OGH 6Ob75/02a

OGH6Ob75/02a18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde K*****, vertreten durch Dr. Georg Fidler, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagten Parteien 1. Dkfm Manfred V*****, und

2. Dr. Friedrich K*****, beide vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Räumung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 13. Dezember 2001, GZ 4 R 208/01t-12, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 11. Juli 2001, GZ 33 Cg 8/01y-8, teilweise aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien sind bücherliche Eigentümer zweier benachbarter Liegenschaften. Die Grenze verläuft in der Mitte einer Hauseinfahrt, die durch ein im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehendes Tor verschlossen werden kann. Die Parteien haben jeweils das Servitutsrecht, die ihnen nicht gehörige Liegenschaftsfläche der Hauseinfahrt zum Gehen und Fahren zu benützen. Die Beklagten hatten mit der Rechtsvorgängerin der klagenden Gemeinde vereinbart, dass das gemeinsame Tor verschlossen bleibt. Zwischen den Parteien ist strittig, ob diese Vereinbarung beim Kauf der Liegenschaft durch die Klägerin von dieser mitübernommen wurde. Die Gemeinde errichtete auf ihrem Grundstück Parkplätze für den öffentlichen Verkehr und ist daran interessiert, dass die Benützer der Parkplätze durch die Hauseinfahrt zur Hauptstraße der Gemeinde gelangen können. Nachdem die Klägerin zu diesem Zweck das Tor geöffnet hatte, brachten die Beklagten eine Besitzstörungsklage ein, der stattgegeben wurde. Mit der am 24. 1. 2001 beim Erstgericht eingelangten Eigentusmfreiheitsklage begehrt die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand für schuldig zu erkennen, den die gemeinsame Hauseinfahrt bildenden Teil des Grundstücks der Klägerin “hinsichtlich des gemeinsamen Tores zu räumen und zur Ausübung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei freizugeben". Sie habe mit dem Kaufvertrag die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens durch die Hauseinfahrt übernommen, nicht aber die bloß obligatorische Vereinbarung der Beklagten, dass das gemeinsame Tor verschlossen zu halten sei. Durch das Verschließen der Hauseinfahrt könne die Klägerin ihr Eigentumsrecht an der halben Hauseinfahrt nicht ausüben. Sie habe die mündliche Vereinbarung über das Verschließen des Tores aufgekündigt. Die Beklagte wandte ein, dass die Klägerin die Liegenschaft in Kenntnis der den Dienstbarkeitsvertrag ergänzenden Vereinbarung der Beklagten mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin gekauft habe. Die Klägerin sei als Rechtsnachfolgerin an die Vereinbarung gebunden. Die Benützung der Hauseinfahrt sollte nur den wenigen Benützern des Hauses offenstehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Ohne Feststellungen zu treffen, beurteilte es das Klagebegehren dahin, dass die Klägerin von den Beklagten die Räumung der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft von dem im Miteigentum der Parteien stehenden Tor verlange. Selbst bei Zutreffen der Klagebehauptungen sei das Klagebegehren abzuweisen. Die Frage, ob das Tor ständig versperrt zu halten sei, gehe über die ordentliche Verwaltung im Sinne des § 833 ABGB hinaus. Sie betreffe die Regelung der Benützung der Sache. Entweder liege eine Benützungsvereinbarung als Dauerrechtsverhältnis vor oder eine bloß faktische Gebrauchsregelung im Sinne einer prekaristischen Benützung. Der Einzelrechtsnachfolger sei an eine Benützungsvereinbarung zwar nur gebunden, wenn ihm diese überbunden worden sei oder er in die Benützungsregelung eingetreten sei. Durch die Veräußerung gehe aber der Titel für die Beibehaltung der bisherigen Benützungsverhältnisse nicht verloren. Die Benützungsvereinbarung ende nicht durch einseitige Erklärung, sondern nur durch eine gemeinsame Erklärung, eine neue Benützungsvereinbarung oder durch rechtskräftige Entscheidung des Außerstreitrichters über die Neuregelung der Benützungsverhältnisse. Hier sei eine Neuregelung der Benützung des Miteigentums durch Anrufung des Außerstreitrichters geboten. Bei einer bloß prekaristischen Benützungsvereinbarung bestehe keine Regelung oder Vereinbarung der Benützung des gemeinsamen Tores und damit kein Titel der Klägerin zur Durchsetzung ihres Räumungsbegehrens gegenüber den weiteren Miteigentümern. Der erforderliche Titel könne mangels Einigung nur durch den Außerstreitrichter geschaffen werden. Das auf die Freigabe des Teils der gemeinsamen Hauseinfahrt, der im Eigentum der Klägerin stehe, gerichtete Urteilsbegehren sei nicht exequierbar. Das Klagebegehren dürfe nicht völlig unbestimmt sein.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Begehrens auf Freigabe des die gemeinsame Hauseinfahrt bildenden Teils des Grundstücks der Klägerin zur Ausübung des Eigentumsrechtes der Klägerin, weil das Klagebegehren nicht exequierbar sei und hob im Umfang der Abweisung des Begehrens, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, den die gemeinsame Hauseinfahrt bildenden Teil des Grundstücks der Klägerin, hinsichtlich des gemeinsamen Tors zu räumen, zur Verfahrensergänzung durch das Erstgericht auf. Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, dass obligatorischen Verpflichtungen, wie etwa eine Benützungsregelung, auf den Einzelrechtsnachfolger grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung übergingen. Bei der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einen neuen Gemeinschafter habe der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung vertreten, dass der Titel für eine Beibehaltung der Benützungsregelung durch die Einzelrechtsnachfolge nicht verloren gehe. Das Dauerschuldverhältnis ende vielmehr erst mit dem Abschluss einer neuen Benützungsregelung, einer gemeinsamen Auflösungserklärung oder mit einer neuen Entscheidung des Außerstreitrichters. Diese Judikatur, die das Erstgericht zitiert habe, betreffe jedoch ausschließlich Fälle, in denen Liegenschaftsmiteigentumsanteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge veräußert worden seien. Hier leite die Klägerin ihre Ansprüche auf Räumung aber nicht aus ihrer Stellung als Miteigentümerin des Tores, sondern aus ihrem Alleineigentum an der Liegenschaft ab, die in der Natur zur Hälfte die Zufahrt zu den Liegenschaften der Streitteile bilde. Die vom Erstgericht herangezogene Judikatur sei auf die Klage eines Alleineigentümers (Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB) nicht anwendbar. Es komme daher darauf an, ob die obligatorische Vereinbarung der Beklagten mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin über die Errichtung eines gemeinsamen Tores und dessen Handhabung vertraglich auf die Klägerin als Einzelrechtsnachfolgerin überbunden worden sei. Darüber müsse das Beweisverfahren durchgeführt werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Mit ihrem Rekurs beantragen die Beklagten die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass wohl das gemeinsame Tor im gemeinsamen Eigentum der Parteien steht, nicht aber die Grundfläche der Hauseinfahrt, in deren Mitte die Grenze der benachbarten Liegenschaften verläuft. Eine im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Benützungsregelung (§§ 834, 835 ABGB) setzt Miteigentum voraus. Grundsätzlich gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Rechtsweg, soferne nicht das Gesetz etwas anderes ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig bestimmt (RS0012214; 1 Ob 202/00p). Eine gerichtliche Regelung durch den Außerstreitrichter ist nur zulässig, wenn keine Benützungsvereinbarung vorliegt (Gamerith in Rummel ABGB3 Rz 5 zu § 835 mwN). Die Unwirksamkeit, Aufhebung oder Abänderung der Vereinbarung ist im Rechtsweg durchzusetzen (RS0013554; RS0013622). Ob ausnahmsweise eine Benützungsregelung durch den Außerstreitrichter trotz Vorliegens einer Benützungsvereinbarung erfolgen kann, weil sich die objektiven Gebrauchsmöglichkeiten geändert haben (RS0013552), ist hier nicht entscheidend, weil eine Benützungsvereinbarung von Miteigentümern nur hinsichtlich des Tores vorliegen kann, nicht aber hinsichtlich der im Alleineigentum der Klägerin bzw im Miteigentum der Beklagten stehenden benachbarten Liegenschaften. Die Prozessparteien stehen in Ansehung der Grundstücke nicht in einer Rechtsgemeinschaft von Miteigentümern. Dies hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Für das auf die Freiheit des Liegenschaftseigentums gestützte Klagebegehren ist der Rechtsweg zulässig. Es liegt kein Rechtsstreit unter Miteigentümern im Sinne des § 835 ABGB vor. Daran vermag das Miteigentum am Tor der Hauseinfahrt nichts zu ändern, auch wenn darüber eine Benützungsvereinbarung (von den Miteigentümern des Tores) abgeschlossen und diese der Klägerin auch überbunden worden sein sollte und wenn die Vereinbarung überdies auch die Benützung der Hauseinfahrt, also der Grundflächen, umfasste, weil auch bei diesem Sachverhalt keine Vereinbarung von Miteigentümern einer Liegenschaft, sondern nur eine Vereinbarung von Liegenschaftsnachbarn vorläge. Eine solche Vereinbarung kann allerdings der Eigentumsfreiheitsklage als Sacheinwendung entgegengesetzt werden. Darüber wird im zweiten Rechtsgang zu entscheiden sein. Die auf richtig zitierte Rechtssätze des Obersten Gerichtshofs gestützte Rechtsansicht des Erstgerichtes setzt eine hier nicht vorliegende Miteigentümerschaft an einer Liegenschaft voraus. Im Übrigen kommt es bei der Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, auf den Inhalt des Begehrens und den Wortlaut des Klage- oder Antragsvorbringens, also auf die Sachverhaltsbehauptungen der verfahrenseinleitenden Partei an (RS0046238). Die Klägerin behauptet das Fehlen einer sie bindenden Benützungsregelung. Schon deshalb kann die Abweisung des Klagebegehrens nicht auf die Zuständigkeit des Außerstreitrichters gegründet werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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