OGH 8ObA136/01k

OGH8ObA136/01k18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und ADir. Winfried Kmenta als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Horst B*****, 2.) Leopold H*****, 3.) Ferdinand H*****,

4.) Konrad G*****, 5.) Karl J*****, 6.) Wolfgang K*****, 7.) Hans N*****, 8.) Helmut P*****, 9.) Johann R*****, 10.) Waldemar S*****,

11.) Klaus S*****, 12.) Wolfgang S*****, 13.) Angelika W*****, 14.) Wolfgang B*****, 15.) Bruno P*****, alle vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) V***** GmbH., 2.) Ö***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Ausstellung von Treuebriefen, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2001, GZ 10 Ra 357/00v-35, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. August 2000, GZ 30 Cga 245/99f-29, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 2.087,08 (darin EUR 347,85 USt) und die zweitbeklagte Partei die mit EUR 321,09 (darin EUR 53,51 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Sämtliche 15 Kläger haben zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Klagen (dem 23. 11. 1999) ihr 45. Lebensjahr vollendet und sind vor mehr als 20 Jahren in das Unternehmen der Zweitbeklagten eingetreten. Die unter 1.) - 13.) genannten Kläger wurden am 1. 7. 1999 von der Erstbeklagten mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Der Vierzehnt- und Fünfzehntkläger stehen im aufrechten Dienstverhältnis zur Zweitbeklagten.

Am 3. 5. 1977 wurde nachstehende Vereinbarung zwischen dem Vorstand und dem Zentralbetriebsrat der Zweitbeklagten betreffend den erweiterten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer dieser Gesellschaft abgeschlossen:

"Unter der Voraussetzung, dass ein Arbeitnehmer 20 Jahre ununterbrochen in der österreichischen Elektrizitätswirtschafts AG (VG), Vorarlberger Illwerke AG (VIW), Österreichische Donaukraftwerke (DoKW), Dampfkraftwert Korneuburg GesmbH (DKG), Österreichische Draukraftwerke AG (ÖDK), Donaukraftwerk Jochenstein AG (DKJ), Ennskraftwerke AG (EKW), Österreichisch-Bayrische Kraftwerke AG (ÖBK), Tauernkraftwerke AG (TKW), Kernkraft-Planungs-GesmbH (KKWP),

Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld GesmbH (GKT),

Gemeinschaftskernkraftwerk Stein GesmbH (GKS)

beschäftigt war und das 45. Lebensjahr vollendet hat, kann auf Beschluss des Vorstandes im Einvernehmen mit dem Betriebsrat diesem Arbeitnehmer ein erweiterter Kündigungsschutz zuerkannt werden. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes zwischen diesen Gesellschaften gilt nicht als Unterbrechung. Dieser erweiterte Kündigungsschutz wird dem Arbeitnehmer in Form des sogenannten "TREUEBRIEFES" zur Kenntnis gebracht.

Der erweiterte Kündigungsschutz für den Inhaber eines solchen Treuebriefes umfasst folgende arbeitsrechtliche Bestimmungen:

1. Die Gesellschaft verzichtet, mit Ausnahme der nachstehend angeführten Fälle, auf ihr Kündigungsrecht gemäß den §§ 20 und 21 des Angestelltengesetzes sowie den diesbezüglichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für Arbeiter der Elektrizitätsversorgungsunternehmen Österreichs (derzeit Abschnitt IV, Z 3 bis 6).

2. Eine Kündigung kann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf Versorgung durch die Sozialversicherung hat (Alterspension, Berufsunfähigkeit, vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer);

2.2. die Gesellschaft im Falle einer dauernden Einschränkung des Betriebes oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen den Nachweis erbringt, dass der Arbeitnehmer einer Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder eine Überführung in eine andere der oben angeführten Gesellschaften unter Anerkennung seiner bei der bisherigen Gesellschaft erworbenen Ansprüche (Abfertigungsanspruch, Urlaubsanspruch usw) sowie Zusicherung einer Beschäftigung abgelehnt hat;

2.3. der Arbeitnehmer die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und dem Unternehmen eine weitere Beschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann;

2.4. Trotz Vorliegens von Entlassungsgründen das Arbeitsverhältnis durch Kündigung gelöst wird.

3. Sollte der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage sein, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, darf eine Entlassung gemäß dem § 27 Z 2 des Angestelltengesetzes dann nicht ausgesprochen werden, wenn sich der Arbeitnehmer bereit erklärt, eine andere zumutbare Arbeitsleistung zu erbringen.

4. Die Gesellschaft verpflichtet sich, alle Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung auf etwaige Rechtsnachfolger zu überbinden und diesen die Namen der Arbeitnehmer, denen der Treuebrief zuerkannt wurde, zur Kenntnis zu bringen.

5. Diese Vereinbarung tritt am 1. Juli 1977 in Kraft und kann nur im Einvernehmen zwischen dem Vorstand und dem Zentralbetriebsrat der Verbundgesellschaft abgeändert bzw aufgehoben werden."

Die Beklagten haben den Klägern diesen Treubrief nicht verliehen und ihnen keinen erweiterten Kündigungsschutz zuerkannt. Bis einschließlich 1998 erhielten praktisch alle Dienstnehmer der Zweitbeklagten (die Erstbeklagte wurde erst 1999 gegründet), die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllten, einen Treuebrief. Nur ein einziger Dienstnehmer der Zweitbeklagten erhielt trotz Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen im Jahre 1980 wegen disziplinärer Schwierigkeiten (Illoyalität) keinen Treuebrief. Bei der Draukraft erhielten fünf, bei der Donaukraft zwei Dienstnehmer und bei der Verbundkraft ein Dienstnehmer keinen Treuebrief, und zwar teils wegen disziplinärer Probleme und teils wegen mangelnder Arbeitsleistung. Dem Abschluss der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 gingen lange Verhandlungen voraus. Ein Motiv für die Vereinbarung war, dass die Zweitbeklagte damals Schwierigkeiten hatte, auf dem Arbeitsmarkt qualifiziertes Personal zu finden. Sie wollte daher Elemente der Sicherheit für die Mitarbeiter einbringen, um Bewerbern eine Anstellung schmackhafter zu machen. Überdies sollten wegen Personalüberhängen bei einzelnen Sondergesellschaften Versetzungen innerhalb des Konzerns leichter durchgeführt werden können. Zusammengefasst handelt es sich bei der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 auch um eine betriebswirtschaftliche Maßnahme und nicht nur um eine reine Sozialleistung der Zweitbeklagten.

Die Formulierung als Kann-Bestimmung in der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 erfolgte absichtlich und war für den Vorstand der Zweitbeklagten eine Möglichkeit, in Problemfällen einen erweiterten Kündigungsschutz nicht zuerkennen zu müssen. Seitens der Zweitbeklagten wurde in den Verhandlungen mit dem Zentralbetriebsrat vor Abschluss der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 geäußert, dass die Kann-Bestimmung für alle Eventualitäten vorhanden sei und dass man sich das vorbehalten würde, was immer kommen könne.

Eine Verweigerung oder Einstellung der Treuebriefverleihung aus wirtschaftlichen Gründen war damals kein Thema, da die damalige wirtschaftliche Situation der Zweitbeklagten keinerlei Anlass für derartige Überlegungen bot.

Auch nach Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gab es wiederholt Gespräche zwischen der Zweitbeklagten und den Zentralbetriebsrat über das vorliegende Thema. Die Kann-Bestimmung war häufig Gegenstand der Erörterung. Der Zentralbetriebsrat wollte eine Automatik in dem Sinn, dass die Mitarbeiter bei 20 Dienstjahren und Vollendung des 45. Lebensjahres automatisch den Treuebrief erhielten. Dies wurde jedoch vom Vorstand der Zweitbeklagten immer abgelehnt. Dieser hielt an dem Vorbehalt fest, aus disziplinären Gründen und bei mangelnder Qualifikation, den Treuebrief nicht zu verleihen.

Praktisch wurde die Vereinbarung vom 3. 5. 1977 so gehandhabt, dass jährlich festgestellt wurde, wer die Voraussetzungen für die Verleihung des Treuebriefes erfüllte. Gegen Jahresende gab es Jubilarehrungen, bei denen ua die Treuebriefe verliehen wurden. Zuvor wurden Listen ausgedruckt, die die Namen jener Mitarbeiter enthielten, die die Voraussetzungen für die Treuebriefverleihung von der Dienstzeit und vom Lebensalter her erreicht hatten. Der Personalchef sprach mit den Hauptabteilungsleitern, ob jemand von der Liste zu streichen sei. Ausgehend von dieser Liste wurde nachfolgend vom Vorstand eine Liste erstellt. Vor der endgültigen Erstellung der Liste durch den Vorstand erhielt der Zentralbetriebsrat die Vorschlagsliste des Personalbüros zur Stellungnahme. Die Genehmigung der von der Treuebriefverleihung erfassten Dienstnehmer erfolgte jeweils durch Vorstandbeschluss, wobei sich der Vorstand faktisch den Vorschlägen des Personalbüros anschloss. Eine Automatik in dem Sinn, dass alle Dienstnehmer sofort nach Erfüllung der Dienstzeit und Lebensalters den Treuebrief erhielten, gab es nicht. Faktisch wurde der Zentralbetriebsrat vom Vorstand in den wenigen Ausnahmefällen, bei denen es zunächst zu keiner Treuebriefverleihung kam, über die Gründe der Ablehnung informiert. Dabei handelte es sich um keine Willkürakte, vielmehr erfolgten die Verleihungen großzügig. Es kam aber mehrfach zu Zurückstellung von Mitarbeitern bei den Treuebriefverleihungen, etwa infolge von Fehlschaltungen. Letztlich bekamen aber mit der erwähnten einen Ausnahme sämtliche Mitarbeiter der Zweitbeklagten den Treuebrief.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung schon beschäftigte Mitarbeiter wurden durch den Betriebsrat über den Abschluss der Vereinbarung informiert; sie erhielten ein Exemplar der Vereinbarung ausgefolgt. Neu eintretende Mitarbeiter der Zweitbeklagten erhielten bis etwa 1984 eine Ausfertigung der Vereinbarung; ob dies auch noch nach 1994 der Fall war, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, ob in den Einstellungsgesprächen mündlich auf die Vereinbarung vom 3. 5. 1977 hingewiesen wurde. Seit ungefähr zwei Jahren ist die Vereinbarung im Intranet des Verbundkonzerns abrufbar.

Den Mitarbeitern der Zweitbeklagten war bekannt, dass es sich nicht um eine Automatik im engeren Sinn handle. Es war ihnen bewusst, dass für die Zuerkennung des erweiterten Kündigungsschutzes und die Verleihung des Treuebriefes ein Vorstandsbeschluss notwendig war. Die Zweitbeklagte hat auch nie ausdrücklich den Mitarbeitern mitgeteilt, dass der Treuebrief völlig unabhängig von der wirtschaftlichen Situation und nur unter der Voraussetzung disziplinären Wohlverhaltens (neben Erfüllung der formalen Voraussetzungen) verliehen werde. Sie hat allerdings gegenüber den Arbeitnehmern noch nie zum Ausdruck gebracht, dass eine Verweigerung des erweiterten Kündigungsschutzes aus wirtschaftlichen Gründen in Betracht komme. Sie informierte auch die Mitarbeiter nicht, dass es sich um eine freiwillige Leistung handle. Faktisch lief die Praxis des Vorstandes jedoch auf eine Automatik hinaus. Die - vom Vorstand der Zweitbeklagten nicht widersprochene - Erwartungshaltung der Belegschaft war, dass jeder, der nicht "silberne Löffel gestohlen hat und nicht stinkfaul ist" den Treuebrief bekommt.

Der Verlust des Kernkraftwerkes Zwentendorf nach dem negativen Ergebnis der Volksabstimmung im Jahr 1978 führte bei der Zweitbeklagten zu einer wirtschaftlichen Krisensituation. Im Aufsichtsrat der Zweitbeklagten wurde der allenfalls notwendige Gang zum Konkursgericht erörtert. Letztlich übernahm die Bundesregierung die Haftung für die Zweitbeklagte, wodurch ein Insolvenzantrag durch Abschöpfung von Reserven der Sondergesellschaften und durch einen Forderungsverzicht der Republik Österreich vermieden werden konnte. Selbst zum damaligen Zeitpunkt ist bei der Zweitbeklagten eine Einstellung der Verleihung der Treuebriefe nicht diskutiert worden. Der erweiterte Kündigungsschutz und die Betriebspension waren Anreiz für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter. 1982/1983 gab es Bestrebungen im Verbundkonzern, im Rahmen einer Pensionsreform die bis dahin gewährten freiwilligen Pensionszuwendungen in Rechtsansprüche auf eine Betriebspension umzugestalten. Die Betriebsvereinbarung betreffend die Betriebspension, die wenige Tage vor dem 7. 7. 1983 unterzeichnet worden war, war so abgefasst, dass die Zuerkennung des Pensionsanspruches von der Erfüllung der Voraussetzungen für den Treuebrief abhängig war. Dabei war ausdrücklich geregelt, dass der Pensionsanspruch erst ab dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Treuebriefes bestehe und nicht automatisch mit der Erfüllung der Treuebriefvoraussetzungen. Vom damaligen Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates wurde die Befürchtung gegenüber dem Vorstand der Zweitbeklagten geäußert, der Vorstand könne durch eine Nichtverleihung des Treuebriefes die Entstehung des Pensionsanspruchs der Mitarbeiter verhindern. Am 7. 7. 1983 sowie später fanden Verhandlungen zwischen Vertretern der Direktorenkonferenz und Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der Zentralbetriebsräte des Verbundkonzerns statt. Es konnte schließlich Einigkeit darüber erzielt werden, dass keine Änderungen hinsichtlich des Treuebriefes vorgenommen werden. Die Zweitbeklagte hielt fest, dass es sich bei der Nichtausstellung des Treuebriefes um keine generelle Möglichkeit handle und von Seiten des Vorstandes nicht beabsichtigt sei, die Betriebsvereinbarung in der vom Vorsitzenden des Zentralbetriebsrats befürchteten Weise zu unterlaufen. Der Vorstand wollte damit zum Ausdruck bringen, dass der erweiterte Kündigungsschutz und der Treuebrief nur im Einzelfall verweigert werden sollten, beispielsweise aus disziplinären Gründen. Mit dem Einzelfall waren Fälle einzelner Personen gemeint, nicht jedoch die Ausnahme ganzer Jahrgänge aus wirtschaftlichen Gründen. Der Vorstand verpflichtete sich in diesem Gespräch zu einer sachlichen, willkürfreien Ermessensübung. Faktisch änderte das Gespräch vom 7. 7. 1983 über die Auslegung der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 nichts an der bis dahin stattgefundenen Praxis und der bis dahin vorgenommenen Auslegung und Handhabung der Vereinbarung vom 3. 5. 1977.

Den Mitarbeitern wurde in der Folge mitgeteilt, dass es nunmehr einen Rechtsanspruch auf die Betriebspension gebe. Seit dem Jahr 1996 besteht keine Koppelung zwischen den Pensionsansprüchen und den Treuebriefen, da die Pensionsansprüche bei der Zweitbeklagten auf eine Pensionskasse übertragen worden sind.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und die umzusetzenden Richtlinien über die Strommarktliberalisierung musste Österreich den bisher monopolisierten Strommarkt ab 19. 2. 1999 stufenweise öffnen, wodurch es zu einer Änderung von einem Preisregime mit geregelten Preisen zu einem Marktpreissystem kam. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben wurden durch das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) BGBl I 1998/143, umgesetzt und eine Umstrukturierung des Verbundkonzerns vorgenommen.

Die Erstbeklagte ist die Netzgesellschaft, die zu festgesetzten Tarifen Netzzugang zu gewähren hat. Sie will bis 2003 ein Optimierungskonzept umsetzen. Es soll dort nur mehr 233 fix beschäftigte Arbeitnehmer geben. Da überwiegend nur bei den Personalkosten gespart werden kann, weil die übrigen Bereiche kaum beeinflussbar sind, müssen dort 30 % an Kosten eingespart werden. Ohne zusätzliche Maßnahmen wie etwa neue Arbeitszeitmodelle oder Kündigungen wird es nicht möglich sein, das gesteckte Einsparungsziel zu erreichen. Die Zweitbeklagte hat die Funktion, Strom von den Erzeugungsgesellschaften zu beziehen und an ihre Kunden zu verkaufen; dazu kommt die Beteiligungsverwaltung und Konzernsteuerung. Vor der Liberalisierung gab es eine garantierte Kostenerstattung in der Form, dass im Wesentlichen die Selbstkosten und ein Gewinnzuschlag abgegolten wurden. Es konnten also die gesamten Erzeugungskosten auf die Preise überwälzt werden. Ab 9. 2. 1999 gilt hingegen ein freier Wettbewerb für die Stromerzeugungsgesellschaften. Können unrentable Kraftwerke nicht verkauft werden, können sie nur mehr geschlossen werden. Das betreffende Personal kann im Gesamtkonzern nicht untergebracht werden, da es bereits Personalüberkapazitäten gibt. Bis zum Jahr 2005 wird ein weiterer Personalabbau notwendig sein; mit dem Vorruhestandmodell allein sind die Zielzahlen nicht zu erreichen. Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie der Vereinbarung zwischen dem Vorstand und dem Zentralbetriebsrat der Zweitbeklagten vom 3. 5. 1977 unterliegen und den erweiterten Kündigungsschutz dieser Vereinbarung genießen. Weiters begehren die zu 1.) bis 13.) genannten Kläger von der Erstbeklagten und die zu 14.) und 15.) genannten Kläger von der Zweitbeklagten die Ausstellung jeweils eines Treuebriefes nachstehenden Inhalts:

"In Anerkennung ihrer langjährigen treuen Dienste für unsere Gesellschaft hat der Vorstand beschlossen, ihnen den Treuebrief zuzuerkennen. Mit diesem Treuebrief, der den Dank unserer Gesellschaft an sie ausdrücken soll, ist ein erweiterter Kündigungsschutz verbunden, wie er in der Vereinbarung zwischen dem Vorstand und dem Zentralbetriebsrat vom 3. Mai 1977 festgehalten ist. Wir sind überzeugt, dass sie auch weiterhin ihre ganze Arbeitskraft für unser Unternehmen einsetzen werden und begrüßen Sie."

Sie brachten vor, dass die Vereinbarung vom 3. 5. 1977 nur so verstanden werden könne, dass allen Dienstnehmern, welche die genannten Voraussetzungen erfüllten, der Kündigungsschutz zuzuerkennen und der Treuebrief auszustellen sei. Dies sei auch bisher so geschehen. Aus dieser mehr als zwanzigjährigen betrieblichen Übung sei die Verpflichtung der Beklagten abzuleiten, auch den Klägern den erweiterten Kündigungsschutz zuzuerkennen und den Treuebrief auszustellen. Die diesbezüglichen Ansprüche der Kläger hätten Eingang in ihre Dienstverträge gefunden. Darüber hinaus gebe es keinen sachlichen Grund dafür, die Kläger im Vergleich zu allen anderen Dienstnehmern schlechter zu stellen. Ihr Anspruch ergebe sich daher aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es werde auch bestritten, dass die Beklagten aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation den erweiterten Kündigungsschutz nicht mehr gewähren könnten.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und brachten vor, dass die Vereinbarung vom 3. 5. 1977 ausdrücklich als Kann-Bestimmung formuliert sei. Den Arbeitnehmern der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Ausstellung von Treuebriefen auf Grundlage der gegenständlichen Vereinbarung mit dem Betriebsrat erfolge und kein Rechtsanspruch darauf bestehe. Ein erweiterter Kündigungsschutz dürfe nicht soweit führen, dass für das Unternehmen durch die Weiterbeschäftigung oder die unveränderte Weiterbeschäftigung Schaden entstehe. Der gegenständlichen Vereinbarung sei die Berücksichtigung der Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jedenfalls immanent. Es müsse anerkannt werden, dass sich aufgrund der europaweiten Öffnung des Strommarktes die wirtschaftliche Lage in einem Ausmaß verändert habe, dass bei mangelnden Rationalisierungsmaßnahmen der Bestand des Unternehmens gefährdet werde. Es wäre geradezu absurd, in einem Unternehmen, das mit der Mehrzahl seiner Arbeitnehmer gravierende Vertragsänderungen, auch im Wege von Änderungskündigungen verhandle, einem Teil der Mitarbeiter weiterhin erweiterten Kündigungsschutz zu gewähren, wodurch gerade diese Möglichkeit ausgeschlossen werde. Die Verleihung des klagsgegenständlichen Kündigungsschutzes sei für die beklagte Partei zum derzeitigen Zeitpunkt jedenfalls unzumutbar. Die Abstandnahme von den Verleihungen an die Kläger sei nicht willkürlich erfolgt, sondern infolge der dramatischen Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sodass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im gegenständlichen Zusammenhang keine Rolle spiele.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich beurteilte es diesen Sachverhalt dahin, dass die Festlegung von Kündigungsgründen nicht Regelungstatbestand einer normativen Betriebsvereinbarung sein könne, weswegen es sich um eine freie (unzulässige) Betriebsvereinbarung handle. Der Inhalt dieser Vereinbarung sei durch betriebliche Übung Inhalt des Einzelarbeitsvertrages geworden, da den Arbeitnehmern bekannt war oder leicht bekannt sein konnte, dass sämtliche Kollegen, die die Voraussetzungen vom Lebensalter und der Dienstzeit her erfüllt hatten - sofern er nicht in ganz vereinzelten Fällten aus disziplinären Gründen oder wegen eines wesentlichen Fehlverhaltens verweigert worden sei - mehr als zwanzig Jahre hindurch den erweiterten Kündigungsschutz durch die Treuebriefverleihung zuerkannt erhalten hatten. Aus wirtschaftlichen Gründen komme der Widerruf der vertraglichen Zusage nicht in Betracht, da kein Widerrufsvorbehalt gesetzt worden sei. Auch sei niemals von einer Widerrufsmöglichkeit bei einer verschlechterten wirtschaftlichen Situation gesprochen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit ausführlicher Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Hervorzuheben ist, dass die rechtliche Qualifikation der Treuebriefevereinbarung - wie bereits aus den Protokollen ersichtlich - offenbar schon im Jahre 1983 Gegenstand widerstreitender Rechtsgutachten gewesen sei. Die Berufung habe sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes angeschlossen, wonach der Treuebrief den Rechtscharakter einer unechten (unzulässigen) Betriebsvereinbarung aufweise. Der vollständigkeitshalber sei aber zu bemerken, dass die Vereinbarung vom 3. 5. 1977 auch als kollektive Norm gesehen werden könnte, die eine Vorgangsweise im Sinne einer Abschlussnorm beinhalte und in Form einer Vertragsschablone festlege, welche Rechte dem Arbeitnehmer bei Verleihung des Treuebriefes zustünden. Auch unter diesem Aspekt würde es sich um keine normative Betriebsvereinbarung handeln, aufgrund welcher in den Arbeitsvertrag wirkungsfähig eingriffen und Kündigungsgründe festgelegt würden.

Jedenfalls trete die Grenzziehung zwischen den Kompetenzen der Kollektivvertragspartner und jener der Belegschaft und des Betriebsinhabers und damit die Grenzziehung zwischen echter und unechter Betriebsvereinbarung für die betroffenen Arbeitnehmer in den Hintergrund, wenn der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung gewisser Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer eine betriebliche Übung begründe, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringe und gleichfalls durch schlüssige Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Dienstverträge werde. Gingen beide Vertragsparteien wie im vorliegenden Fall von der Gültigkeit und Verbindlichkeit der Absprache in der Betriebsvereinbarung aus, könne die Frage der Zulässigkeit auf sich beruhen. Wesentlich sei, dass eine Betriebsübung nicht dahingehend entstanden sei, dass die Verleihung der Treuebriefe im willkürlichen Ermessen des Arbeitgebers gelegen sei, sondern dass das sich aus der Kann-Bestimmung ergebende Ermessen nur in dem oben dargelegten Sinn auszuüben worden sei. Diese grundsätzlichen Gewährungskriterien dürfe der Arbeitgeber jedoch einzelnen (Jahrgängen von) Arbeitnehmern gegenüber nicht verlassen und diesen vorenthalten, was er anderen zugebilligt habe. Vielmehr hätten die Kläger infolge der gleichbleibenden Handhabung durch den Dienstgeber davon ausgehen können, bei Erfüllung der bisherigen Gewährungskriterien die Treuebriefe ebenfalls zu erhalten. Sie hätten darauf vertrauen können, dass bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen eines Tages auch ihnen erweiterter Kündigungsschutz zukommen werde. Damit sei der Inhalt der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 Inhalt der Einzeldienstverträge geworden. Wenn nunmehr die Beklagten trotz bis heute unverändert gebliebener Umsetzung der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 den Klägern diesen erweiterten Kündigungsschutz übergangslos nicht zu erkennen wollten, stelle dies gegenüber jenen Dienstnehmern, die den Treuebrief bereits verliehen erhalten hätten, eine Schlechterstellung aus sachfremden, nämlich der Vereinbarung nicht immanenten Gründen dar. Auch unter dem Aspekt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sei daher ein einseitiges Abgehen von der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 nicht zulässig.

Soweit die Berufung meine, dass - selbst wenn man vom Vorliegen einer Betriebsübung ausgehen wollte - sich die Frage stelle, ob die geänderten wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht zum Recht des Dienstgebers führen würden, die Verleihung des Treuebriefes abzulehnen und sich auf die VOEST-Entscheidungen berufen, sei dem entgegenzuhalten, dass es sich dort um den (vorgesehenen) Widerruf von Betriebspensionen infolge Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse handelte, deren analoge Anwendung auf die vorliegend vereinbarten Kündigungsbeschränkungen schon vom Sachverhalt her nicht möglich erscheine. Wenn die Berufungswerber von "Sonderrechten" sprächen, die im Hinblick auf die nunmehrige wirtschaftliche Situation abzubauen seien, so laufe dies den Grundsätzen des Arbeitsverfassungsgesetzes zum Schutz älterer Arbeitnehmer zuwider. Selbst die von den Berufungswerbern zitierten VOEST-Pensionsentscheidungen kämen letztlich zu den Ergebnis, dass eine einseitige Kürzung einzelvertraglich vorbehaltslos zugesagter Betriebspensionen wegen wirtschaftlicher Notlage des Unternehmens und somit eine Vertragsanpassung unzulässig sei. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten sei der Lage der VOEST zur Zeit des Pensionswiderrufs nicht vergleichbar. Aber selbst wenn man die wirtschaftliche Situation gleichhalten und die Judikatur zur Kürzung von Betriebspensionen (mit Widerrufsvorbehalt) als anwendbar ansehen wollte, würde die dann vorzunehmende Interessensabwägung zugunsten der Kläger ausschlagen; dies schon deshalb, da keinerlei zeitliche Differenzierungen erfolgt seien bzw völlig übergangslos eine langjährige erworbene Vertrauensposition älterer Arbeitnehmer lediglich zu dem Zweck annulliert werden solle, um betriebliche Sparpläne (rascher) verwirklichen zu können.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob die zur Widerrufsmöglichkeit von Betriebspensionen vorhandene Judikatur auf (infolge Betriebsübung) einzelvertraglich eingeräumte Anwartschaften auf die Zuerkennung des erweiterten Kündigungsschutzes übertragbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise stellen sie auch einen Aufhebungsantrag. Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels einschlägiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, im Wesentlichen auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist ergänzend zu erwidern:

Die Beklagten bestreiten in ihrer Revision (S 5) nicht mehr, dass infolge Betriebsübung der Inhalt der Vereinbarung vom 3. 5. 1977 (der eine unzulässige [unechte] Betriebsvereinbarung iSd § 97 ArbVG darstellt) Inhalt der Einzeldienstverträge wurde: Dies betrifft jedenfalls dann zu, wenn wie vorliegendenfalls die Arbeitnehmer alle Anspruchsveraussetzungen für die Gewährung des Treuebriefes erfüllt haben.

Sie meinen aber, es stelle sich noch immer die Frage, ob die geänderten gesetzlichen (und die daraus folgenden) wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Recht des Dienstgebers führen, die Verleihung des Treuebriefes abzulehnen.

Der von den Revisionswerbern gezogene Vergleich mit den

VOEST-Betriebspensionsentscheidungen mit Widerrufsvorbehalt geht ins

Leere; allenfalls könnten die Betriebspensionsentscheidungen ohne

Widerrufsvorbehalt zum Vergleich herangezogen werden, weil mit den

hier zu beurteilenden Treuebriefen, eine unbedingte Individualzusage

eines Kündigungsschutzes gewährt wird (vgl 9 ObA 316/00m = Arb 12.081

= DRdA 2002/2 [Schwarz]) betreffend die hier zu beurteilenden

Treuebriefe. Mit dieser Entscheidung wurde der Feststellungsantrag des Verbandes der Elektrizitätswerke Österreichs nach § 54 Abs 2 ASGG abgewiesen, dass dessen Mitglieder berechtigt seien, Arbeitnehmer, denen bereits ein Treuebrief zuerkannt wurde, zu kündigen, wenn der Betrieb oder der Teilbetrieb, in dem sie beschäftigt sind, stillgelegt wird und eine Einsatzmöglichkeit auf einem anderen freien, mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz des Betriebes, Unternehmens oder des gesamten Konzerns nicht besteht. Der zentrale Einwand des Antragstellers, die betroffenen Arbeitgeber seien dadurch in unzulässigerweise zur Vornahme von "Austauschkündigungen", also zur Kündigung anderer Arbeitnehmer zur Freimachung von Arbeitsplätzen für die Treuebriefinhaber, verpflichtet, was wirtschaftlich ungünstig sei, weil jüngere, billigere Arbeitskräfte gekündigt werden müssten, wurde nicht für berechtigt erkannt.

Im Übrigen ist auch der Vergleich mit Betriebspensionen ohne Widerrufsvorbehalt nur sehr beschränkt geboten, weil hier die begehrte Erleichterung zunächst keine unmittelbare Ersparnis zur Folge hat, sondern nur künftige Kündigungen, die möglicherweise wirtschaftlich notwendig sein werden, auch bezüglich der Kläger erleichtern soll.

Soweit die Revisionswerber behaupten, die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass eine Widerrufsmöglichkeit aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen nicht vorgesehen sei, sei unrichtig entfernen sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Festgestellt wurde, dass die "Kann-Bestimmung" dem Vorstand nicht die Möglichkeit einräumen sollte, generell oder für ganze Jahrgänge aus wirtschaftlichen Gründen die Ausstellung des Treuebriefes zu verweigern, sondern dass dadurch der Vorstand nur in die Lage versetzt werden sollte, den erweiterten Kündigungsschutz im Einzelfall aus personenbezogenen, beispielsweise disziplinären Gründen zu verweigern, sowie dass die Zweitbeklagte auch in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten, als sie sogar in Insolvenzgefahr war, niemals die Ausstellung des Treuebriefes aus wirtschaftlichen Gründen verweigerte.

Im vorliegenden Fall geht es nicht wie im erwähnten Feststellungsantrag um die Kündigungsmöglichkeit von Arbeitnehmern, die bereits den Treuebrief und damit den erweiterten Kündigungsschutz erhalten haben, sondern darum, ob die Beklagten zur Vermeidung einer noch größeren Anzahl von Treuebriefinhabern mit Kündigungsschutz, die sie als betriebswirtschaftlich ungünstig ansehen, weil sie dadurch möglicherweise gezwungen wären, anstatt dieser Arbeitnehmer jüngere und damit billigere Arbeitskräfte zu kündigen, nunmehr plötzlich, unerwartet und unangekündigt Arbeitnehmer, die bereits in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für die Verleihung des Treuebriefes erfüllen, und gegen die auch keine persönlichen Gründe zur Verweigerung vorliegen, die Ausstellung des Treuebriefes verweigern dürfen.

Dies ist zu verneinen.

Die Kläger haben aufgrund ihrer langen Betriebszugehörigkeit und ihres Alters bereits die Anwartschaft auf die Ausstellung des Treuebriefes und den darin garantierten erweiterten, über § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG hinausgehenden Kündigungsschutz erworben. Sie durften darauf vertrauen, dass sie bei Wohlverhalten diesen Kündigungsschutz wie auch alle bisherigen Arbeitnehmer verliehen bekommen werden und konnten ihre weitere Lebensplanung darauf einrichten. Aus diesem Grund können sie nicht mehr nur auf den allgemeinen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer verwiesen werden. Diese Anwartschaft auf erweiterten Kündigungsschutz kann ihnen ebensowenig plötzlich, unerwartet, unangekündigt und ohne Übergangsfrist genommen werden, wie Anwartschaften auf eine Betriebspension; auf die in der kürzlich ergangenen Entscheidung des erkennenden Senates vom 28. 3. 2002, 8 Ob 236/01s, dargelegten umfassenden Erwägungen betreffend die Anwartschaft auf eine Betriebspension wird verwiesen. (Zur unterschiedlichen Interessenslage bezüglich des Kündigungsschutzes zu Beginn des Arbeitsverhältnisses, solange der Arbeitnehmer jung und mobil ist, und zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer nicht mehr so leicht einen anderen Arbeitsplatz findet, siehe B. Schwarz aaO

39.)

Die dort als erforderlich angesehenen weiteren Erhebungen betreffend eine Differenzierung der Intensität des Eingriffes nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Altersversicherungssystem, weil die Gewährung von Übergangsfristen - die dort klagende Partei konnte sich immerhin bereits acht Jahre auf die geplante Änderung (Entfall des fünfzehnten Monatsgehalts aufgrund geänderter Betriebsvereinbarungen) einstellen - die differenzierte Behandlung nach Dauer der erworbenen Betriebszeiten nicht schlechthin ersetzen könne, erübrigen sich vorliegendenfalls schon deshalb, weil alle Kläger die allgemeinen Voraussetzungen auf den erweiterten Bestandschutz bereits zu dem Zeitpunkt voll erfüllt hatten, als sich die Beklagten im Jahre 2000 plötzlich erstmals gerade bei ihnen weigerten, den Treuebrief, der diesen erhöhten Bestandschutz verleiht, aus nicht bei den Kläger liegenden Gründen, sondern aus allgemeinen wirtschaftlichen Überlegungen auszustellen. Aus dem Erfordernis der Gleichbehandlung der hier klagenden anwartschaftsberechtigten mit den bereits erhöhten Kündigungsschutz genießenden Arbeitnehmern - denen nach der bereits erwähnten Entscheidung im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG dieser infolge der unbedingten Individualzusage nicht mehr genommen werden kann - folgt, dass die willkürliche Verweigerung der Ausstellung von Treuebriefen für die Kläger, die die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen bereits voll erfüllt haben, unzulässig ist. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagten in Zukunft Arbeitnehmern, die derzeit noch nicht die allgemeinen Voraussetzungen (zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit, Vollendung des 45-jährigen Lebensjahres) für das - ihnen durch Betriebsübung einzelvertraglich eingeräumte - Recht auf Verleihung des Treuebriefes erfüllt haben, die aber bereits zumindest längere Zeit auf die Ausstellung des Treuebriefes vertrauen und ihre Lebensplanung darauf einrichten durften, die Verleihung des Treuebriefes nach Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen wegen geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse verweigern können, ist nicht klagsgegenständlich, sodass sich Erwägungen darüber erübrigen.

Im Übrigen sind die Beklagten darauf zu verweisen, dass sie keineswegs gehindert sind, auf dem Personalsektor Rationalisierungsmaßnahmen zu treffen; sie haben lediglich bei älteren Arbeitnehmern eine eingeschränkte Kündigungsmöglichkeit zu beachten, die im Falle der Treuebriefinhaber und der Kläger, die einen Anspruch auf Ausstellung eines solchen Treuebriefes bereits erworben haben, eben über den allgemeinen Kündigungsschutz des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG hinausgehen.

Das Argument der Revisionswerber, dass bei bestandgeschützen Arbeitsverhältnissen eine erhöhte Pflicht auf Vertragsanpassung bestehe, bezieht sich nur auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen. Sie kann aber nicht soweit gehen, aus der Treuepflicht auch die Pflicht auf einen Verzicht auf den erhöhten Bestandschutz abzuleiten; dies liefe auf den unhaltbaren Zirkelschluss hinaus, dass ein bestandgeschützter Arbeitnehmer, oder ein solcher, der bereits die Anwartschaft auf einen solchen erhöhten Bestandschutz erworben hat, gerade deshalb auf seinen erhöhten Bestandschutz verzichten müsse, weil er ja durch diesen erhöhten Bestandschutz bevorzugt sei. Die Pflicht zur Anpassung des Vertrages kann nicht so weit gehen, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht gehalten wäre, gegebenenfalls auf Verlangen seines Arbeitgebers seinen durch Individualzusage bestandgeschützten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und sich mit dem geringeren gesetzlichen Bestandschutz zufrieden zu gegeben.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die beklagten Parteien sind verpflichtet, den Klägern den strittigen Treuebrief auszustellen und ihnen den sich daraus ergebenden erhöhten Kündigungsschutz zu gewähren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO, wobei der Kostenersatz nach Kopfteilen aufzuerlegen war.

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