OGH 8ObA162/01h

OGH8ObA162/01h18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Herbert Bernold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralausschuss der Bediensteten der Mobilkom Austria AG, vertreten durch den Vorsitzenden Ing. Alexander Weimann, 1200 Wien, Treustraße 43, dieser vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mobilkom Austria AG, 1020 Wien, Obere Donaustraße 29, vertreten durch Dr. Rainer Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Berechnung des Urlaubsentgelts), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2001, GZ 10 Ra 50/01y-20, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. Mai 2000, GZ 15 Cga 93/99a-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.651,49 (darin EUR 275,25 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit 1. 5. 1996 wurde zur Besorgung der bisher von der Post und Telegraphenverwaltung wahrgenommenen Aufgaben die Post und Telekom Austria AG (PTA) errichtet. Mit Einbringungsvertrag vom 14. 10. 1996 wurde der Betrieb der PTA "Mobilkommunikation" im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an die Mobilkom Austria AG (beklagte Partei) eingebracht. Bei der beklagten Partei stehen rund 1.100 Dienstnehmer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis. Bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes der Dienstnehmer werden regelmäßig geleistete Überstunden und Bereitschaftsdienste nicht berücksichtigt. Davon sind mehr als drei Arbeitnehmer der beklagten Partei betroffen. Bis zur mit 10. 5. 2000 rechtswirksamen Verschmelzung der Post und Telekom Beteiligungsverwaltungs Gesellschaften (PTBG) und der PTA als übertragende Gesellschaften mit der österreichischen Industrie Holding Aktiengesellschaft (ÖIAG) als übernehmender Gesellschaft haben folgende Beteiligungsverhältnisse bestanden: Die Republik Österreich war alleinige Gesellschafterin der PTBG. Diese hielt wiederum 100 % der Anteile der PTA. Die PTA wiederum 74,999 % der Anteile der Telekom Austria AG, welche ihrerseits 74,999 % der Anteile der Mobil Austria AG (beklagte Partei) hielt. Die klagende Partei (Zentralausschuss der Bediensteten der beklagten Partei) begehrt die Feststellung, dass bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes der Dienstnehmer der beklagten Partei das Entgelt für die regelmäßig geleisteten Überstunden und die regelmäßig geleisteten Bereitschaftsdienste miteinzubeziehen sei. Eine Vielzahl von Dienstnehmern der beklagten Partei leisteten regelmäßig durch eine feststehende Arbeitszeiteinteilung im voraus bestimmte Überstunden und Bereitschaftsdienste. Diese Überstunden und Bereitschaftsdienste würden nach einer zwischen der PTA und dem Zentralausschuss geschlossenen Betriebsvereinbarung entlohnt. Dass die regelmäßig anfallenden Überstunden und die Rufbereitschaften bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes nicht berücksichtigt würden, widerspreche § 6 Abs 6 UrlG und dem Generalkollektivvertrag vom 2. 2. 1978.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass der überwiegende Teil ihrer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehenden Dienstnehmer ehemalige Vertragsbedienstete des Bundes seien, denen nach der gesetzlichen Anordnung die Rechte aus der Zeit vor der Errichtung der nunmehr beklagten Partei (das war der 1. 5. 1996) gewahrt blieben. Für diese Dienstnehmer sei die Geltung der aus dem VBG resultierenden Rechte angeordnet und eine Haftung des Bundes gesetzmäßig verankert worden. Das VBG sei in einer Gesamtbeurteilung günstiger als die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen für private Dienstverhältnisse (erhöhter Bestandsschutz, Vorrückungsautomatik, günstigere Regelungen bei Dienstverhinderung). Die Einrechnung von Überstunden und Rufbereitschaftsentgelten sehe das VBG jedoch nicht vor. Es sei daher unzulässig, sich im Sinne der "Rosinentheorie" auf besserstellende abweichende Bestimmungen des "Privatarbeitsrechtes", wie hier auf § 6 UrlG zu berufen. Die gleichen Überlegungen würden auch für jene "neuen" Dienstnehmer, deren Dienstverhältnis erst nach dem 1. 5. 1996 begründet worden sei, gelten. Für diese gelte Kraft Gesetzes unter anderem der in seinen wesentlichen Bestimmungen dem VBG nachgebildete Kollektivvertrag für die PTA, der ebenfalls eine wesentliche Besserstellung im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen für private Dienstverhältnisse darstelle. Nach § 19 Abs 1 PTSG würden diese Dienstverhältnisse ausdrücklich dem Angestelltengesetz und dem Kollektivvertrag unterliegen. Daraus sei zu erschließen, dass andere Gesetze, die private Dienstverhältnisse regelten, nur anzuwenden seien, soweit die entsprechenden Bereiche nicht im Angestelltengesetz oder im Kollektivvertrag normiert seien. Da der Kollektivvertrag abschließende Regelungen über Urlaub und Entgelt enthalte, sei das Urlaubsgesetz insoweit nicht anwendbar. Der Generalkollektivvertrag vom 22. 2. 1978 sei auf die in Frage stehenden Dienstverhältnisse nicht anwendbar, da sich dessen fachlicher Anwendungsbereich infolge Kollektivvertragsfähigkeit der beklagten Partei nicht auf sie erstrecke.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte in

rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus:

Ausgehend von der von der Berufungswerberin nicht mehr in Frage gestellten Anwendbarkeit der Regelungen des ersten Abschnitts des Urlaubsgesetzes auf die Dienstverhältnisse zur beklagten Partei behalte der Arbeitnehmer während des Urlaubs den Anspruch auf das Entgelt im Sinn des Ausfallsprinzips des § 6 Abs 1 UrlG. Er solle grundsätzlich jenes Entgelt bekommen, dass er verdient hätte, wenn er während der Zeit des Urlaubes gearbeitet hätte. Das bedeute, dass nicht nur regelmäßige Überstunden bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes zu berücksichtigen seien, sondern auch Entschädigungen für regelmäßig geleistete Rufbereitschaften. Die Bestimmungen des § 6 UrlG über das Urlaubsentgelt seien gemäß § 12 UrlG unabdingbar, wobei diese Unabdingbarkeit abgestuft sei. Jedenfalls ausgeschlossen seien aufhebende und einschränkende Regelungen in Einzelarbeitsverträgen oder Arbeits- bzw Dienstordnungen. Grundsätzlich, aber mit Ausnahmen, gelte dies auch für Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen. Zwar könne gemäß § 6 Abs 5 UrlG durch Kollektivvertrag iSd § 18 Abs 4 ArbVG geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Urlaubsentgelt anzusehen seien. Im Übrigen könne durch Kollektivvertrag nur die Berechnungsart für die Regelung der Höhe des Urlaubsentgeltes abweichend von § 6 Abs 3 und 4 UrlG geregelt werden. Diese Abweichung dürfe sich jedoch nicht auf den Entgeltbegriff und die Entgelthöhe beziehen.

Da es sich bei der zum Kollektivvertrag erhobenen Dienstordnung für die "alten" Dienstnehmer sowie bei dem neu abgeschlossenen Kollektivvertrag jedenfalls nicht um Kollektivverträge iSd § 18 Abs 4 ArbVG handle und deren § 39 Abs 1 bzw § 13 Abs 1 und 2 - sollten sie im Sinn der beklagten Partei auszulegen seien - § 6 UrlG widersprächen, so wären sie jedenfalls nichtig, sodass sich schon aus diesem Grund eine Stellungnahme zu deren Inhalt erübrige. Dies sei aber bei vernünftiger und zweckentsprechender Auslegung nicht nötig. Die genannten Bestimmungen des Kollektivvertrages könnten durchaus so ausgelegt werden, dass sie mit dem in § 6 UrlG normierten Ausfallsprinzip in Einklang zu bringen seien und daher auch Überstunden- und Rufbereitschaftsentgelte (unter den weiteren Voraussetzungen) in die Berechnungsgrundlage für das Urlaubsentgelt einzubeziehen seien. Keinesfalls könne aber der Ansicht der Berufung insofern gefolgt werden, als sie eine Nichtberücksichtigung von Überstundenentgelten und Entgelten für die Rufbereitschaften mit § 6 UrlG für vereinbar halte.

Soweit die Berufungswerberin argumentiere, dass in Verbindung mit den sonstigen, den Vertragsbedienstetengesetz nachgebildeten Bestimmungen des Kollektivvertrages (welche eine wesentliche Besserstellung der ihm unterliegenden Dienstverhältnisse im Vergleich zu sonstigen privatrechtlichen Dienstverhältnisse normieren) davon auszugehen sei, dass auch in jenem Bereich die Bestimmungen des VBG nachgebildet werden sollten, der eine Einbeziehung von Überstundenentgelten und Entgelten für Bereitschaftsdienste nicht vorsehe, sei ihr zu erwidern, dass es zwar zutreffe, dass eine Vorgangsweise im Sinne der "Rosinentheorie", nämlich die jeweils günstigeren Bestimmungen aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen zu beanspruchen, abzulehnen sei. Es seien aber nur sachlich und rechtlich zusammengehörende Bestimmungen miteinander zu vergleichen. Dazu komme, dass Kompensationen, die konkreten sozialpolitischen Zwecken der Mindestnormen widersprächen, generell unzulässig seien. Die Frage der Anwendbarkeit des Generalkollektivvertrages über den Begriff des Entgelts vom 22. 2. 1978 könne dahingestellt bleiben, weil das verfahrensrelevante Ausfallprinzip bereits in § 6 UrlG normiert sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei wendet sich in ihrer Revision im Wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass im Zusammenhang der hier zu entscheidenden Frage (ausschließlich) § 6 UrlG und die darauf basierende Judikatur zum darin normierten Ausfallsprinzip auf die dem gegenständlichen Feststellungsverfahren unterliegenden Dienstverhältnisse anzuwenden seien und diesen Grundsätzen widersprechende Bestimmungen des anwendbaren Kollektivvertrages nichtig oder im Sinne dieser Grundsätze zu interpretieren seien. Sie versucht unter Anführung verschiedener Ausgliederungsmodelle darzulegen, dass der Gesetzgeber mit §§ 18 und 19 PTSG beabsichtigte, materiell das VBG, soweit dessen Bestimmungen nicht den Bund als Arbeitgeber voraussetzten, als maßgebliches Arbeitsrecht für die betreffenden Arbeitsverhältnisse in Geltung zu bringen, und dass dies auch für den ab 1. 1. 2000 geltenden Kollektivvertrag zutreffe, weil dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden könne, dass er in Kenntnis der Ablehnung der "Rosinentheorie" durch die Judikatur ein Gemenge von Ansprüchen aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen normieren wollte, wonach für privatrechtliche Dienstverhältnisse zu einer juristischen Person des Privatrechts im Wesentlichen das VBG mit seinen Besserstellungen im Verhältnis zum "normalen" Privatrecht gelten sollte und nur dort, wo das "normale" Privatarbeitsrecht Einzelbesserstellungen vorsehe, wie insbesondere bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes oder der Urlaubsentschädigung, diese Bestimmungen gelten sollten. Die Regelungen des VBG hätten als leges speciales den Bestimmungen anderer Gesetze, die gleichen Regelungsinhalt hätten, vorzugehen. Gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des VBG seien aber Entgelte für regelmäßig geleistete Überstunden oder Bereitschaftsdienste nicht in das Urlaubsentgelt oder die Urlaubsentschädigung einzurechnen, weshalb die Klage abzuweisen gewesen wäre. Ein Günstigkeitsvergleich von sachlich und rechtlich zusammengehörigen Bestimmungen komme nicht in Frage, da nicht zwingende gesetzliche Regelungen auf vertragliche Regelungen treffen würden, sondern Bestimmungen, die gesetzlich für anwendbar erklärt worden seien, nämlich das VBG und der ihm nachgebildete Kollektivvertrag, die das Entgelt für regelmäßig geleistete Überstunden und regelmäßig geleistete Bereitschaftsdienste in die Berechnung des Urlaubsentgelts nicht einbezögen.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Es trifft zwar zu, dass in den letzten zehn Jahren zahlreiche Organisationseinheiten des Bundes ausgegliedert und eigene Einrichtungen mit unterschiedlichen Rechtsformen geschaffen wurden und dass die dabei getroffenen Regelungen unterschiedlich formuliert wurden. Das könnte durchaus dazu führen, dass die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der einzelnen Ausgliederungen unterschiedlich sind. Dies braucht jedoch vorliegendenfalls nicht geprüft werden. Im hier zu beurteilenden Fall wurde im Zuge der Ausgliederung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 201/1996, Art 95 - Bundesgesetz über die Errichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (Poststrukturgesetz - PTSG) - die Form einer Kapitalgesellschaft gewählt und das Aktiengesetz, soweit das Ausgliederungsgesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, für anwendbar erklärt (§ 1 Abs 1 PTSG). Nach § 19 Abs 1 dieses Gesetzes unterliegen die Dienstverhältnisse der neu eintretenden Bediensteten dem Angestelltengesetz und dem Kollektivvertrag für die Post und Telekom AG. Gemäß § 18 Abs 1 dieses Gesetzes werden die bei der Post- und Telegrapheverwaltung beschäftigten Vertragsbediensteten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes Arbeitnehmer der Post und Telekom Austria AG oder eines Unternehmens, an dem die Post und Telekom Austria AG zumindest mehrheitlich beteiligt ist. Die genannten Dienstnehmer unterliegen dem Kollektivvertrag gemäß § 19 Abs 4; der Bund haftet für Entgeltansprüche ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung dieser Ansprüche in dem Ausmaß, auf das die Arbeitnehmer als Vertragsbedienstete des Bundes Anspruch gehabt hätten. Die Erläuterungen (RV 72 BlgNR 20. GP) stellen klar, dass die Arbeitsverhältnisse zu neuen Unternehmen in Hinkunft nur mehr auf privatrechtlichem Vertrag beruhen. Die Konsequenz für den Bereich des Individualarbeitsrechts ist daher, dass das allgemeine Arbeitsrecht gilt, soweit nicht sondergesetzliche Regelungen im Ausgliederungsgesetz vorhanden sind. Für die ehemaligen Vertragsbediensteten hat dies im Rahmen der Personalüberleitung die Konsequenz, dass sie zu Angestellten bzw Arbeitern mit einem neuen privaten Arbeitgeber übergeleitet werden und dass VBG als lex contractus Vertragsinhalt der Einzelarbeitsverträge wurde; es dient als Vertragsschablone (so bereits der Oberste Gerichtshof in anderen

Ausgliederungsfällen 9 ObA 256, 257/93 = SZ 66/169 = DRdA 1994/40 =

ecolex 1994, 186; 8 ObA 361/97i = Arb 11.692 mwN).

Ob diese Rechtsfolge durch andere Formulierungen, wie etwa in dem von der beklagten Partei erwähnten Gesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffungsgesellschaft mbH (§ 13 BGBl I 39/2001) mit der Konsequenz hätte umgangen werden können, dass ausschließlich das VBG weiter gilt, kann hier - als nicht entscheidungswesentlich - dahingestellt bleiben.

Der von der beklagten Partei angestrebten Auslegung des hier zu beurteilenden Ausgliederungsgesetzes (PTSG) dahin, dass das VBG für alte und neue Dienstnehmer (für diese via nach Nachbildung des VBG im Kollektivvertrag) für gesetzlich anwendbar erklärt und als lex specialis gegenüber dem Urlaubsgesetz anzuwenden sei und auch dessen zwingende Bestimmungen ausschließe, kann nicht gefolgt werden. Sie kann nicht dem Wortsinn des Gesetzes entnommen werden und steht in eklatantem Widerspruch zu den oben wiedergebenen Erläuterungen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass weder durch Einzeldienstvertrag, mag auch die betreffende Regelung (hier VBG) durch Vertragsschablone in diesen eingeflossen sein, noch durch einen Kollektivvertrag zwingende Regelungen umgangen werden können (9 ObA 517/88; 9 ObA 361/97i = Arb 11.692). Dass das in § 6 UrlG verankerte Ausfallsprinzip eine solche ist, ist einhellige

Rechtsprechung und Lehre (9 ObA 141/88 = ZAS 1989/22 [Andexlinger] =

RdW 1988, 459 uva; zuletzt etwa 8 ObA 361/97i = Arb 11.692; Kuderna,

UrlG2 Anm 1 zu § 6; Cerny, Urlaubsrecht7, Anm 1 zu § 6 ua), ebenso wie dass gerade auch regelmäßig geleistete Überstunden in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind (4 Ob 59/80 = SZ 53/88 uva; Kuderna aaO Anm 6; Cerny aaO Anm 4 ua). § 6 UrlG ist daher, ebenso wie alle anderen zwingenden Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts etwa betreffend Abfertigung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung einzuhalten, soweit sie günstiger sind als die als lex contractus in den Einzeldienstvertrag übernommenen Bestimmungen des VBG (9 ObA 517/88; 8 ObA 361/97i = Arb 11.692).

Alle diese Überlegungen treffen auch für Kollektivverträge, insbesondere auch für den im vorliegenden Bereich seit 1. 1. 2000 wirksamen Kollektivvertrag zu; auch diese können zwingende gesetzliche Regelungen nicht außer Kraft setzen (so ausdrücklich § 12 UrlG).

Soweit sich die Revisionswerberin in ihren Ausführungen auf die von der Judikatur abgelehnte "Rosinentheorie" beruft, ist ihr vorweg entgegenzuhalten, dass nach herrschender Ansicht ein Günstigkeitsvergleich jedenfalls nie generell, sondern immer nur punktuell vorzunehmen ist, und zwar in dem Sinn, dass sachlich und rechtlich zusammenhängende Bestimmungen gegenüber gestellt werden (für alle Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht II4 128 mwN). Was im Verhältnis Kollektivvertrag zu Einzelarbeitsvertrag gilt, muss erst recht im Verhältnis zwingender gesetzlicher Normen zu Einzelarbeitsverträgen und Kollektivverträgen gelten. Eine Gesamtbeurteilung dahingehend, ob insgesamt die als Vertragsschablone in die Einzelverträge eingeflossenen Bestimmungen des VBG günstiger als die allgemeinen arbeitsvertraglichen Regelungen sind, hat insofern jedenfalls nicht stattzufinden, als die dem Arbeitnehmer eingeräumten gesetzlichen Mindestansprüche nicht durch andere vertraglich eingeräumte günstigere Bestimmungen beschränkt werden können. Eine Kompensation zwingender gesetzlicher Ansprüche mit vertraglich eingeräumten Ansprüchen kommt nicht einmal, wenn sie dem selben Regelungsbereich angehören, in Betracht. So hat der Oberste Gerichtshof in der bereits erwähnten Entscheidung 8 ObA 361/97i = Arb 11.692 erkannt, dass eine durch das VBG als lex contractus vereinbarte verlängerte Bezugsdauer des Monatsentgelts bei Dienstverhinderung nicht zur Kürzung der Bemessungsgrundlage gemäß § 8 AngG berechtigt.

Die Entscheidung der Vorinstanzen ist daher zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.

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