OGH 8ObA238/01k

OGH8ObA238/01k18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Herbert Bernold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei 1. Ing. Peter S*****, 2. Ing. Erich Z*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Klezl-Norberg, Rechtsanwalt in Hinterbrühl, wider die beklagten Parteien 1. U***** AG, *****, 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Paul Doralt ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zwischenantrages der beklagten Parteien auf Feststellung (Revisionsinteresse EUR 36.336,42) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 2001, GZ 7 Ra 173/01i-33, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. September 2000, GZ 13 Cga 168/97p-28, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen. Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 2.077,45 (darin EUR 336,24 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger waren vorerst bei der erstbeklagten und sodann bei der zweitbeklagten Partei (einem Tochterunternehmen der Erstbeklagten) im Bereich "Haustechnik" beschäftigt und dort mit der Betreuung sämtlicher Haustechnikleistungen verantwortlich betraut. Die Zweitbeklagte beabsichtigte im Zuge einer Umstrukturierung ihre Abteilung "Haustechnik" aufzulösen. Die Kläger sollten im Zuge der Umstrukturierung der Zweitbeklagten (zu der sie seit langem in einem durch Kündigung de facto nur schwer auflöslichen Beschäftigungsverhältnis standen) durch freiwillige Leistungen und großzügige wirtschaftliche Unterstützung dazu bewogen werden, in die einvernehmliche Auflösung ihrer Dienstverhältnisse einzuwilligen und ihre bisherige Tätigkeit in selbständiger Form fortzuführen. Die Zweitbeklagte bezahlte sogar den Klägern die Gesellschaftseinlagen für die zu gründende Gesellschaft und stellte ihnen unentgeltlich PCs zur Verfügung. Die Kläger verhandelten die Rahmenbedingungen für ein freiwilliges Ausscheiden zunächst mit einem Vorstandsmitglied der Erstbeklagten und stellten mit diesem Einvernehmen ua darüber her, dass sie im Rahmen der künftigen selbständigen Erwerbstätigkeit von den beklagten Parteien mit Haustechnik-Projekten beauftragt würden, indem ihnen bei den von den Beklagten zu vergebenden Aufträgen ein "Einstiegsrecht" zum arithmetischen Mittel jenes Werklohnes, der von den beiden Bestbietern im Ausschreibungsweg offeriert wird, gewährt würde. Unter "Einstiegsrecht" verstanden alle Beteiligten, dass nach Legung der Anbote der aus dem Einstiegsrecht Berechtigte vom Ausschreibenden über die Höhe der einzelnen Angebote zu verständigen ist, sodass er ein dementsprechendes Anbot stellen kann. In einem von sämtlichen Streitteilen unterfertigten Aktenvermerk über die Ergebnisse einer am 6. 12. 1994 stattgefundenen Besprechung wurde (neben anderen Punkten) in Punkt 7. das Einstiegsrecht der Kläger in der vorbesprochenen Form über ein Auftragsvolumen von S 10,000.000,-- schriftlich festgelegt.

Ohne dass seit der Besprechung vom 6. 12. 1994 weitere Gespräche zwischen den Streitteilen erfolgt wären, wurde den Klägern am 15. 2. 1995, zwei bis drei Stunden vor dem offiziellen Termin für die Vereinbarung über ihr Ausscheiden, überraschend ein vom Rechtsanwalt der beklagten Parteien verfasster Entwurf einer Vereinbarung vorgelegt, der ua in Punkt IV von der Vereinbarung vom 6. 12. 1994 Punkt 7 betreffend das Einstiegsrecht abwich. Auf Befragen der Kläger erklärten die Geschäftsführer der Zweitbeklagten die Abweichung dahin, dass der Text entsprechend genauer formuliert sei und nur das deutlicher aussage, was bereits im Dezember unter Punkt 7 der damaligen schriftlichen Übereinkunft vereinbart worden sei. Die Kläger unterfertigten hierauf die Vereinbarung vom 15. 2. 1995. Die beklagten Parteien missachteten in der Folge das Einstiegsrecht der Kläger und stellten sich auf den Standpunkt, ein solches sei in der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 nicht vorgesehen; sie informierten die Kläger nicht über die von ihnen im Ausschreibungsweg eingeholten Anbote anderer Bieter und stellten sich auf den Standpunkt, dass die Kläger im Ausschreibungsweg das Bestbot zu erstatten hätten, um von ihnen beauftragt zu werden.

Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage von den beklagten Parteien S 8,400.000,-- sA Schadenersatz wegen Nichterfüllung im Zusammenhang mit dem ihnen gewährten Einstiegsrecht. Die beklagten Parteien stellten im Zuge des Verfahrens einen Zwischenantrag auf Feststellung sowie einen geringfügig abweichenden Eventualantrag dahin, dass die beklagten Parteien gemäß Punkt IV der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 lediglich verpflichtet seien, den Abschluss von Werkverträgen bis zu einem maximalen Gesamtwerklohn von insgesamt S 10,000.000,-- netto anzubieten, und zwar nur dann, wenn sie bei Vergabe dieser Werkverträge Dispositionsfreiheit hätten und wenn die Kläger oder die Gesellschaften, an denen diese mehrheitlich beteiligt seien, im Ausschreibungsweg gleichviel oder weniger an Werklohn forderten als die übrigen Mitbewerber, und dass sich diesfalls der Werklohn aus dem arithmetischen Mittel der beiden übrigen Bestbieter ergebe.

Das Erstgericht wies mit Zwischenurteil das Zwischenfeststellungsbegehren und das Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte das Ersturteil unter Hinweis auf § 500a ZPO. Das Erstgericht habe die Vereinbarung vom 6. 12. 1994 als eine Punktation beurteilt und hinsichtlich der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 einen auf Gewährung eines "Einstiegsrechtes" gerichteten Vertragswillen festgestellt. Da die Feststellung des Vertragswillens, insbesondere der Schluss von bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht dem Tatsachenbereich zuzuordnen sei, sei die Rechtsrüge der beklagten Parteien insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als sie der Vereinbarung den Sinn unterstellen wollen, ein solches "Einstiegsrecht" sei nicht gewährt worden. Wenn die beklagten Parteien den Standpunkt verträten, dass die Streitteile durch die Unterzeichnung der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 zu erkennen gegeben hätten, dass sie eine (allfällige) wie auch immer lautende - vertragliche - Vereinbarung gemäß dem Gedächtnisprotokoll vom 6. 12. 1994 (hinsichtlich eines unbedingten und unbeschränkten Einstiegsrechtes) durch eine neue schuldrechtliche Verpflichtung mit dem Inhalt des Punktes IV der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 ersetzen wollten und dies auch getan hätten, und der Vertragsinhalt der Vereinbarung vom 6. 12. 1994 einvernehmlich durch den Inhalt der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 ersetzt worden sei, sei ihnen zu erwidern, dass die Urkundenauslegung zwar grundsätzlich rechtliche Beurteilung sei, dies aber dann nicht zutreffe, wenn, wie durch das Erstgericht geschehen, zur Auslegung der Urkunden auch über die Absicht der Parteien durchgeführte Beweise herangezogen worden seien. Die Argumente hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 als Novation iSd § 1376 ABGB gingen dabei ins Leere, weil sie sich durch den vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt eines anders gearteten Vertragswillens der Streitteile nicht gedeckt seien. Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil einerseits oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Punktation spärlich sei und es sich andererseits bei der Auslegung der klagsgegenständlichen Vereinbarung zwar nicht um eine "Streitigkeit iSd § 46 Abs 3 Z 1 ASGG im technischen Sinn handle", jedoch um eine Vereinbarung, die aus Anlass der Beendigung eines Dienstverhältnisses geschlossen worden sei, sodass den zu lösenden Rechtsfragen immerhin eine gleichwertige erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision der beklagten Parteien ist mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kläger machen Nichterfüllungsansprüche im Zusammenhang mit der ihnen anläßlich der einvernehmlichen Auflösung ihrer Arbeitsverhältnisse (die nicht strittig ist), gewährten "Einstiegsrechte" geltend; solche Ansprüche fallen nicht unter § 46 Abs 3 Z 1 ASGG; weder dem Gesetz selbst, noch Lehre und Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass neben den im Gesetz genannten Fällen auch andere "gleichwertige" Fälle ein absolutes Revisionsrecht im Sinn des § 46 Abs 3 ASGG begründen sollten.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG, die die Revision zulässig machen könnte, liegt ebenfalls nicht vor.

Die beklagten Parteien bestreiten nicht, dass sie am 6. 12. 1994 eine verbindliche Vereinbarung getroffen und dort ein "Einstiegsrecht" im oben dargestellten Sinn vereinbart haben. Es ist vorliegendenfalls unerheblich, ob die Vereinbarung vom 6. 12. 1994 als Punktation iSd § 885 ABGB anzusehen ist oder nicht (- weil nach Ansicht der beklagten Parteien die Absicht fehlte, dass der Vereinbarung noch eine förmliche Vertragserrichtung, die sie in der Folge eigenmächtig in die Wege leiteten, folgen sollte [EvBl 1958/381; 1974/247 uva] -). Nach den mit Hilfe von Parteien- und Zeugenaussagen getroffenen, mit Revision nicht mehr bekämpfbaren Feststellungen (Kodek in Rechberger Komm ZPO2 Rz 2 zu § 498 ZPO) sollte nämlich durch die Vereinbarung vom 15. 2. 1995 jedenfalls hinsichtlich des hier relevanten "Einstiegsrechts" keine Abänderung der Vereinbarung vom 6. 12. 1994 erfolgen. Die Geschäftsführer der Zweitbeklagten beschwichtigten auf Nachfrage die mit dem neugefassten Vertragsentwurf überraschten Kläger gerade hinsichtlich des "Einstiegsrechts" dahingehend, dass der Text entsprechend genauer formuliert und nur deutlicher aussagen solle, was bereits im Dezember schriftlich vereinbart worden sei. Wenn die Beklagten nunmehr in ihrer Rechtsrüge ausführen, die Streitteile hätten durch die Errichtung des Vertrages vom 15. 2. 1995 zu erkennen gegeben, dass sie hiemit die vorangegangene Vereinbarung vom 6. 12. 1994 ersetzen wollten und somit eine Novation platzgegriffen hätte, entfernen sie sich vom festgestellten Vertragswillen (vgl SZ 55/132; SZ 55/152 uva).

Soweit die Beklagten schließlich behaupten, zur Auslegung der Vereinbarung vom 15. 2. 1995 hätte ausschließlich deren Wortsinn und nicht auch andere Beweisergebnisse, insbesondere nicht die Vereinbarung vom 6. 12. 1994, herangezogen werden dürfen, weshalb wegen Verletzung der Auslegungsregeln des österreichischen Zivilrechts die Revision jedenfalls zulässig sei, ist ihnen entgegenzuhalten, dass nicht die Vorinstanzen, sondern sie selbst mit diesen Ausführungen die Auslegungsregeln missachten. Zwar ist zunächst - genauso wie bei der Gesetzesauslegung - vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen. Der Ausleger darf jedoch dabei nicht stehen bleiben ("es ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften"); er muss vielmehr den Willen beider Parteien unter Heranziehung der bei oder vor Vertragsabschluss abgegebenen Erklärungen erforschen. Darunter ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und vom ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (für alle Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 97).

Genau das haben die Vorinstanzen getan.

Die beklagten Parteien können sich auch nicht auf den für sie maßgeblichen Empfängerhorizont berufen, der ausgehend vom Wortlaut der zweiten Vereinbarung vom 15. 2. 1995 zu einer anderen Beurteilung führen müsse, weil sie anläßlich dieses Vertragsabschlusses den Klägern auf Anfrage erklärt hatten, die strittige Fassung des Punktes IV des Vertrages sei im Sinn des (unstrittig) am 6. 12. 1994 vereinbarten "Einstiegsrechts" zu verstehen.

Da somit - auch soweit die Rechtsrüge überhaupt als ordnungsgemäß ausgeführt anzusehen ist - jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage, sondern nur eine Vertragsauslegung im Einzelfall vorliegt, bei der dem Berufungsgericht jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Den Klägern sind die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben.

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