OGH 11Os6/02

OGH11Os6/029.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Otto J***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. August 2001, GZ 18 Hv 1002/01p-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückge- wiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto J***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (C) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

Danach hat er

zu A: in Pischeldorf von 1988 bis 1993 in zumindest zwei Angriffen Manuela S***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, nämlich dadurch, dass er sie einmal auf den Boden stieß, sie dort festhielt, sie entkleidete und dem schreienden Mädchen den Mund zuhielt sowie ein zweites Mal dadurch, dass er sie ins WC sperrte, sie gegen eine Wand drückte und wegen ihrer Gegenwehr festhielt sowie ihr den Mund zuhielt, zur Duldung des Beischlafs genötigt;

zu B: von 1988 bis 1993 durch die zu A geschilderten Fälle sowie in einem weiteren Fall mit der am 29. April 1984 geborenen Manuela S*****, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf unternommen;

zu C: außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen, und zwar:

I: an der am 21. September 1983 geborenen Martina R***** dadurch, dass er

1: im Sommer 1990 oder 1991 in Pischeldorf ihre Hose öffnete und sie über ihrer Unterhose an der Scheide betastete;

2: im Sommer 1991 oder 1992 im Bereich der Saualpe ihre Hand erfasste und diese zu seinem Glied führte;

II: an der am 29. April 1984 geborenen Manuela S***** in Pischeldorf zwischen 1991 und 1993 dadurch, dass er sie im Wohnzimmer seines Hauses entkleidete, am Körper, insbesondere im Geschlechtsbereich abgriff und sich sodann mit geöffneter Hose auf ihren nackten, am Boden liegenden Körper legte, wodurch es zu einem Kontakt eines Geschlechtsteils mit dem entblößten Körper des Mädchens kam; zu D: durch die zu B und C/II geschilderten Tathandlungen die minderjährige Manuela S*****, die seiner Aufsicht unterstand, zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Schuldsprüche gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund wurden durch das Beweisanträge abweisende Zwischenerkenntnis (S 304) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Die begehrte Wiedergabe eines Videofilms aus dem August 1992 über einen Aufenthalt des Angeklagten bei der Familie R*****, bei welchem sich Martina R***** ihm gegenüber äußert zutraulich gezeigt und zu diesem Körperkontakt gesucht habe (S 302), konnte schon deshalb unterbleiben, weil das Erstgericht ohnedies von dem zu beweisenden Umstand ausging, wonach Martina R***** gegenüber dem Angeklagten bei Anwesenheit dritter Personen ein normal freundschaftliches Verhalten an den Tag legte und sich nicht von ihm distanzierte (US 10). Die beantragte Vernehmung der Zeugin Veronika L***** zu nicht inkriminierten, über 30 Jahre zurückliegenden Vorfällen zwischen dem Beschwerdeführer und der Mutter der Manuela S***** war - wie im Zwischenerkenntnis zutreffend ausgeführt - für die Lösung der Schuldfrage in diesem Verfahren nicht erheblich.

Der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass “beim Angeklagten keinerlei objektive oder krankhafte Hinweise in Bezug auf sexuell abnormes Verhalten gegenüber Kindern gegeben sind bzw ein pädophiles Zustandsbild vorhanden ist" (S 303), legt nicht dar, inwiefern selbst dem allfälligen Fehlen von psychiatrisch fassbaren pädophilen Symptomen Relevanz für die Frage der (viele Jahre zurückliegenden) Täterschaft zukommt.

Die Einwände zur Mängelrüge (Z 5) übergehen die sorgfältige und mit den Gesetzen der Logik im Einklang stehende Beweiswürdigung der Tatrichter (US 9 bis 19). So hat sich das Erstgericht auch mit der Schilderung der Manuela S***** vom “Eindringen" des Penis und den daraus resultierenden Widersprüchen zur Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit auseinandergesetzt. Dass es tatsächlich nur zu einer Berührung der Geschlechtsteile gekommen ist (was auch die Beschwerde der Aussage des Mädchens entnimmt), reicht aber zur Tatbestandsverwirklichung (zu A und B) hin.

Aus welchen Gründen das Schöffengericht bei Feststellung der subjektiven Tatseite nicht zu Schlussfolgerungen aus Verfahrensergebnissen berechtigt sein soll, ist nicht verständlich. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen bekämpft vielmehr die tatrichterliche Beweiswürdigung mit eigenständigen Erwägungen nach Art einer unzulässigen Schuldberufung.

Abgesehen davon, dass eine (Negativ-)Feststellung selbst nicht aktenwidrig sein kann, sondern Aktenwidrigkeit im Sinne der Z 5 bloß die unrichtige oder sinnentstellend unvollständige Wiedergabe eines entscheidungswesentlichen Inhalts einer Aussage oder einer Urkunde (als Grundlage einer schuldspruchrelevanten Konstatierung) darstellt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185, 191), zeigt die Mängelrüge keine Falschzitierung der Angaben der Zeugin Manuela S***** auf. Sie trachtet vielmehr anhand von unterschiedlich zusammengestellten Passagen aus der Aussage des Mädchens und zeitlicher Gleichsetzung des Beginns des merklich schlechteren Hörens und des Arztbesuches (vgl S 79) wiederum nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen. Überdies kommt der exakten Fixierung der über zwölf Jahre zurückliegenden Tatzeit auch unter Berücksichtigung der vorlegten Bestätigung, dass für den Angeklagten am 3. Mai 1989 weder ein Urlaubs- noch ein Krankheitstag eingetragen sei, keine den Schuldspruch betreffende maßgebliche Bedeutung zu. Der Vorwurf eines Übergehens dieser Dienstzeitaufstellung durch das Erstgericht lässt wiederum die ausführliche Befassung mit der Urkunde und der zeitlichen Einordnung (US 15 f) unbeachtet.

Der Beschwerde zuwider war auch das Schöffengericht zu einer eingehenderen Erörterung der Frage, ob ein Autoritätsverhältnis vorgelegen ist, nicht verhalten; haben doch neben der unbestrittenen Tatsache, dass der Nichtigkeitswerber Großonkel der Manuela S***** ist, die insgesamt als glaubwürdig angesehene (US 16) Zeugin Siegrid S***** sowie sogar die als dem Angeklagten sehr wohl gesonnen eingeschätzte (US 14) Ehegattin Hermine J***** übereinstimmend angegeben, dass die Kinder “sowohl der Tante als auch dem Onkel" überlassen und von beiden beaufsichtigt wurden (S 292, 296). Eine Überprüfung des Vorbringens zur Tatsachenrüge (Z 5a), welches aus verschiedenen Verfahrensdetails den Beschwerdeführer zu entlasten trachtet, ergibt anhand des Akteninhaltes keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsfeststellungen. Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu den Schuldsprüchen A und B die zur subjektiven Tatseite konstatierte “Beischlafsabsicht" als offensichtliche verba legalia und (in zumindest zwei Fällen) als nicht ausreichend kritisiert, übergeht sie prozessordnungswidrig die zu diesen Fakten getroffenen Feststellungen in ihrer Gesamtheit (US 4 bis 6). Der Einwand, zur Tatbestandsverwirklichung sei darüber hinaus “ein Vorsatz auf das Eindringen in das weibliche Geschlechtsorgan" erforderlich, orientiert sich nicht am Gesetz.

Auch die Ausführungen zur Subsumtionsrüge (Z 10), wonach zumindest in zwei Fällen (wenn überhaupt) lediglich eine Verurteilung gemäß § 207 Abs 1 StGB in Frage käme, gehen nicht von Urteilssachverhalt aus und verfehlen somit eine prozessordnungskonforme Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht der Prozessordnung entsprechend bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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