Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage gegen die zweitbeklagte Partei aufgetragen.
Die der klagenden Partei erwachsenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozesskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin bringt vor, sie stehe mit der in Kärnten ansässigen Zweitbeklagten in Ansehung der Erzeugung und des Vertriebs von Medizinprodukten (Magnetfeldtherapiegeräten) in Österreich in einem Wettbewerbsverhältnis. Die Zweitbeklagte verkaufe ihre Geräte über ein sogenanntes "Vertriebsnetzwerk", das einem Stufenvertriebssystem nachgebildet sei, bei dem die einzelnen Verkäufer mit fortschreitendem Verkaufserfolg in einer "Hierarchie"mit "Titeln" bis hin zum "Manager" oder "Direktor" aufstiegen. Der in Wien ansässige Erstbeklagte sei in diesem Vertriebssystem für die Zweitbeklagte entgeltlich tätig. Dies verstoße gegen § 108 MedizinprodukteG, aber auch gegen § 53 ÄrzteG. Der Zweitbeklagten sei damit ein Verstoß gegen § 1 UWG anzulasten. In der gegen beide Beklagten beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung 1.) des Erstbeklagten, jedwede entgeltliche Mitwirkung am Verkauf von Geräten der Zweitbeklagten (zu unterlassen) und 2.) der Zweitbeklagten, Zuwendungen an Ärzte für den Verkauf ihrer Magnetfeldtherapiegeräte zu unterlassen, und die Urteilsveröffentlichung. Zu dem Unterlassungsbegehren stellt sie auch ein gleichlautendes Sicherungsbegehren.
Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte wegen örtlicher Unzuständigkeit a limine zurück.
Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da nach den Klagebehauptungen der Sitz der Zweitbeklagten im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt liege und den Klageangaben auch nicht zu entnehmen sei, dass der Erstbeklagte selbst ein Unternehmen im Sinn des § 83c Abs 1 JN betreibe oder der Sitz der "faktischen Unternehmensleitung (der Zweitbeklagten) im Sprengel des Erstgerichts liege, könne sich die Klage nicht auf den Zuständigkeitstatbestand des § 83c Abs 1 JN iVm § 83c Abs 2 JN berufen.
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichts zulässig, weil dieses die Zuständigkeitsbestimmung des § 83c Abs 2 JN verkannt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 83c Abs 1 JN ist für Klagen ua im Sinne des § 51 Abs 2 Z 10 JN (wegen unlauteren Wettbewerbs) gegen Personen, deren Unternehmen sich im Inland befindet oder die mit Rücksicht auf ihre Tätigkeit bei einem in Inland befindlichen Unternehmen in Anspruch genommen werden, ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen (allenfalls bei mehreren Niederlassungen: die Hauptniederlassung oder die von der Handlung betroffene Zweigniederlassung) liegt (Satz 1). In Ermangelung eines Unternehmens im Inland richtet sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (Satz 2). Gemäß § 83c Abs 2 JN können mehrere Personen, für die auf Grund des Abs 1 der Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten begründet ist, wenn sonst die Voraussetzungen des § 11 ZPO gegeben sind, als Streitgenossen vor jedem dieser Gerichte geklagt werden.
Damit erweitert § 83c Abs 2 JN den Anwendungsbereich des sonst nur für die materielle Streitgenossenschaft und die einheitliche Streitpartei geltenden Gerichtsstands nach § 93 Abs 1 JN auf die formelle Streitgenossenschaft (Simotta in Fasching 2 I § 83c JN Rz 24 mwN; Mayr in Rechberger 2 Rz 4 zu § 83c JN). Dass das Erstgericht für die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage örtlich zuständig ist, unterliegt unabhängig davon keinem Zweifel, ob der Erstbeklagte selbst ein Unternehmen iSd § 83c Abs 1 JN betreibt, weil sich ja jedenfalls auch der allgemeine Gerichtsstand des Erstbeklagten beim Erstgericht, in dessen Sprengel er seinen Wohnsitz hat (§ 66 JN), befindet (§ 83c Abs 1 Satz 2 JN). Wollte man die Beklagten auf Grund ihres dem Klagevortrag zu entnehmenden Zusammenwirkens beim "Verkauf" der Magnetfeldtherapiegeräte der Zweitbeklagten nicht ohnedies als materielle Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 1 ZPO ansehen, für die (außer § 83c Abs 2 JN) auch § 93 Abs 1 JN sowie Art 6 Z 1 Brüssel-I VO den Wahlgerichtsstand der Streitgenossenschaft vorsehen, besteht im vorliegenden Verfahren für die Klage gegen die beiden, allenfalls nur als formelle Streitgenossen anzusehenden Beklagten iS des § 11 Z 2 ZPO dennoch der im § 83c Abs 2 JN vorgesehene Gerichtsstand der Streitgenossenschaft. Die Zurückweisung der Klage gegen die Zweitbeklagte ist demnach ersatzlos zu beseitigen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)