OGH 4Ob54/02y

OGH4Ob54/02y9.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Reinhard K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A***** GmbH & Co KG (LG Klagenfurt, 40 S 95/00m), vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Eugen Salpius und Dr. Markus Kroner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 118.672,31 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. September 2001, GZ 2 R 126/01i-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. März 2001, GZ 2 Cg 129/99s-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Masseverwalter in dem am 9. 5. 2000 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der A***** GmbH & Co KG (in der Folge: Gemeinschuldnerin). Die Gemeinschuldnerin bzw ihre Rechtsvorgängerin war seit 1948 Händlerin von Fahrzeugen der Marke Ford im Raum Villach und Hermagor. Mit Wirkung vom 1. 1. 1981 schloss die Gemeinschuldnerin mit der Beklagten, der österreichischen Import- und Vertriebsgesellschaft der Kölner Ford-Werke Aktiengesellschaft für Kraftfahrzeuge der Marke Ford, einen Händlervertrag ab, der von der Beklagten mit Schreiben vom 20. 7. 1995 mit Wirksamkeit zum 31. 7. 1996 aufgekündigt wurde. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung zur Beklagten schloss die Gemeinschuldnerin einen Händlervertrag für Fahrzeuge der Marke Mazda ab. Die durchschnittliche Behaltedauer eines PKW Ford beträgt drei bis vier Jahre, die Lebensdauer 12 - 14 Jahre.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. 6. 1998 (GZ 2 Cg 326/96g), bestätigt mit Urteil des OLG Linz vom 28. 10. 1998 (GZ 1 R 215/98p), wurde die Beklagte zur Zahlung von 605.668,80 S sA an die Gemeinschuldnerin aus dem Titel des Ausgleichsanspruchs (in analoger Anwendung des § 24 HVertrG 1993) verpflichtet. Die Gemeinschuldnerin hatte vor Klageeinbringung - ausgehend von einer durchschnittlichen Jahresprovision in Höhe von 7,570.861 S vor Vertragsbeendigung (berücksichtigend sowohl das Neuwagengeschäft als auch das Ersatzteilgeschäft im maßgeblichen Zeitraum) abzüglich einem Drittel zuzüglich 20 % USt - einen ihr zustehenden Anspruch von 6,056.688 S errechnet, davon aber aus prozessökonomischen Gründen vorerst lediglich 10% geltend gemacht. Die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil, das sich - mangels entsprechender Berufungsausführungen hiezu - mit der Höhe des Klagebegehrens nicht auseinandersetzten musste, wurde vom OGH mit Beschluss vom 27. 4. 1999, 1 Ob 369/98s, ohne Außenbegründung zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Masseverwalter nunmehr weitere 4,035.213 S sA als Ausgleichsanspruch, und zwar diesmal ausgehend von einer durchschnittlichen Jahresnettoprovision von 7,734.719 S unter Abzug der Hälfte und unter Anrechnung des bereits im Vorprozess zugesprochenen Teilbetrags von 605.668 S (woraus sich rechnerisch richtig eine Restforderung in Höhe von 4,035.163 S ergäbe). Auf Grund ihrer langen Tätigkeit für die Marke Ford sei davon auszugehen, dass der gesamte Kundenstock der Beklagten im betroffenen Verkaufsgebiet von der Gemeinschuldnerin aufgebaut worden sei; die Sogwirkung der Marke sei daher zu vernachlässigen. Die für die Beklagte nunmehr im betroffenen Verkaufsgebiet tätige Nachfolgerin habe den gesamten Kundenstock der Gemeinschuldnerin übernommen, der durch die Vertragskündigung ihre Existenzgrundlage entzogen worden sei. Dies habe auch zur Betriebsstilllegung mit Ende 1999 geführt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Gemeinschuldnerin habe über längere Zeit schuldhaft die ihr gestellten Verkaufsziele nicht erreicht, weshalb die Geschäftsbeziehung zu Recht aufgelöst worden sei. Ein Ausgleichsanspruch stehe ihr nur insoweit zu, als ihre Tätigkeit als Händlerin zu einer Werterhöhung des Unternehmens des Herstellers (Zwischenhändlers) geführt habe, die nicht bereits durch die Handelsspanne und sonstige Leistungen abgegolten sei. Sogwirkung der Marke und Abwanderungsquote seien mit je 25 - 50 % zu bewerten. Bei der Umsatzberechnung seien nur Fahrzeugverkäufe an Stammkunden zu berücksichtigen; Umsätze aus dem Ersatzteilgeschäft seien nicht einzubeziehen, weil die Gemeinschuldnerin insoweit eine vom Vertrieb der Fahrzeuge unabhängige eigene gewerbliche Tätigkeit ausübe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 1,632.966,60 S sA statt und wies - insoweit rechtskräftig - das Mehrbegehren ab. Der der Gemeinschuldnerin zustehende Ausgleichsanspruch errechne sich unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Neuwagenumsatzes von 4,477.270,80 S unter Abzug von insgesamt 50 % für Sogwirkung der Marke und Abwanderungsrisiko sowie der schon im Vorverfahren zugesprochenen 605.668,80 S. Das Ersatzteilgeschäft der Gemeinschuldnerin sei nicht zu berücksichtigen. Es sei jedoch nicht nur von den Stammkunden (= Mehrfachkunden) auszugehen, weil ein Auto mehrere Jahre Umlaufzeit habe, was bei Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten zur Folge hätte, dass in den ersten Jahren überhaupt kein Ausgleichsanspruch zustünde. Die üblicherweise mit höchstens 25 % zu berücksichtigende Sogwirkung der Marke sei hier von geringerer Bedeutung, weil die Gemeinschuldnerin schon fast so lange Ford-Händlerin gewesen sei, wie die Marke Ford bestanden habe; dies rechtfertige die Annahme einer Sogwirkung von nur 10 %. Das Abwanderungsrisiko sei jedoch mit 40 % höher einzuschätzen als üblich, weil die Gemeinschuldnerin nach Beendigung des Händlervertrages mit der Beklagten einen Händlervertrag betreffend die Konkurrenzmarke Mazda abgeschlossen habe, die gerade im Gebiet der Gemeinschuldnerin stärker vertreten sei als im österreichischen Schnitt. Auch spreche die Marke Mazda ähnliche Käuferschichten an wie die Marke Ford.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil in seinem allein angefochtenen klagestattgebenden Teil und im Kostenausspruch auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil möglicherweise von Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Feststellung und der Beweisfähigkeit von Sogwirkung und Abwanderungsrisiko abgewichen worden sei und die Frage, inwieweit Meinungs- und Marktforschungsstudien im Zivilprozess zulässige Beweismittel seien, von erheblicher Bedeutung sei. Der Kläger habe im Vorprozess einen (echten) Bruchteil einer behaupteten Gesamtforderung geltend gemacht, der keiner Rechtsmittelbeschränkung unterlegen sei; wenn er nunmehr - ohne neue Beweismittel oder Argumente zum Grund des Anspruchs in den Prozess einzuführen - die behauptete Restforderung geltend mache, lägen die Voraussetzungen für die Annahme einer Bindungswirkung aufgrund Entscheidungsharmonie insoweit vor, als dies den Grund des Anspruchs betreffe. Der Höhe nach sei der Klageanspruch jedoch zu prüfen. Die Auffassung des Erstgerichts und der Gemeinschuldnerin, sämtliche Neuwagenumsätze seien zu berücksichtigen, sei abzulehnen, weil der Händler nur für solche Neukunden ausgleichsberechtigt sei, von denen zu erwarten sei, dass sie auch nach Vertragsbeendigung weitere Fahrzeuge derselben Marke kaufen würden. Es müsse also die Mehrfachkäuferquote ermittelt werden, die allein dafür entscheidend sei, wieviele Kunden der Eigenhändler dem Generalimporteur zugeführt habe und inwieweit zu erwarten sei, dass der Generalimporteur aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses Vorteile ziehen könne. Die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Umlaufzeit für einen Pkw von zehn Jahren und mehr erscheine allerdings als unangemessen hoch, sei es doch wohl eher nicht die Regel, dass Käufer von Neuwagen diese praktisch bis zur altersbedingten Schrottreife benützten. Eher sei davon auszugehen, dass Käufer von Neuwagen diese regelmäßig nach Ablauf eines kürzeren Zeitraums in den Gebrauchtwagenmarkt einbrächten oder beim Händler gegen einen Neuwagen unter Aufzahlung eintauschten. Damit sei aber bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zunächst grundsätzlich nur von der Wiederkäuferquote auszugehen; dabei könnten nur jene Neuwagenumsätze zugrundegelegt werden, bei denen der Käufer des Neuwagens innerhalb der Geltung des Händlervertrages einen weiteren (oder mehrere) Neuwagen beim Vertragshändler angekauft habe. Da aber damit zwangsläufig sämtliche Neuwagenumsätze des Vertragshändlers mit Erstkunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor endgültiger Beendigung des Händlervertrages aus der Berechnung des Abfertigungsanspruchs herausfielen, sein zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse darüber hinaus die Neuwagenumsätze mit Erstkunden innerhalb des zu ermittelnden Zeitraums unter Zugrundelegung der Wiederkäuferquote (das ist das Verhältnis der mehrmaligen Neuwagenkäufer zu einmaligen Neuwagenkäufern während des Vertragszeitraumes) hinzuzurechnen, weil grundsätzlich zu erwarten sei, dass auch von diesen Erstkunden der der Wiederkäuferquote entsprechende Teil weitere Käufe tätigen werde. Betrage beispielsweise die Wiederkäuferquote 75 %, dann wären auch 3/4 jener Umsätze der Berechnung zugrundezulegen, die mit Erstneuwagenkunden innerhalb dieses Zeitraumes vor endgültiger Beendigung des Händlervertrages abgeschlossen worden seien. Auch ein Einmalkunde könne nämlich ausnahmsweise bereits Stammkunde sein, wenn und soweit unter Berücksichtigung branchenüblicher Besonderheiten aufgrund einer Schätzungsprognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragsende Wiederholungskäufe durch ihn zu erwarten seien. Dieser überschaubare Zeitraum müsse sich daran orientieren, über welchen Zeitraum erfahrungsgemäß Neuwagenkunden durchschnittlich ihren Neuwagen selbst nutzten und dann entweder in den allgemeinen Gebrauchtwagenmarkt einbrächten und sich einen Neuwagen anschafften oder beim Vertragshändler gegen einen Neuwagen unter Aufzahlung eintauschten; er lasse sich empirisch, etwa durch Marktforschung oder die Auswertung einschlägiger Statistiken, ermitteln. Beweisergebnisse dazu lägen nicht vor, weil das Erstgericht keine derartigen Überlegungen angestellt habe und sich die Parteien dazu bisher auch nicht geäußert hätten. Schon aus diesem Grund sei eine Verfahrensergänzung erforderlich. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht diese Problematik mit den Parteien zu erörtern und diese zu entsprechendem Vorbringen aufzufordern haben, wobei die Beweislast für die Dauer des zu bestimmenden angemessenen Zeitraums den Kläger treffe, weil dies die Anspruchsgrundlage betreffe. Mit den Parteien werde jedenfalls zu erörtern sein, ob es hinsichtlich dieser Frage bereits Marktforschungsstudien und/oder Statistiken gebe, die einer neuerlichen Entscheidung zugrundegelegt werden könnten, falls nicht, aufgrund welcher sonstigen Beweismittel (etwa Beiziehung von Sachverständigen aus dem Gebiete der Marktforschung) derartige Feststellungen getroffen werden könnten. Sollten derartige konkrete Feststellungen nicht - oder jedenfalls nicht mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand - getroffen werden können, dann wäre - allerdings erst nach Ausschöpfung entsprechender Beweismittel - auch eine Entscheidung unter Bedachtnahme auf § 273 ZPO denkbar.

Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs seien - der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und Literaturmeinungen folgend - die Bemessungsfaktoren Sogwirkung der Marke, Abwanderungsrisiko und anteilige Vertriebskosten gemäß § 273 Abs 1 ZPO insgesamt mit einem Abzug von 40 % zu berücksichtigen, es sei denn, der Vertragshändler und/oder der Importeur stellten zu diesen Abzugsfaktoren konkrete Behauptungen auf, wonach ein Abzug in anderer Höhe vorzunehmen sei. Im vorliegenden Verfahren habe die Beklagte vorgebracht, beim Neuwagenkauf sei die Marke wichtiger als Verkäufer und Standort, daher könne die Sogwirkung der Marke auch nicht für alle Marken einheitlich und pauschal beurteilt werden; die Sogwirkung der Marke Ford sei jedenfalls mit 50 % zu bemessen, wozu noch das Abwanderungsrisiko der zugeführten Kundschaft zu kommen habe, welches konkret zwischen 25 % und 50 % betrage, wie sich aus einschlägigen Marktforschungsergebnissen ergäbe. Zum Beweis für ihr Vorbringen habe sich die Beklagte auf die bisherigen Marktforschungsergebnisse und ein einzuholendes Gutachten eines Marktforschungsinstituts berufen. Damit habe aber die Beklagte konkrete Behauptungen zu den Bemessungsfaktoren aufgestellt, die nicht durch einen pauschalen Hinweis auf § 273 ZPO und damit letztlich entweder willkürlich (bei unterschiedlichen Prozentabzügen) oder krass nivellierend (bei einheitlichen Prozentabzügen) beurteilt werden könnten. Die vom Erstgericht vorgenommene Berücksichtigung von 10 % Sogwirkung und 40 % Abwanderungsrisiko möge daher zwar im Ergebnis im Bereich der bisherigen Rechtsprechung liegen, doch sei es im Hinblick auf die ausreichend vorliegenden Behauptungen der Beklagten notwendig, aufgrund konkreter Beweisergebnisse konkrete Feststellungen zur Sogwirkung der Marke Ford und zum Abwanderungsrisiko betreffend die Gemeinschuldnerin zu treffen. Dass insofern nicht sämtliche Pkw-Marken einheitlich beurteilt werden könnten, zeige sich wohl schon allein darin, dass etwa die Sogwirkung der Marke Rolls-Royce deutlich höher liegen müsse als jene von Marken wie Seat, Lada uä. Weit verbreitete Marken wie Mazda, Ford, VW, aber auch exklusivere Marken wie Mercedes oder BMW seien wohl im Zwischenbereich anzusiedeln. Beim Abwanderungsrisiko sei einerseits die jeweilige Sogwirkung der Marke, andererseits aber auch das Engagement und die Kundenzufriedenheit mit dem konkreten Vertragshändler zu berücksichtigen. Meinungs- und Marktforschungsstudien beruhten grundsätzlich auf wissenschaftlich anerkannten Methoden und seien zulässige Beweismittel im Zivilprozess. Habe nun die Beklagte ausdrücklich ihre Bereitschaft bekundet, Marktforschungsstudien zu diesen Beweisthemen in Auftrag zu geben, sei ein Rückzug des Gerichts auf § 273 ZPO nicht unbedingt notwendig, zumal nach freier Überzeugung nur dann entschieden werden könne, wenn der Beweis über den streitigen Betrag gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen sei. Bei der Beurteilung, ob unverhältnismäßige Schwierigkeiten vorlägen, sei zwar der mit einer Beweisaufnahme verbundene Aufwand an Kosten, Zeit und Arbeit zu berücksichtigen; weil aber die Höhe des Streitwerts zumindest ein Indiz für die Bedeutung der Streitsache für die Parteien sei, müsse der Richter um so größere Schwierigkeiten bei der Beweisaufnahme in Kauf nehmen, je höher der Streitwert sei. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren auch konkrete Feststellungen zur Sogwirkung der Marke Ford an sich, zum Verhältnis der Sogwirkungen der Marken Ford und Mazda zueinander, zum Einfluss der Kundenzufriedenheit bei einem Wechsel eines Vertragshändlers von Ford zu Mazda und zur Zufriedenheit der (ehemaligen) Kunden der Gemeinschuldnerin zu treffen haben, weil sich letzteres auf das Abwanderungsrisiko der von ihr zugeführten Kunden ausgewirkt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger erachtet die vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzungen für entbehrlich; er verweist auf die von der deutschen Rechtsprechung zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines gekündigten Markenhändlers entwickelte "Münchner Formel" und fordert deren sinngemäße Anwendung. Dazu ist zu erwägen:

In dritter Instanz unbestritten sind die grundsätzliche Berechtigung der Gemeinschuldnerin, als Eigenhändlerin nach Beendigung ihres Händlervertrags Ausgleichsansprüche analog dem Handelsvertreterrecht zu stellen (vgl dazu grundlegend EvBl 1998/104 mwN; ecolex 1999, 322; RdW 2001, 151 ua), sowie der zuletzt in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, dass beim Ersatzteilgeschäft als bloßem Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs regelmäßig nicht zu erwarten ist, dass der Unternehmer auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses zu einem in sein Werkstättennetz eingegliederten Händler erhebliche Vorteile iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG ziehen kann, weshalb dieser Geschäftsbereich in die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG nicht einzubeziehen ist (4 Ob 79/99t = SZ 72/78; EvBl 2000/122; ecolex 2001, 119 [Thaler]; RdW 2001, 151).

Die dem Kfz-Vertragshändler analog § 24 HVertrG zustehende Entschädigung lässt sich nicht aus einer einfachen Provisionsberechnung ermitteln. Vielmehr muss darauf abgestellt werden, inwieweit die ihm zustehende Handelsspanne die Werterhöhung des Unternehmens des Herstellers (Zwischenhändlers) durch die Überlassung des Kundenstammes deckt oder nicht (ecolex 2001, 119 [Thaler]; RdW 2001, 151). Ausgangspunkt für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist die Handelsspanne des Vertragshändlers zuzüglich allfälliger auf die Vermittlungstätigkeit zurückzuführender Sondervergütungen zur Berechnung der Höhe allgemein: Nocker, Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, Vertragshändlers und Franchisenehmers, Rz 452 ff). Davon sind jene Vergütungen abzuziehen, die der Vertragshändler für Leistungen erhält, die der Vertragshändler typischerweise nicht erbringt. Mindernd zu berücksichtigen ist auch die größere oder geringere Sogwirkung der Marke sowie das Abwanderungsrisiko der zugeführten Kundschaft (ecolex 2001, 119 [Thaler]; RdW 2001, 151 mwN), weil als zum Ausgleich verpflichtendes Element nur solche erheblichen Vorteile auf seiten des Herstellers (Zwischenhändlers) anzusehen sind, die auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Vertragshändler fortdauern (Sonnenschein/Weitemeyer in Heymann, dHGB² § 89b Rz 22). Der Sogwirkung einer Marke als anspruchsmindernder Faktor (zum Begriff: Nocker aaO Rz 293) kommt dabei besonders in der Automobilbranche eine erhebliche Bedeutung zu; sie ist im Rahmen der Billigkeitserwägungen angemessen zu berücksichtigen (v. Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, § 89b Rz 113 mN zur Rsp des BGH in FN 320).

Insgesamt gestaltet sich die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung sehr schwierig. Die Berechnung ist aber jedenfalls in einer Weise von den Umständen des Einzelfalls abhängig, dass sich etwa allgemein gültige Prozentsätze für die einzelnen als anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Faktoren nicht festsetzen lassen (ecolex 2001, 119). Wegen dieser notwendigerweise an den Besonderheiten des Einzelfalls auszurichtenden Ermittlung des Anspruchs ist - entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers - für pauschale Berechnungsweisen oder die Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach festen Formeln grundsätzlich kein Raum. Dies gilt insbesondere auch für die - im Rechtsmittel breit dargestellte - sogenannte "Münchner Formel" zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers (Einzelheiten dazu bei Kümmel, Der Ausgleichsanspruch des Kfz-Vertragshändlers - Berechnung nach der "Münchner Formel", DB 1998, 2407 ff). Diese wurde für eine ganz bestimmte Fallgestaltung (nämlich zur Berechnung der Ausgleichsansprüche der BMW-Vertragshändler nach Änderung des Vertriebssystems von BMW) entwickelt und kann allenfalls bei gleichgelagerten Sachverhalten als unverbindlicher Anhaltspunkt herangezogen werden (Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, dHGB 89b Rz 129). Selbst die Schöpfer dieser Formel erheben aber nicht den Anspruch, diese Art der Berechnung wäre die in sämtlichen Fallgestaltungen einzig richtige, sondern bezeichnen die Formel als "praktikablen Lösungsweg mit der Möglichkeit, dem Einzelfall durch Abwandlung gerecht zu werden" (Kümmel aaO 2409).

Dem Berufungsgericht ist daher grundsätzlich darin beizupflichten, dass die in die Berechnung der Höhe der Ausgleichsforderung einfließenden Faktoren als Tatfragen Gegenstand eines - die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden - Beweisverfahrens sind. Dabei trifft den beklagten Hersteller (Zwischenhändler) die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Vertragshändler geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden (JBl 1997, 262; RdW 2000, 152; RdW 2001, 151).

In aller Regel wird dabei im Hinblick auf die Komplexität der Materie und die äußerst aufwändige Beweisführung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Umstände jeweils nur eine Festsetzung nach § 273 Abs 1 ZPO möglich sein (ecolex 2001, 119). Dies gilt aber dann nicht, wenn - wie hier - besondere Umstände geltend gemacht werden, die im Einzelfall eine Veranschlagung etwa der Abschlagsfaktoren "Sogwirkung der Marke" und "Abwanderungsrisiko" (dazu allgemein: Nocker aaO Rz 399 ff) mit nach der Erfahrung geschätzten Pauschalsätzen unbillig erscheinen lassen. Als solche besonderen Umstände kommen hier ein behaupteter überdurchschnittlich hoher Bekanntheitsgrad der Marke FORD, eine behauptete hohe Unzufriedenheit der Kunden mit den Leistungen der Gemeinschuldnerin und die mögliche erhöhte Abwanderung von FORD-Kunden der Gemeinschuldnerin nach deren Vertragswechsel zu MAZDA in Betracht. Dass auch die Ergebnisse der Umfragen von Meinungsforschungsinstituten (demoskopische Umfragen) nach der ZPO - wenn auch dort nicht besonders erwähnte - zulässige Beweismittel sind, wird nicht nur von der überwiegenden Lehre anerkannt (Rechberger in Rechberger, ZPO² vor § 292 Rz 8 mwN; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht³ 30), sondern ist auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (etwa zum Nachweis des Bestehens der Verkehrsgeltung eines Kennzeichens: ÖBl 1993, 92 - Pickfein) unstrittig. Auch nach Auffassung des EuGH sind Verbraucherbefragungen - etwa zur Erhebung der Unterscheidungskraft einer Marke, deren Eintragung beantragt wird (ÖBl 1999, 255 - Windsurfing Chiemsee Rn 53 mwN) oder zur Beurteilung der Irreführungseignung einer Angabe (Rs C-210/96 , Slg 1998 I - 4657, Gut Springenheide, Rn 37) - nach dem Gemeinschaftsrecht und nach Maßgabe des anzuwendenden nationalen Rechts zulässig.

Zuzustimmen ist der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei Berechnung des Ausgleichsanspruchs grundsätzlich von der Wiederkäuferquote auszugehen ist, also Neuwagenumsätze mit jenen Kunden zugrundezulegen sind, die während der Laufzeit des Vertrags bereits wiederholt Neuwagen bei der Gemeinschuldnerin erworben haben. Eine dauerhafte, dem Hersteller (Zwischenhändler) auch noch zukünftig Vorteile gewährende Geschäftsverbindung ist nämlich erst dann gegeben, wenn innerhalb eines überschaubaren, in seiner Entwicklung noch abschätzbaren Zeitraums mit dem Abschluss weiterer Geschäfte mit einem vom Vertragshändler neu geworbenen Kunden zu rechnen ist. Dieser Zeitraum bestimmt sich beim Warenvertrieb unter anderem danach, wie häufig sich ein Neubedarf einstellt (v.Hoyningen-Huene aaO Rz 67). Bei nicht häufig angeschafften langlebigen Wirtschaftsgütern (zu denen Fahrzeuge zu zählen sind) würde aber - wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt - die Nichtberücksichtigung der potentiellen Stammkunden, also jener Neukunden, die bei Fortdauern des Händlervertrags Stammkunden geworden wären, zu einem den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werdenden und für den Vertragshändler unbilligen Ergebnis führen (Löwisch aaO Rz 84; Nocker aaO Rz 304 und Rz 424 f). Der Ergänzungsauftrag an das Erstgericht, für die Umstände des konkreten Falls zu erheben, über welchen Zeitraum Neuwagenkunden erfahrungsgemäß ihren Neuwagen nutzen, und wie hoch die Wiederkäuferquote anzusetzen ist, damit in der Folge auch der Umsatz mit jenem Anteil an Neukunden berücksichtigt werden kann, der innerhalb des so ermittelten Zeitraums - die Vertragsfortsetzung unterstellt - ein Folgegeschäft getätigt hätte, ist daher aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.

Bei seiner neuerlichen Berechnung des Ausgleichsanspruchs wird das Erstgericht schließlich noch zu berücksichtigen haben, dass der nach Bewertung von Vorteilen und Verlusten ermittelte Gesamtbetrag abzuzinsen ist, weil die Provisionsverluste im voraus abgegolten werden, während der Vertragshändler die Provision erst innerhalb mehrerer Jahre verdient (Nocker aaO Rz 463 ff; v.Hoyningen-Huene aaO Rz 139; Löwisch aaO Rz 128; Sonnenschein/Weitemeyer aaO Rz 72). Dies gilt auch dann, wenn der Ausgleich erst nach einer langen, mehrjährigen Prozessdauer gezahlt wird (v.Hoyningen-Huene aaO Rz 139 mwN). Allgemein gültige Regeln über Art und Höhe der Abzinsung im Einzelfall bestehen nicht (Nocker aaO Rz 465 f; Löwisch aaO Rz 128; ähnlich Sonnenschein/Weitemeyer aaO Rz 72 mit Beispielen aus der deutschen Praxis).

Das Berufungsgericht hat seinen Aufhebungsbeschluss auf eine zutreffende Rechtsansicht gestützt. Dem Rekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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