OGH 10ObS411/01s

OGH10ObS411/01s14.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes Zahrl und KR Mag. Paul Kunsky (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ludwig N*****, Landwirt, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2001, GZ 7 Rs 214/01v-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Februar 2001, GZ 6 Cgs 171/98y-35, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 22. 7. 1998 wurde der Antrag des Klägers vom 3. 7. 1998 auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit mit der Begründung abgelehnt, dass er die Wartezeit gemäß § 111 BSVG nicht erfülle. Das Erstgericht wies das vom Kläger dagegen erhobene und auf die Gewährung der abgelehnten Leistung gerichtete Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Nach seinen Feststellungen war der am 26. 11. 1938 geborene Kläger hauptberuflich Pfleger in einem Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie und bezieht aufgrund dieser Tätigkeit seit 1993 eine Pension. Neben dieser Tätigkeit war der Kläger bis zur Verpachtung im Jahr 1998 Alleineigentümer und Betriebsführer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers umfasst ca. 3 ha Wald, 1 ½ ha Grünland und ca. 2 ½ ha Ackerland. Der Kläger bezog aus dem Baumbestand seines Waldes pro Jahr rund 30 m3 Holz für den Eigenbedarf, wobei für ihn an Arbeiten das Fällen und Spalten der Bäume sowie der Transport des Holzes in den landwirtschaftlichen Betrieb anfielen. Weiters hatte der Kläger in seinem landwirtschaftlichen Betrieb durchschnittlich 2 bis 10 Mastschweine eingestellt, wobei sämtliche im Stall anfallenden Arbeiten händisch verrichtet werden mussten. Für das Ausmisten des Stalles standen Schiebetruhen zur Verfügung; das Futter für die Schweine wurde mit Kübeln in den Stall gebracht, wobei einer dieser Kübel ein Gewicht von rund 8 bis 10 kg hatte und pro Schwein ca. ½ bis 1 Kübel Futter verabreicht wurde. Das Stroh für den Schweinestall musste in einer Scheune aus einer Höhe von rund 3 ½ m hinuntergeworfen und anschließend mit einer Schiebetruhe aus der Scheune in den Stall gebracht werden. Mit Ausnahme des Mähens des Grünlandes, welches in Lohnarbeit vergeben wurde, verrichtete der Kläger bis zur Verpachtung seines Betriebes alle anfallenden Arbeiten alleine. Während der Kläger im Landeskrankenhaus turnusmäßig jeden zweiten Tag seinen Pflegedienst versah, verrichtete er die in seinem landwirtschaftlichen Betrieb anfallenden Arbeiten jeweils an seinen dienstfreien Tagen. Die in seinem Betrieb eingestellten Mastschweine fütterte der Kläger vor Antritt bzw nach Beendigung seines Pflegedienstes.

Der Kläger war auch unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Leidenszustände bis zum Zeitpunkt der Verpachtung seines landwirtschaftlichen Betriebes in der Lage, während eines normalen Arbeitstages unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen leichte und mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen zu verrichten. Die Fingerfertigkeit des Klägers reichte für Feinst-, Fein- und Grobmanipulationen aus. Ständige Arbeiten über Kopf sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten waren dem Kläger nicht möglich. Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte war für den Kläger nicht eingeschränkt. Der Kläger leistete ab Jänner 1988 Beiträge zur Pflichtversicherung als Betriebsführer. Er erwarb in der Zeit von Jänner 1988 bis März 1998 insgesamt 123 Beitragsmonate der Pflichtversicherung. In der Zeit von April 1998 bis Juli 1998 erwarb der Kläger keine Versicherungsmonate.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung seines Betriebes notwendig gewesen sei. Dem Kläger seien unter anderem schwere Arbeiten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten nicht mehr möglich. Da in der Landwirtschaft des Klägers insbesondere bei der Holzschlägerung und Holzbringung regelmäßig auch schwere Arbeiten sowie Arbeiten auf einem 3,5 m hoch gelegenen Scheunenboden angefallen seien, liege Erwerbsunfähigkeit vor. Gemäß § 111 BSVG seien zur Erfüllung der Wartezeit zu dem durch den Antrag des Klägers vom 3. 7. 1998 ausgelösten Stichtag 1. 8. 1998 entweder mindestens 240 Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder mindestens 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung im Zeitraum der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag erforderlich. Da der Kläger jedoch insgesamt nur 123 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe, erfülle er die notwendige Wartezeit nicht. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und verwies die Rechtssache unter gleichzeitiger Aufhebung des Ersturteiles zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Nach seinen Ausführungen sei gemäß § 111 BSVG in der bis 31. 8. 1996 geltenden Fassung die Wartezeit für die vorzeitige Alterspension wegen (dauernder) Erwerbsunfähigkeit erfüllt, wenn zum Stichtag 120 Versicherungsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag vorliegen. Gemäß § 255 Abs 21 BSVG in der bis 31. 12. 1999 geltenden Fassung sei für weibliche Versicherte, die am 1. 9. 1996 das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, § 122c iVm § 111 BSVG in der am 31. 8. 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Der am 26. 11. 1938 geborene Kläger habe das 55. Lebensjahr am 26. 11. 1993 (und das 57. Lebensjahr am 26. 11. 1995) vollendet. Er weise zu dem durch seinen Antrag vom 3. 7. 1998 ausgelösten Stichtag 1. 8. 1998 123 Versicherungsmonate innerhalb des Rahmenzeitraumes der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag auf. Daraus folge, dass der Kläger - die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG vorausgesetzt - die Wartezeit erfüllt hätte. Es sei somit entscheidend, ob § 255 Abs 21 BSVG auch auf männliche Versicherte anzuwenden sei.

Die Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vom 19. 12. 1978 finde Anwendung auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen Krankheit, Invalidität, Alter, Arbeitsunfähigkeit und Berufskrankheit sowie Arbeitslosigkeit bieten. Der in der Richtlinie normierte Grundsatz der Gleichbehandlung beinhalte den Fortfall jeglicher unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Nach § 7 Abs 1 lit a der genannten Richtlinie können die Mitgliedsstaaten vom Anwendungsbereich der Richtlinie unter anderem die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente ausschließen. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit sei jedoch nicht auf eine Leistung wie die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit anwendbar (EuGH 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner). Dementsprechend verbiete die zitierte Richtlinie die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch im Zusammenhang mit der Gewährung der vom Kläger begehrten vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit. Dies habe zur Folge, dass die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilt werden müsse. Bei dieser Sachlage könne die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur dadurch sichergestellt werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen wie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe gewährt werden. Im Sinne des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes sei daher die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG auch auf männliche Versicherte anzuwenden, sodass der Kläger die Wartezeit erfüllt habe.

Dennoch sei die Rechtssache noch nicht spruchreif. Es sei zwar nicht weiter zweifelhaft, dass die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig gewesen sei, da der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers ohne dessen persönliche Arbeitsleistung nicht wirtschaftlich rentabel zu führen gewesen wäre. Hingegen könne noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger außer Stande sei, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichartige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit erfordere. Die Bestimmung des § 122c BSVG normiere keinen Tätigkeitsschutz. Erwerbsunfähigkeit liege demnach nur dann vor, wenn der Versicherte weder die zuletzt konkret ausgeübte, noch eine im Rahmen einer zulässigen Verweisung liegende selbständige Erwerbstätigkeit ausüben könne. Ob für den Kläger eine solche zumutbare Verweisungstätigkeit noch in Betracht komme, sei noch nicht hinreichend geklärt. Das Verfahren erweise sich daher in diesem Punkt als ergänzungsbedürftig.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, das das Klagebegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin wendet sich in ihren Rechtsmittelausführungen unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 255 Abs 21 BSVG vor allem gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach diese Bestimmung eine unzulässige Diskriminierung männlicher Versicherter im Sinne der Richtlinie 79/7/EWG darstelle und daher diese Bestimmung unter Beachtung des vorrangigen Gemeinschaftsrechtes auch auf männliche Versicherte anzuwenden sei.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, kann gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO auf deren Richtigkeit verwiesen werden.

Den Rekursausführungen ist ergänzend noch folgendes entgegenzuhalten:

Nach der bis Jahresende 1991 bestehenden Rechtslage konnte im Bereich des BSVG sowohl bei gemeinsamer Betriebsführung durch Ehegatten als auch bei hauptberuflicher Beschäftigung eines Ehepartners im Betrieb des anderen (wenn beide ausschließlich Landwirte waren) nur einer der beiden in der Pensionsversicherung pflichtversichert sein. Nur dieser erwarb daher Versicherungszeiten und in weiterer Folge einen eigenen Pensionsanspruch. Der andere Ehepartner - in aller Regel war das die Frau - hatte meistens keine entsprechende gesetzliche Altersversorgung. Mit der 16. Novelle zum BSVG, BGBl 1991/678, wurde die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG für beide Ehegatten normiert (§ 2a BSVG). Danach sind seit 1. Jänner 1992 bei gemeinsamer Betriebsführung durch Ehegatten und bei hauptberuflicher Beschäftigung im Betrieb des anderen beide Ehegatten in der Pensionsversicherung nach dem BSVG pflichtversichert. Aufgrund der zuvor bestandenen Regelungen waren von dieser Einbeziehung in die Pflichtversicherung vor allem Frauen betroffen, wenngleich nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 2a BSVG, wie auch die Rekurswerberin einräumt, auch Männer in Betracht kamen. Da durch diese Novelle vor allem aber viele Bäuerinnen pensionsversichert bzw neu in die Pensionsversicherung nach dem BSVG einbezogen wurden, sprach man in diesem Zusammenhang von der Schaffung der sogenannten "Bäuerinnenpensionsversicherung" (vgl Striegl, Bäuerinnenpensionsversicherung, SozSi 1994, 88 ff). Übergangsregelungen zur 16. BSVGNov sahen gewisse Dispositionsmöglichkeiten für den betroffenen Versichertenkreis vor. So sah die Übergangsbestimmung des Art III Abs 2 idF BGBl 1991/678 die Möglichkeit einer Befreiung von der Pflichtversicherung für jene Personen vor, die ab 1. 1. 1992 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG unterliegen würden, zu diesem Zeitpunkt aber das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und am 31. 12. 1991 nicht der Pflichtversicherung in dieser Pensionsversicherung unterlagen. Dieser Antrag musste bis spätestens 31. 12. 1992 gestellt werden.

Mit der 17. Novelle zum BSVG, BGBl 1992/834, wurde das Befreiungsalter vom 50. Lebensjahr auf das 45. Lebensjahr herabgesetzt und die Antragsfrist für die Einbringung eines Befreiungsantrages bis 31. 12. 1993 verlängert. Motiv für die Herabsetzung des Befreiungsalters war, dass viele der neu in die Pflichtversicherung einzubeziehenden Frauen nur eine geringe Anzahl von Versicherungsmonaten vor der Eheschließung erworben hatten und daher trotz des Erwerbes von künftigen Beitragsmonaten der Pflichtversicherung nur eine geringe Chance auf Realisierung eines eigenen Pensionsanspruches hatten (vgl Choholka ua, Änderungen im Sozialversicherungsrecht, SozSi 1993, 275 ff [302]). Mit der 18. Novelle zum BSVG, BGBl 1993/337, wurde mit der vorzeitigen Alterspension wegen (dauernder) Erwerbsunfähigkeit eine neue Leistung der Pensionsversicherung geschaffen. Die Wartezeit für diese Leistung war erfüllt, wenn innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag mindestens 120 Versicherungsmonate nachgewiesen sind oder die ewige Anwartschaft gegeben ist (§ 111 Abs 3 Z 2 lit b iVm Abs 4 Z 3 und Abs 6 BSVG idF BGBl 1993/337). Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201, wurde diese bisherige Wartezeitbestimmung für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 111 BSVG insoweit novelliert, als anstelle von 120 Versicherungsmonaten innerhalb von 240 Kalendermonaten vor dem Stichtag nunmehr 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag erworben werden mussten. Gemäß § 255 Abs 1 Z 5 BSVG ist diese verschärfte Wartezeitbestimmung mit 1. 9. 1996 in Kraft getreten. Nach der Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG idF BGBl 1996/201 ist für weibliche Versicherte, die am 1. September 1996 das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, § 122c in Verbindung mit § 111 in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Während somit bei Frauen, die am 1. 9. 1996 das 55. Lebensjahr vollendet hatten, für einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit weiterhin der Nachweis von 120 Versicherungsmonaten innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag oder von 180 Beitragsmonaten oder von 300 Versicherungsmonaten genügte, war bei allen anderen Versicherten bei einem Stichtag nach dem 31. 8. 1996 der Nachweis von 180 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung innerhalb der letzten 360 Kalendermonate oder der Nachweis von mindestens 240 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung erforderlich. Nach den dazu vorliegenden Gesetzesmaterialien (vgl AB 95 BlgNR XX.GP 3) sollten Frauen, die das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (dauernder Erwerbsunfähigkeit) zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für diese Pension bereits erreicht hatten, von dieser Verschärfung nicht betroffen seien. Häufig wurden nämlich im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage bereits wichtige, nicht mehr änderbare Entscheidungen (zB jene, sich von einer mit der Schaffung der "Bäuerinnenpensionsversicherung" neu entstandenen Versicherungspflicht nicht befreien zu lassen) getroffen (AB aaO). Eine solche Übergangsbestimmung wurde jedoch nicht nur für den Bereich des BSVG geschaffen, sondern es enthielten auch die §§ 563 Abs 21 ASVG und 266 Abs 20 GSVG inhaltsgleiche Regelungen, um auch im Geltungsbereich dieser Gesetze durch die Verschärfung der Wartezeitbestimmungen entstehende Härten für über 55 Jahre alte Frauen zu vermeiden. Gleichzeitig wurde das bisher einheitliche Pensionsanfallsalter für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei geminderter Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit von 55 Jahren bei Männern auf 57 Jahre erhöht, während es bei Frauen unverändert blieb.

Mit der 23. Novelle zum BSVG, BGBl I 1999/176, wurde ab 1. 1. 2000 die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996 dahingehend modifiziert, dass die Altersgrenze für weibliche Versicherte auf das vollendete 50. Lebensjahr bei Anwendung des § 122c BSVG herabgesetzt wurde. Nachdem mit der Bestimmung des § 274 Abs 2 BSVG idF Sozialversicherungs-Änderungsgesetz (SVÄG), BGBl I 2000/43, die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 122c BSVG vom Gesetzgeber mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben worden war, wurde durch die 24. BSVGNov, BGBl I 2001/101, auch § 255 Abs 21 BSVG rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft gesetzt (§ 280 Abs 2 Z 1 BSVG idF der 24. BSVG Nov).

Gleichzeitig wurde nunmehr in § 280 Abs 3 BSVG idF 24. BSVGNov normiert, dass auf Personen, die durch das In-Kraft-Treten des § 2a idF des Bundesgesetzes BGBl Nr. 678/1991 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegen, gemäß Art III Abs 2 des Bundesgesetzes BGBl Nr. 678/1991 idF des Bundesgesetzes BGBl Nr. 337/1993 berechtigt waren einen Antrag auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung zu stellen, einen solchen Antrag jedoch nicht gestellt haben, zur Erfüllung der Wartezeit für eine Erwerbsunfähigkeitspension bei Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit nach § 124 Abs 2 die Bestimmung des § 111 Abs 3 Z 2 lit b in Verbindung mit Abs 4 Z 3 in der am 31. August 1996 in Geltung gestandenen Fassung weiterhin anzuwenden ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 626 BlgNR XXI.GP 10 f, verfolgte die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG zu § 122c BSVG den Zweck, dass Personen, die das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verlängerung der Wartezeit im Zuge des Strukturanpassungsgesetzes 1996 für diese Pension bereits erreicht hatten, von dieser Verschärfung nicht betroffen sein sollten. Durch diese Übergangsbestimmung sollte lediglich bewirkt werden, dass für den gegenständlichen Personenkreis die Wartezeitbestimmung in der am 31. August 1996 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden ist. Durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000, BGBl I Nr. 43/2000, wurde mit Wirkung ab 1. Juli 2000 die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 122c BSVG aufgehoben, sodass für die Anwendung dieser Übergangsbestimmung kein Raum mehr bleibt. Es wird daher vorgeschlagen, § 255 Abs 21 BSVG ausdrücklich aufzuheben und stattdessen vorzusehen, dass bei bisher von dieser Bestimmung umfasst gewesenen Fällen für künftige Erwerbsunfähigkeitspensionen gemäß § 124 Abs 2 BSVG die Wartezeitbestimmungen, wie sie für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit in der am 31. August 1996 geltenden Fassung anzuwenden waren, gelten (RV aaO). Es sollte daher mit dieser Regelung der Personenkreis, der erstmals mit 1. 1. 1992 in die Pflichtversicherung in die Pensionsversicherung nach dem BSVG einbezogen wurde, aber berechtigt war, einen Befreiungsantrag zu stellen, auch weiterhin von der Verschärfung der Wartezeit bei Erwerbsunfähigkeitspensionen ausgenommen werden, um den Vertrauensschutz zu gewährleisten (Rudda, Neuerungen in der Sozialversicherung der Selbständigen, SozSi 2001, 621 ff [623]). Nach § 291 Abs 2 Z 2 GSVG idF der 25. GSVG Nov (BGBl I 2001/100) bzw § 593 Abs 2 Z 2 ASVG idF der 58. ASVGNov (BGBl I 2001/99) treten die der Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG entsprechenden Übergangsbestimmungen des § 266 Abs 20 GSVG bzw § 563 Abs 21 ASVG ebenfalls rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft. Diese soeben dargestellte Gesetzgebungsgeschichte zeigt, dass der Gesetzgeber des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (BGBl 1996/201) nicht nur das bisherige Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit bei Frauen unverändert mit Vollendung des 55. Lebensjahres beibehalten hat, während es für Männer auf das vollendete 57. Lebensjahr erhöht wurde, sondern der Gesetzgeber hat, um Härten bei Frauen zu vermeiden, durch die inhaltsgleichen Übergangsbestimmungen der §§ 255 Abs 21 BSVG, 266 Abs 20 GSVG und 563 Abs 21 ASVG auch vorgesehen, dass Frauen, die das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verschärfung der Anspruchvoraussetzungen für diese Pension (1. 9. 1996) bereits erreicht hatten, von dieser Verschärfung nicht betroffen sein sollten (vgl AB 95 BlgNR XX.GP 33; Choholka ua, Strukturanpassungsgesetz 1996 Änderungen im Sozialversicherungsrecht, SozSi 1996, 471 ff [477]). Die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG sollte daher entgegen den Rekursausführungen der beklagten Partei nicht nur ältere Bäuerinnen schützen, die mit der 16. Nov zum BSVG, BGBl 1991/678, in die Pflichtversicherung in die Pensionsversicherung nach dem BSVG einbezogen worden waren, sondern diese Übergangsbestimmung verfolgte ebenso wie die entsprechenden Übergangsbestimmungen im ASVG und GSVG ganz allgemein den Zweck, dass Frauen, die das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verschärfung der Anspruchssvoraussetzungen durch die Verlängerung der Wartezeit im Zuge des Strukturanpassungsgesetzes 1996 für diese Pension bereits erreicht hatten, von dieser Verschärfung nicht betroffen sein sollten. Diese Auffassung entspricht nicht nur der ausdrücklich erklärten Absicht des Gesetzgebers (AB aaO; RV 626 BlgNR XXI.GP 10) sondern auch dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG, welcher anders als die Bestimmung des § 280 Abs 3 BSVG idF BGBl I 2001/101 nicht auf den von der Einbeziehung in die Pensionsversicherung nach dem BSVG betroffenen Personenkreis abstellt. Nach § 255 Abs 21 BSVG in der hier zum maßgebenden Stichtag 1. 8. 1998 geltenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (ebenso nach den §§ 266 Abs 20 GSVG und 563 Abs 21 ASVG) waren somit die bisherigen (günstigeren) Wartezeitbestimmungen für alle weiblichen Versicherten, die am 1. 9. 1996 das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatten, weiterhin anzuwenden. Es konnte sich somit eine weibliche Versicherte, die ebenso wie der Kläger am 1. 9. 1996 das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatte, bei gleichem Versicherungsverlauf wie der Kläger (Erwerb von 123 Versicherungsmonaten innerhalb des Rahmenzeitraumes der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag) mit Erfolg auf die Erfüllung der Wartezeit nach dieser Übergangsbestimmung berufen.

Damit zeigt sich aber, dass die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996 diskriminierendem Charakter hat, da dadurch in der Frage der Erfüllung der Wartezeit für Männer und Frauen, die im Zeitpunkt der durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 erfolgten Verschärfung der Wartezeit (1. 9. 1996) das für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt vorgesehene einheitliche Pensionsanfallsalter von 55 Jahren bereits erreicht hatten, von einer bisher geschlechtsneutralen Regelung abgegangen und eine für Männer und Frauen unterschiedliche Regelung getroffen wurde. Es kommen daher auch im vorliegenden Fall, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die bereits dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner - unter anderem veröffentlicht in DRdA 2000, 449 ff [Panhölzl] und WBl 2000, 313 - zugrundeliegenden Erwägungen zum Tragen, womit das ebenfalls durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 122c BSVG neu eingeführte unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen von 57 bzw 55 Jahren als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilt wurde. Es ist daher auch ohne Einholung einer neuerlichen Vorabentscheidung davon auszugehen, dass die Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201, als geschlechtsspezifische unmittelbare Diskriminierung männlicher Versicherter dem Gemeinschaftsrecht widerspricht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die Mitglieder der benachteiligten Gruppe, solange keine mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmende neue Regelung besteht, Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die Angehörigen der bevorzugten Gruppe, da dieses System das einzig gültige Bezugssystem für die Gleichbehandlung ist (Rs C-102/88 , Ruzius-Wilbrink, Slg 1989, 4311; Rs C-377/89 , Cotter und Dermott II, Slg 1991, I-1155; Rs C- 343/92 , Roks, Slg 1994, I-571 ua). Dies bedeutet, dass die zum hier maßgebenden Stichtag 1. 8. 1998 geltende Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996 auch auf männliche Versicherte anzuwenden ist, die - wie der Kläger - am 1. 9. 1996 das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Daraus folgt, dass der Kläger zu dem für die Prüfung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen für die von ihm begehrte Versicherungsleistung maßgebenden Stichtag 1. 8. 1998 die Wartezeit für die begehrte Leistung erfüllt. Die rückwirkende Aufhebung der Übergangsbestimmung des § 255 Abs 21 BSVG durch die 24. BSVGNov, BGBl I 2001/101, erfolgte mit Ablauf des 30. Juni 2000 und bleibt daher auf einen bereits vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall ohne Auswirkung.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 122c BSVG - ebenso wie die Vorgängerbestimmung des § 124 Abs 2 BSVG oder die vergleichbare Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG - keinen Tätigkeitsschutz normiert, sondern auf die Kenntnisse und die Fähigkeiten abstellt, die für die durch 60 Kalendermonate ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 122c BSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 11/143; 9/22 ua). Das Berufungsgericht erachtete vor diesem Hintergrund vor allem die Frage, ob der Kläger in der Lage ist, mit den für die bisherige Betriebsführung benötigten beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten einen anderen Betrieb zu führen, in welchem sein Leistungskalkül übersteigende Arbeiten nicht anfallen, noch für klärungsbedürftig. Wenn aber das Berufungsgericht ausgehend von einer dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegenden richtigen Rechtsansicht die erstgerichtlichen Feststellungen für ergänzungsbedürftig ansah, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten.

Dem Rekurs der beklagten Partei war daher ein Erfolg zu versagen.

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