OGH 4Ob7/02m

OGH4Ob7/02m9.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griss und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Partei Axel R*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Heidemarie R*****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, wegen Feststellung (Streitwert: 32.027,32 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 11. Oktober 2001, GZ 2 R 370/01s-10, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 25. Juni 2001, GZ 10 C 55/01a-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Einstellungsantrags richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Klagezurückweisung dahin abgeändert, dass die Einrede der (internationalen) Unzuständigkeit abgewiesen wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.259,32 EUR (darin 209,89 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile, die miteinander verheiratet waren, sind deutsche Staatsbürger. Der in Deutschland lebende Kläger wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. 9. 1993 verpflichtet, der nunmehr bei Villach wohnenden Beklagten ab 1. 1. 1993 einen monatlichen nachehelichen Unterhalt von 1.740 DM zu zahlen.

Mit der am 26. 3. 2001 eingebrachten Klage begehrt der Kläger, das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. 9. 1993 dahin abzuändern, dass der Kläger ab Jänner 2001 keinen Unterhalt mehr an die Beklagte zu zahlen habe. Die Beklagte lebe seit über drei Jahren in einer Lebensgemeinschaft. Zwischen ihr und ihrem neuen Partner herrsche eine ehegleiche ökonomische Solidarität, in der die Beklagte ihr Auskommen finde, sodass sie nicht mehr bedürftig sei. Ein weiterer Unterhaltsanspruch sei der Beklagten daher gemäß § 1579 Nr 7 dBGB zu versagen.

Am 30. 3. 2001 stellte der Kläger an das Erstgericht den Antrag, sämtliche zur Durchsetzung des durch das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. 12. 1993 (Anm des Senats: das ist der Tag der Ausfertigung des am 30. 9. 1993 verkündeten Urteils) begründeten Unterhaltsanspruchs der Beklagten anhängige Exekutionsverfahren, insbesondere das Exekutionsverfahren 31 M 261/01 des Amtsgerichts Essen bis zur rechtskräftigen Erledigung der auf Abänderung des Unterhaltsanspruchs gerichteten Klage vom 26. 3. 2001 gemäß § 769 dZPO einzustellen. Die Beklagte führe gegen den Kläger auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Essen vom 12. 3. 2001 Exekution. Von seinem Guthaben bei der Sparkasse Dortmund würden für Unterhaltsforderungen 5.526,98 DM mit Wirkung vom 2. 4. 2001 abgezogen, obwohl die Beklagte keinen Unterhaltsanspruch mehr habe. Es sei zu erwarten, dass die Beklagte die gemäß dem Urteil weiter fällig werdenden Unterhaltsbeträge "zur Überweisung" bringen werde.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen, hilfsweise es als unbegründet abzuweisen. Da der Kläger seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm nicht nachkomme, habe die Beklagte Exekution geführt. Die vorliegende Klage sei eine Oppositionsklage, die gemäß Art 16 EuGVÜ ausschließlich bei jenem Gericht einzubringen sei, das die Exekution bewilligt habe. Dieses sei nicht das Erstgericht. In der Sache bestreitet die Beklagte, weil die vom Kläger behauptete Lebensgemeinschaft nicht bestehe.

In der Verhandlungstagsatzung vom 31. 5. 2001 brachte der Kläger vor, die Klage sei eine Feststellungsklage und keine Oppositionsklage. Für die Klage auf Abänderung eines Unterhaltstitels gegen einen in Österreich lebenden Unterhaltsberechtigten sei gemäß Art 5 Z 2 EuGVÜ nur das österreichische Gericht zuständig. Die Beklagte erwiderte, deutsches Verfahrensrecht sei nicht anzuwenden. Vor einer Feststellungsklage sei die Oppositionsklage einzubringen.

Das Erstgericht wies mit Beschluss das Klagebegehren und den Einstellungsantrag zurück. Da die unterhaltsberechtigte Beklagte ihren Wohnsitz im Sprengel des Erstgerichts habe, sei dieses gemäß Art 5 Z 2 EuGVÜ "grundsätzlich" zuständig. Nach österreichischem Verfahrensrecht sei aber eine negative Feststellungsklage nur zulässig, wenn zur Hereinbringung des bekämpften Anspruchs keine Exekution anhängig sei. Nach § 767 dZPO seien Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, mit Vollstreckungsabwehrklage beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Dies gelte etwa bei einem eheähnlichen Verhältnis. Da während eines Exekutionsverfahrens nur eine Oppositionsklage zulässig, eine solche Klagemöglichkeit aber nach der deutschen ZPO vorgesehen und der Einstellungsantrag von keinem der Fälle des § 39 EO umfasst sei, hätten die Klage und der Antrag zurückgewiesen werden müssen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gemäß Art 16 Z 5 EuGVÜ seien für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats ausschließlich zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden solle oder durchgeführt worden sei. Diese Zuständigkeit verdränge die Zuständigkeiten nach Art 2 und Art 5 ff EuGVÜ. Die vorliegende Klage strebe die Beseitigung der Grundlagen des Exekutionstitels an, aus dem in Deutschland bereits Exekution geführt werde. Sei ein Exekutionsverfahren schon anhängig, so seien nach der österreichischen Rechtsprechung Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch mit Oppositionsklage nach § 35 EO geltend zu machen. Eine Feststellungsklage sei unzulässig. Diese Rechtsprechung betreffe Inlandssachverhalte. Auf Grund der Geltung des EuGVÜ seien auch die Vertragsstaaten in die Beurteilung miteinzubeziehen, sodass die Einbringung einer Feststellungsklage in Österreich auch dann unzulässig sei, wenn in einem Vertragsstaat eine Exekution anhängig sei. Deshalb sei das nach deutschen Vorschriften sachlich und örtlich zuständige Gericht zur Entscheidung ausschließlich zuständig (Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 dZPO). Der Antrag auf Einstellung des in Deutschland anhängigen Vollstreckungsverfahrens betreffe nur dieses Verfahren, in das ein österreichisches Gericht nicht eingreifen dürfe. Es sei nicht behauptet worden, dass in Österreich eine Exekution zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs anhängig sei, sodass auch der weitergehende Antrag zurückzuweisen gewesen sei. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Gericht zweiter Instanz zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob eine Feststellungsklage in Österreich auch dann unzulässig sei, wenn das Exekutionsverfahren, dessen Titel durch die Feststellungsklage bekämpft werde, in einem Vertragsstaat des EuGVÜ anhängig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist, soweit er die Bestätigung der Zurückweisung des Einstellungsantrags bekämpft, jedenfalls unzulässig, im Übrigen aber mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur hier zu entscheidenden Zuständigkeitsfrage zulässig und auch berechtigt.

1. Hat das Rekursgericht den angefochtenen erstrichterlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle, nämlich Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen, nicht vorliegt. Entschied das Rekursgericht über mehrere Gegenstände oder Ansprüche, die nicht in einem derart engen, unlösbaren Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert werden können, sondern jeweils für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben, sind sie, soweit es um ihre Anfechtbarkeit geht, gesondert zu beurteilen (JBl 1993, 459; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 528 Rz 4 mwN). Im hier vorliegenden Fall strebt der Kläger mit dem Antrag, sämtliche anhängige Exekutionsverfahren einzustellen, bis über die Klage rechtskräftig entschieden wird, eine Verfügung an, die vom rechtlichen Schicksal der Klage nicht abhängt. In der Frage der Rechtsmittelzulässigkeit ist daher die Bestätigung der Zurückweisung der Klage und der Zurückweisung des Einstellungsantrags so zu behandeln, als wenn sie gesondert ergangen wären (Kodek aaO mwN). Wohl bezeichnet der Justizausschussbericht (991 BlgNR 17. GP zu § 528 ZPO) die im § 528 Abs 2 Z 2 ZPO in der Fassung der WGN 1989 von der Unanfechtbarkeit ausgenommenen Beschlüsse als jene, "durch die der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wird"; er meint damit aber, wie die folgenden Ausführungen unmissverständlich erkennen lassen, nur formal-rechtlich begründete Klagezurückweisungen. Der Oberste Gerichtshof sprach zu 3 Ob 109/99x aus, dass der Gesetzgeber die Zurückweisung von Exekutionsanträgen bewusst dem Ausnahmetatbestand nicht unterstellt hat, sodass eine analoge Anwendung nicht in Frage kommt. Umsoweniger ist der Beschluss, der einen die vorläufige Einstellung von Exekutionsverfahren anstrebenden Antrag zurückweist, einer Klagezurückweisung gleich zu halten.

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Einstellungsantrags richtet, war er daher zurückzuweisen.

2. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, mit der vorliegenden Feststellungsklage mehr als mit einer Oppositionsklage in jenem Staat, in dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werde, erreichen zu können. Sei die Klage nämlich erfolgreich, könne er allen potentiellen Exekutionsschritten in allen Vertragsstaaten des EuGVÜ entgegentreten. Die Feststellungsklage sei auch keine Klage iSd Art 16 Nr 5 EuGVÜ.

Hiezu war zu erwägen:

Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass hier die allein zur Entscheidung anstehende Frage der internationalen Zuständigkeit nach den Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) zu beantworten ist. Mit der Zuständigkeitsfrage hat - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - die Frage der Zulässigkeit der Klage allerdings nichts zu tun.

Der Rechtsstreit hat Auslandsberührung, weil der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland wohnt und die Abänderung des ihn zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Beklagte verpflichtenden Urteils eines deutschen Gerichtes begehrt, aus dem die Beklagte schon vor Klageeinbringung die Zwangsvollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hatte. Die Beklagte hat ihren Wohnsitz in Österreich.

Die Bundesrepublik Deutschland und Österreich sind Vertragsstaaten des EuGVÜ, das - in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens über den Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands (BGBl III 1998/167) - für Österreich am 1. 12. 1998 und für die Bundesrepublik Deutschland am 1. 1. 1999 (BGBl III 1998/207) in Kraft trat. Die Rechtssache ist eine Zivilsache im Sinn des Art 1 Abs 1 EuGVÜ, die nicht unter die in Art 1 Abs 2 EuGVÜ genannten Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Die Frage der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte ist daher nach dem EuGVÜ, dessen Bestimmungen zwingend sind und in ihrem Anwendungsbereich innerstaatlichen Regelungen vorgehen (ZfRV 2000/66 mwN), zu beurteilen. Die am 1. 3. 2002 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl L 2001/12, 1, die im Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Dänemark an die Stelle des EuGVÜ tritt (Art 68 Abs 1 EuGVVO), ist im gegenwärtigen Fall nicht anzuwenden, weil das Verfahren vor dem Inkrafttreten der EuGVVO eingeleitet wurde (Art 42 Abs 1 EuGVVO).

Der Urteilsantrag, den der Kläger auf nach § 1579 Nr 7 dBGB zu berücksichtigende Umstände stützt, hat offenbar die Abänderungsklage nach § 323 dZPO zum Vorbild (vgl BGH NJW 1997, 1851). Diese Norm eröffnet die Möglichkeit der Abänderung von Urteilen auf wiederkehrende Leistungen, vor allem von Unterhaltsurteilen, wenn eine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die für die Verurteilung zur Entrichtung maßgebend waren. Die Wirkung des Abänderungsurteils ergreift sowohl die Vollstreckbarkeit als auch die materielle Rechtskraft des Ersturteils (Schack, IZVR2 Rz 1001; Leipold in FS Nagel 205). Das österreichische Recht kennt eine Abänderungsklage im Sinn des § 323 dZPO gegen Unterhaltsentscheidungen nicht (vgl Fasching LB2 Rz 1532; Simotta in Fasching 2 I § 76a JN Rz 39; Böhm in FS Fasching 107 [127]). Die Frage, ob eine bestimmte Rechtsschutzform zulässig ist, ist nach österreichischem Recht dem Verfahrensrecht zuzuordnen, auch wenn materiell-rechtlich ausländisches Recht anzuwenden ist (für die Feststellungsklage: ZfRV 2000, 147; ZfRV 1993, 124; SZ 20/128 ua; Fasching LB2 Rz 2400; für die Oppositionsklage gegen einen ausländischen Exekutionstitel: IPRE 2/141; Matscher in Fasching 2 I vor Art IX EGJN Rz 95 mwN). Nach dem Grundsatz der lex fori kommt daher für die Zulässigkeit der Klageform allein österreichisches Verfahrensrecht zur Anwendung.

Nach österreichischer Rechtsprechung und Lehre bezieht sich die materielle Rechtskraft auch einer Verurteilung zu künftigen Unterhaltsleistungen (§ 406 Satz 2 ZPO) nur auf jene Sachlage, die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung vorlag, sodass nachträgliche Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts von der Rechtskraft nicht erfasst werden (SZ 58/26 mwN; Fasching LB2 Rz 1531 f). Ändern sich bei einer Verurteilung zu künftigen Unterhaltsleistungen nach Schluss der Verhandlung die anspruchsbegründenden oder die für die Anspruchshöhe maßgebenden Tatsachen, so steht dem Unterhaltsgläubiger, der eine Erhöhung der Unterhaltsleistung will, eine neue Leistungsklage offen, und umgekehrt dem Unterhaltsschuldner, der die Herabsetzung - allenfalls "auf Null" anstrebt - die negative Feststellungsklage bzw die Oppositionsklage nach § 35 EO zu (SZ 19/316, SZ 58/26; SZ 24/75; RZ 1977/18 ua; Fasching LB2 1532; Matscher, JBl 1960, 265 [270 FN 34]; Böhm in FS Fasching 107 [127 mwN]; Jakusch in Angst, EO § 35 Rz 15 ff). Nach der Rechtsprechung kommt das neue Urteil, das die zugesprochene Urteilsleistung aberkennt oder mindert, einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Ersturteils im Sinn des § 39 Abs 1 Z 1 EO gleich, sodass es einen Grund zur Einstellung oder Einschränkung der Exekution analog zu § 39 Abs 1 Z 1, § 41 Abs 1 EO bildet (SZ 58/26; vgl auch SZ 53/30; EvBl 1975/124; ebenso Fasching LB2 1532; aA Jakusch aaO § 35 Rz 11 und 21, der für den Fall eines erfolgreichen negativen Feststellungsurteils eine analoge Anwendung des § 35 Abs 4 EO erwägt. In SZ 58/26 sprach der Oberste Gerichtshof darüber hinaus aus, dass eine Klage auf Feststellung des Erlöschens einer titulierten Unterhaltsverpflichtung wegen geänderter Verhältnisse auf Aufhebung des Exekutionstitels gerichtet, deshalb keine "gewöhnliche" Feststellungsklage, sondern in Bezug auf die Sonderregelung des § 406 Satz 2 ZPO ein besonderer Rechtsbehelf ist.

Der Kläger will der Beklagten ab Jänner 2001 keinen Unterhalt mehr zahlen, weil die Beklagte nach der urteilsmäßigen Bestimmung ihres Unterhaltsanspruchs eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann eingegangen sei und deshalb gemäß § 1579 Nr 7 dBGB ihren Unterhaltsanspruch verloren habe. Da die Beklagte aus dem deutschen Unterhaltsurteil in Österreich nicht Exekution führt, kommt eine Umdeutung der Klage in eine Oppositionsklage nach § 35 EO nicht in Betracht. Sie ist vielmehr nach dem Inhalt der Klageerzählung und des Klagebegehrens auf Grund des anzuwendenden österreichischen Verfahrensrechts in eine negative Feststellungsklage in der in SZ 58/26 bezeichneten Ausprägung umzudeuten, die einen der Abänderungsklage nach § 323 dZPO gleichwertigen Rechtsschutzeffekt bietet (vgl Böhm in FS Fasching 107 [126 f]).

Das EuGVÜ begründet keine internationale Zuständigkeit des Staates, dessen Gericht die abzuändernde Unterhaltsentscheidung gefällt hat (Jenard-Bericht [ABl 1979 Nr C 59, 1 ff = 34 BlgNR 20.GP 51 ff] zu Art 5 Z 2 EuGVÜ; Schlosser-Bericht [ABl 1979 Nr C 59, 71 ff = 34 BlgNR 20.GP 131 ff] Rz 107; Simotta in Fasching 2 I § 76a JN Rz 39 mwN). Für Klagen auf Abänderung einer Unterhaltsentscheidung ist im Anwendungsbereich des EuGVÜ die internationale Zuständigkeit nach Art 2 oder Art 5 Z 2 EuGVÜ neu zu bestimmen (Schlosser-Bericht Rz 100; Simotta aaO). Dies gilt selbst dann, wenn das autonome Recht des Gerichtsstaats das Abänderungsverfahren als Rechtsbehelfsverfahren gegen die abzuändernde Entscheidung auffasst (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art 5 EuGVÜ Rz 138; Schlosser-Bericht Rz 106; Simotta aaO mwN). Zur strittigen Frage, ob dem Unterhaltsschuldner, der wegen geänderter Verhältnisse eine Änderung des Unterhaltstitels anstrebt, nur die internationale Zuständigkeit nach Art 2 EuGVÜ - am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten - (ErläutRV zum LGVÜ 34 BlgNR 20. GP 31; Simotta aaO mwN) oder auch jene nach Art 5 Z 2 EuGVÜ am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Unterhaltsberechtigten (Geimer/Schütze aaO Art 5 EuGVÜ Rz 136 mwN) offen steht, muss hier nicht Stellung genommen werden, weil die Beklagte ihren Wohnsitz ohnehin in Österreich hat.

Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können nach Art 3 Abs 1 EuGVÜ vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Art 5 bis 18 EuGVÜ geklagt werden. Zu prüfen bleibt im Hinblick auf das von der Beklagten gegen den Kläger in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Unterhaltstitel eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren, ob die vorliegende Klage unter die ausschließliche Zuständigkeit nach Art 16 Nr 5 EuGVÜ fällt, die den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten - Art 2 EuGVÜ - in Österreich verdrängen würde (EuGH 26.3.1992 Rs C-261/90 "Reichert/Dresdner Bank II" Slg 1992, I-2149 Rn 10 und 24; EuGH 4.7.1985 Rs 220/84 "AS-Autoteile/Malhe" Slg 1985, 2267 Rn 16; Simotta aaO § 81 JN Rz 22 mwN).

Nach Art 16 Nr 5 EuGVÜ sind für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Beklagten ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung geführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sprach schon aus, dass Art 16 EuGVÜ nicht weiter ausgelegt werden darf, als sein Zweck es erfordert, bewirkt er doch, dass den Parteien die ihnen sonst gegebene Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen genommen wird und dass sie in bestimmten Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist (EuGH IPRAX 1993, 18 - "Reichert/Dresdner Bank II" Rn 25 mwN). Hiebei ist zu berücksichtigen, dass der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Ort der Vollstreckung der Entscheidung darin besteht, dass es nur Sache der Gerichte des Vertragsstaats ist, in dessen Hoheitsgebiet die Vollstreckung durchgeführt werden soll oder wird, in diesem Gebiet die Vorschriften über die Tätigkeit der Vollstreckungsbehörden anzuwenden (EuGH aaO). Der Begriff "Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben" ist vertragsautonom auszulegen (vgl EuGH aaO Rn 27; Geimer/Schütze aaO Art 16 EuGVÜ Rz 269; Simotta aaO vor §§ 83a und 83b JN Rn 164; aA Schlosser, EuGVÜ Art 16 Rz 24). Darunter sind Verfahren zu verstehen, die sich aus der "Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen oder Urkunden" ergeben; danach fallen "Streitigkeiten, die sich bei diesen Verfahren ergeben, ..... unter die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des Vollstreckungsortes" (Jenard-Bericht zu Art 16 Nr 5 EuGVÜ; EuGH aaO Rn 27). Es muss sich daher immer um Verfahren handeln, die die Zwangsvollstreckung unmittelbar zum Gegenstand haben. Klagen, die nur mittelbar damit zu tun haben, fallen nicht darunter (Geimer/Schütze aaO Art 16 EuGVÜ Rz 272; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 Art 16 EuGVÜ Rz 59; Simotta aaO vor §§ 83a und 83b JN Rz 164 mwN). Die vorliegende negative Feststellungsklage hat nicht die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel zum Gegenstand. Ihr Gegenstand ist vielmehr der Fortbestand des materiell-rechtlichen vollstreckbaren Anspruchs; darüber spricht das anstehende Urteil ab (s OGH JBl 1998, 381 = IPRAX 1999, 47 [krit H.Roth, IPRAX 1999, 51 ff]). Die Klage fällt daher unter Bedachtnahme auf die dargelegten Auslegungsgrundsätze nicht unter Art 16 Nr 5 EuGVÜ (auch die Abänderungsklage nach § 323 dZPO ist nicht unter Art 16 Nr 5 EuGVÜ einzuordnen: Kropholler aaO Art 16 EuGVÜ Rz 25; Gottwald in MünchKomm ZPO III Art 16 EuGVÜ Rz 28 mN; Schack, IZVR2 Rz 992). Die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich auch aus dem Urteil des EuGH "AS-Autoteile/Malhe" (IPRAX 1986, 232) ableiten. In diesem entschied der Gerichtshof, dass ein Verfahren der Art, wie es in § 767 dZPO vorgesehen ist, wegen seines engen Zusammenhangs mit dem Zwangsvollstreckungsverfahren unter die Zuständigkeitsregel des Art 16 Nr 5 EuGVÜ fällt. Grund hiefür ist, dass das anstehende Sachurteil über diese Klage, mit der Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, geltend zu machen sind, keine rechtskräftigen Aussagen zum Fortbestand des vollstreckbaren Anspruchs macht (Schlosser, EuGVÜ Art 16 Rz 25 unter Bezug auf BGH NJW RR 1990, 49). Das Sachurteil spricht die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem genau zu bezeichnenden Titel aus (Salzmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3 § 767 Rz 8 f). Es beseitigt nicht den Vollstreckungstitel, sondern nur dessen Vollstreckbarkeit (BGHZ 118, 229 mwN; Thomas/Putzo, ZPO22 § 767 Rz 1). Daraus folgt auch, dass hier dem Kläger das Feststellungsinteresse nicht deshalb abgesprochen werden kann, weil er die Einwendungen, die er in der Klage erhebt, mit Klage nach § 767 dZPO vor einem deutschen Gericht zur Abwehr der in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Unterhaltsurteils eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahrens geltend machen könnte.

In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen war daher die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 ZPO. Der Kläger obsiegte im Zwischenstreit über die internationale Zuständigkeit. Er verzeichnete Kosten des Verfahrens erster Instanz nicht und im übrigen auf einer unter dem Streitwert (§ 58 Abs 1 JN) liegenden Bemessungsgrundlage. Der Einheitssatz beträgt bei dieser nur 50 % (§ 23 Abs 3 RATG). Im Rechtsmittelverfahren fielen Pauschalgebühren nicht an.

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