerber konnte auch ohne Berichtigung über den wirklichen Inhalt der Entscheidung nicht in Zweifel sein (EFSlg 88.135; JBl 1997, 467; 2 Ob 61/00k).
Nach den Erhebungen des Berufungsgerichts teilte das Erstgericht anlässlich seines telefonischen Rücksendeersuchens zwar mit, dem Richter sei bei der Kostenberechnung ein Fehler unterlaufen. Angesichts der krassen Diskrepanz der verzeichneten und der zugesprochenen Kosten (jede der Streitteile hatte über 70.000 S Kostenersatz beansprucht, dem gegenüber wurden nur rund 24.000 S zugesprochen) war es für den Klagevertreter hier aber keineswegs evident, dass tatsächlich nur die Kostenentscheidung berichtigt würde. Dies umso mehr, als ihm im Zeitpunkt dieses Rücksendeersuchens das Urteil noch gar nicht zugestellt war. Er durfte daher unter den hier gegebenen Umständen die Zustellung der berichtigten Entscheidung (die im Übrigen erst am 23. 7. 2001 erfolgte) abwarten, dient doch die Einräumung der vollen Rechtsmittelfrist ab der Zustellung der berichtigten Entscheidung dazu, die Partei vor möglichen Nachteilen aus einem unterlaufenen Gerichtsfehler zu schützen (MietSlg 33.652). Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, der Klagevertreter sei sich darüber im Klaren gewesen, dass das Erstgericht nur eine Berichtigung der Kostenentscheidung beabsichtigte und die Entscheidung in der Hauptsache keine Änderung erfahren werde, wäre sein Rechtsmittel rechtzeitig. Das Erstgericht hat seine Entscheidung bereits zu einem Zeitpunkt zurückgefordert, bevor diese dem Klagevertreter zugestellt war. Sein Ersuchen konnte daher als Widerruf der Zustellung bzw der Zustellverfügung (§ 89 ZPO) angesehen werden, sodass der Klagevertreter der Meinung sein durfte, der später durchgeführte Zustellvorgang würde keine Rechtswirkungen entfalten. Dem Rekurs der Klägerin wird daher Folge gegeben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über ihr Rechtsmittel aufgetragen.
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